Weltweit können die Menschen erwarten, 73 Jahre alt zu werden. Regional sieht das ganz unterschiedlich aus. Doch eins steht fest: Wir werden immer älter und bleiben länger fit. Das birgt Chancen und Herausforderungen zwischen Gesundheitsvorsorge, Dating-Apps und neuem Wohnen.
Von Antje Erhard
Wer 2021 in San Marino auf die Welt gekommen ist, kann im Schnitt 85 Jahre alt werden, gefolgt von Neugeborenen in Hongkong (ebenfalls 85 Jahre), Macau, Singapur und Japan (je 84 Jahre). Laut Statista ist Deutschland jedoch nicht unter den 30 Ländern, deren Bewohner:innen besonders alt werden. Wir haben die Chance, ungefähr 81 zu werden. Doch gerade in ärmeren Regionen sieht es vollkommen anders aus: Lediglich 64 Jahre beträgt die Lebenserwartung demnach in Afrika.
Das heißt: Jede Generation ist kleiner als die vorangegangene. Die Älteren sind stetig in der Überzahlt. Bis 2060 wird ein Drittel der Bevölkerung 65 und älter sein. Dann werden auch doppelt so viele 70-Jährige leben wie Kinder geboren werden, errechnete das Zukunftsinstitut. Die Welt wird alt. Das fordert Wirtschaft, Sozialsysteme, Staat und Gesellschaft.
Der Trend zeigt sich besonders in Japan. Das Land der aufgehenden Sonne gilt bereits als „super aged society“, weil schon 29 Prozent der Einwohner:innen älter als 65 sind. So hoch ist der Anteil der Älteren derzeit in keinem anderen Land. Japan versucht aber bereits seit Längerem, mit Künstlicher Intelligenz gegenzuhalten: Roboter ersetzen Arbeitskräfte in Automobilproduktion oder Maschinenbau, bewachen U‑Bahnen. Ein Projekt, das in die Zukunft denkt, mutet etwas skuril an: Japan fördert mit 11 Milliarden US-Dollar Partnervermittlungen. Wer hier zusammenkommt, soll natürlich dann auch an Nachwuchs denken, ist der langfristige Plan. Japan ist neben den USA ein wichtiger Markt für globale Dating-App-Anbieter.
Die Alten gibt es nicht mehr
Doch zurück nach Deutschland und die gute Nachricht zuerst: „Die Alten“ gibt es nicht mehr, sagt das Zukunftsinstitut. Die Wissenschaftler:innen prognostizieren: „Zentral wird eine neue positive Bedeutung von ‚Alter’ und ‚Altern’ – die auch einen großen Shift im Wirtschaftssystem vorantreibt: von Wachstum zu Weisheit.“ So wie es „die Jugend“ nicht mehr gäbe, könne man auch die Älteren nicht mehr über einen Kamm scheren. Statt soziodemographisch werden Zielgruppen nun nach Lebensstilen, die durch Werte, Einstellungen und Konsummuster definiert seien, unterschieden. Begründung: „Eigentlich war die Gesellschaft noch nie so jung.“ Und noch ein Trend breite sich in diesem Zusammenhang aus. Der zur Lebensqualität. Achtsamkeit werde zum Mainstream und Lebensqualität zum Ziel der allermeisten. Und so sind die Älteren die einzige wachsende Konsumentengruppe. Daraus ergeben sich für einzelne Branchen und Märkte durchaus Chancen:
Profiteur 1: Der Gesundheitsmarkt. Hilfs- und pflegebedürftige sehr alte Menschen treiben den Sektor für Gesundheit, Pflege und Soziales. Davon profitiert der erste Gesundheitsmarkt mit Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Pharma- und Biotech-Unternehmens sowie der zweite Markt. Er umfasst alternative Medizin, Wellness, Ernährungsberater und die Lebensmittelbranche. Die Bedeutung von Gesundheitssystemen wird zunehmen. Schon jetzt benötigt die Gesellschaft mehr Leistungen als noch vor wenigen Jahren, trotz Urlaub, Fitness und Sport. Auch die Corona-Pandemie stützt diesen Trend: Online-Sprechstunden und digitale Daten-Übermittlungen werden immer wichtiger.
Neuseeland statt Balkonien
Profiteur 2: Der Tourismus. Die Älteren sind unabhängig, haben viel Zeit und häufig auch das notwendige Kapital zu reisen. Und sie sind fit genug, die Welt weiter zu entdecken. Neuseeland statt Balkonien. Nah- und Ferntourismus profitieren davon, wenngleich die Corona-Pandemie den Reisesektor belastet hat. Doch mit komfortablen Lösungen, barrierefreien Angeboten und individuellen Angeboten ist hier eine wichtige Zielgruppe unterwegs in Hotels, Restaurants, in Flugzeugen, auf Schiffen etc.
Profiteur 3: Mobilität und Urbanität. Die Älteren wollen mobil bleiben. Das erfordert aber ein besonderes Maß an Sicherheit. Fahrassistenzsysteme in Fahrzeuge erfahren da womöglich viel Zuspruch in Zukunft. Aber auch E‑Bikes tragen dazu bei, dass die Senior:innen mobil sind und sich zugleich fithalten. Hol- und Bringdienste werden nicht nur für Pflege- und Arztfahrten interessant.
Assisted Living statt Haus mit Garten
Und der Trend zur Urbanisierung erfasst auch die Senior:innen: Schon jetzt zieht es immer mehr Menschen in die Städte. Die Älteren können sich die derzeit hohen Preise aber auch eher leisten: Sie tauschen Haus gegen Wohnung und nehmen am urbanen Leben teil. Allerdings braucht es alltagstaugliche Wohnkonzepte: Barrierefrei, vernetzt und gut angebunden. Senioren-WGs und seniorengerechte Wohnkonzepte, so genanntes „Assisted Living“ werden beliebter.
Profiteur 4: Bildung. Lebenslanges Lernen ist die Devise. Studien belegen den Zusammenhang von Verhalten und individueller Alterung innerhalb bestimmter biologischer Grenzen. „Gerade die neuen ‚Rentnergenerationen’ haben die Erkenntnis der Gestaltbarkeit des Alterns stark verinnerlicht“, fasst das Zukunftsinstitut zusammen: Vielseitig interessiert und mit viel Zeit besuchen Senior:innen Sprach- und Computerkurse, gehen in Konzerte, Museen, lernen den Umgang mit Smartwatches, Tablets und Smartphones. Und nutzen diese.
Viele Finanzdienstleister haben darauf längst reagiert. Fonds, ETFs, Aktien und Zertifikate machen das Thema vielfältig investierbar. Zu den Sektoren gehören zum Beispiel
- Gesundheit, Wellness & Pharma
- Tourismus
- Mobilität & Konnektivität
- Population & Demographie
- Technologie und Künstliche Intelligenz
- sowie Immobilien und Betreutes Wohnen
Unternehmen, die Produkte und Services für die weltweit alternde Bevölkerung anbieten, haben die Älteren im Blick, von Dating-Apps bis Wohn-Immobilien. Aber auch Unternehmen der Grundversorgung, Nahrungsmittelindustrie und Erneuerbaren Energie zählen zu den Zukunftsmärkten, wenn es gilt, immer mehr Menschen zu versorgen. Wie bei jedem Investment ist auch eine Geldanlage in Zukunftsbranchen ein langfristiges Investment mit allen Chancen und Risiken der Kapitalmärkte. Eine breite Streuung empfiehlt sich auch hier.
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