Marisol Jara kommt an einem frischen Februartag 2015 nach Deutschland. Die heute 43-jährige Chilenin hatte sich zehn Jahre zuvor in die Deutsche Madeleine verliebt und wohnt nun zunächst für vier Monate im Miniweiler Winterbach bei Stuttgart. „Geheiratet haben wir in Argentinien. Es war wunderschön“, sagt sie. Der achtzehnte Teil der courage-online.de Serie „Superheldinnen“.
Von Matthias Lauerer
„Mein erstes Gefühl in Deutschland war: Es ist sehr schön und sehr ordentlich“, sagt sie heute dazu. Marisol kommt im Winter an und es ist damals sehr kalt. Doch nicht nur damit hat die Chilenin zu kämpfen. „Die Region Stuttgart, in der das Dorf liegt, war sehr schwierig für mich, denn ich verstand die Menschen nicht, weil der Dialekt so stark ist.“ Heute liebt und lebt sie in Bonn: „Hier möchte ich bleiben, dies ist meine Stadt.“ Seit nunmehr sieben Jahren ist sie in Deutschland.
Marisol ist heute 43 Jahre alt und sie arbeitet in einem Bonner Chemieunternehmen. Dort hat es sie in die Produktion verschlagen, wo sie sich um die Erstkontrolle der Produkte kümmert. „Seit drei Jahren arbeite ich dort und war erst als Abfüllerin aktiv. Nun habe ich viel im Job gelernt und bin aufgestiegen.“ Normalerweise hält sie es immer nur für etwa ein Jahr in einer Firma aus, dann habe sie in der Regel genug gelernt und ziehe weiter. Hier sei es nun anders, sie mag ihre Arbeit sehr. „Manchmal ist es schwierig, weil ich keine Ausbildung in Deutschland gemacht habe und die Sprache nicht so gut spreche“, sagt sie. Für ein Interview auf Deutsch reicht es jedoch allemal.
Neubeginn
Leicht war der Neustart nicht für Marisol, die eigentlich Lebensmitteltechnikerin von Beruf ist. In ihrem alten Job wollte sie in der Bundesrepublik, wegen der doch „sehr anstrengenden Schichtarbeit“ nicht zurück. „Ich musste neu und von null anfangen und schaffte zunächst im Supermarkt und in der Sicherheit.“ Zwar verdiene ihre Ehefrau „sehr gut, aber die Unabhängigkeit und damit auch mein eigenes Geld zu verdienen ist mir sehr wichtig.“
Fußballspielen im Hofgarten
Zum Ausgleich nach der Arbeit geht es für sie oft in den Hofgarten. „Ich spiele Fußball vor der Universität — drei Mal wöchentlich im Sommer und im Winter einmal. Wir sind die Hofgartenkickerinnen.“ Verabredet wird sich per „Doodle“ und ab sechs Mitspielenden wird der Ball ausgepackt.
„La Roja“ schwächelt
Was ihr, neben dem Fußball noch Ruhe bringt, ist der Besuch in der Sauna. „Beim ersten Mal war es seltsam, auch weil ich mich geschämt habe, so nackt vor allen anderen. Dies ist in meiner Kultur verpönt, doch heute ist das total normal und ich genieße es sehr.“
Was sie gerade traurig stimmt: „Wir sind schon fast raus aus der Qualifikation für die WM in Katar.“ Damit spricht sie auf das chilenische Nationalteam an, das liebevoll „La Roja“ also „die Rote“ genannt wird, und bei dem es gerade nicht so wirklich gut läuft.
Kinder? Ja gerne
Über das Thema Kinder und die weiteren Jahre im Land sagt sie: „Wir haben keine Kinder, aber wollen welche. Wird schon klappen.“ Was Jara wichtig ist: „Ich möchte in Ruhe überlegen, was ich machen will, vielleicht etwas in der Sozialarbeit. Für mich ist es wichtig etwas zu tun, was mir gefällt.“ Mit ein Grund über eine mögliche Zukunft in der Sozialarbeit nachzudenken: „Ich habe einen Neffen in Chile, der ist behindert.“ Jene Kinder nannte man bis vor nicht allzu langer Zeit in jenem Staat noch „minusvalidos“. Demnach waren jene für die Gesellschaft „weniger wert.“
Perfektes Deutsch
Spricht man Marisol auf ihren Traum für ihr Leben an, sagt sie: „Ich träume sehr davon, die deutsche Sprache zu 100 Prozent zu verstehen und zu sprechen.“ Dafür will sie bald mit Onlinesprachstunden beginnen.
In der courage-online.de-Serie „Superheldinnen“ stellen wir regelmäßig Frauen vor, die ihr augenscheinlich „ganz normales“ Leben wie eine Superheldin meistern. Wir zeigen die ganz persönlichen Lebensläufe, sprechen über Finanzbildung und wollen Mut machen: Jede Frau ist eine Superheldin!
Findet uns auch auf: