Katharina von Platen ist Finanzchefin bei Greenforce, einem Anbieter von pflanzlichen Alternativen für Fleisch, Milch und Co. Wir haben sie gefragt, wie sie sich mit ihren 80 Mitarbeitern gegen große Player wie die Rügenwalder Mühle behaupten und ob der Veggie-Burger-Hype nicht schon wieder zu Ende ist.
Von Isabell Angele
courage-online.de: IKEA plant, bis 2025 rund 80 Prozent der zum Verkauf angebotenen Tiefkühlprodukte auf vegan umzustellen. Die Rügenwalder Mühle verkauft schon jetzt mehr Ersatzprodukte als Fleischwaren. Wie behauptet man sich als junges Unternehmen gegen Marken mit solcher Reichweite?
Katharina von Platen: Ich werte es als ein gutes Zeichen, dass große Konzerne bei dieser Entwicklung nachziehen. Denn durch die großen Player bekommt das Thema auch eine große Aufmerksamkeit. Eine Studie zeigt, dass der Umsatz mit Fleischalternativen in Deutschland 2021 um 32 Prozent auf 611 Millionen Euro gestiegen ist. Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, ihren Fleischkonsum zu reduzieren, häufig aus Gründen des Klima- und Tierschutzes. Da sollte genug Platz für viele Wettbewerber sein. Das funktioniert auch für jüngere Unternehmen wie uns. Wir sehen uns vor allem im Vertrieb sehr gut aufgestellt: Kunden können unsere Produkte ganz unkompliziert online bestellen oder auch im Lebensmitteleinzelhandel erwerben. Außerdem wollen wir durch den Geschmack und cleane Inhaltsstoffe punkten – wir kommen zum Beispiel ohne Soja und Geschmacksverstärker aus.
Auf dieser Basis: Welches Wachstum erwarten Sie für die kommenden Jahre?
Wir investieren viel in Forschung und Entwicklung, vertreiben mittlerweile mehr als 50 Produkte in insgesamt sechs Ländern. Für die kommenden Jahre sind wir sehr positiv gestimmt und erwarten ein hohes Umsatzwachstum.
Trotz dieser positiven Marktaussichten hat der Wettbewerber Beyond Meat kürzlich verheerende Zahlen verkündet. Ist die Veggie-Burger-Euphorie schon wieder vorbei?
Nein, im Markt für pflanzliche Alternativen steckt nach wie vor enormes Potential: Umfragen zeigen, dass über die Hälfte der Deutschen gewillt ist, tierische Produkte im wöchentlichen Speiseplan zu reduzieren. In die konkreten Pläne und Strategie und unserer Wettbewerber habe ich natürlich zu wenig Einblick, dennoch liegt die Vermutung nahe, dass die Marktbewertung von veganen Unternehmen, die an die Börse gegangen sind, zum Teil sehr hoch waren. Uns ist es derweil gelungen Ende November trotz der angespannten Marktlage eine Finanzierungsrunde über 13 Millionen Euro abzuschließen. Unsere Strategie hat sowohl Bestands- als auch Neuinvestoren überzeugt. Unter den Neuinvestoren sind unter anderem die BayWa AG, mehrere Vorstände und Vertreter von BioNTech sowie der ehemalige McDonalds Deutschlandchef Holger Beeck.
Wie wird Greenforce den Anforderungen an Klimaschutz, Tierwohl und grüner Energie gerecht?
Wir versuchen, wo es geht, nachhaltig zu wirtschaften. Wir gleichen alle unsere CO2-Emissionen durch verschiedenste Projekte aus. So ist Greenforce in der Gesamtbilanz komplett klimaneutral. Außerdem arbeiten wir mit recyclingfähigen Verpackungen, verwenden keine unnötigen künstlichen Zusatzstoffe und versenden mit DHL Go Green. Übrigens entfallen durch unsere Produktion in Deutschland lange Transportwege und durch die Pulverform eine energieintensive Kühlkette.
Pulver als Fleischersatz?
Genau. Die Endkund:innen vermengen das Pulver mit kaltem Wasser und lassen es im Kühlschrank für etwa 30 Minuten quellen. Je nach Produkt wird die Masse dann direkt weiterverarbeitet, oder zuvor noch in die gewünschte Form gebracht und anschließend fertig zubereitet. Die Pulverform macht das Produkt sehr lange haltbar, die Lagerung ist sehr einfach und die Produkte können unkompliziert verschickt werden. Da damit auch Wasser und Verpackungsmaterial gespart wird und wie gesagt keine Kühlkette notwendig ist, ist es auch sehr nachhaltig. Für den Endkunden hat das Pulver außerdem den Vorteil, dass man nach Belieben nachwürzen kann und die Menge sehr genau dosieren kann.
Eine entscheidender Inhaltsstoff Ihrer Produkte ist Methylcellulose. Was ist das?
Methylcellulose wird aus der Zellmembran von Erbsen gewonnen. Wird diese Verbindung in Wasser aufgelöst, bekommt sie eine gelartige Konsistenz. Diese Lösung wird vor allem für unsere Fleischersatzprodukte wie Frikadellen oder Burger benötigt. Der Grund dafür ist einfach: Pflanzliches Protein ist nicht so elastisch wie tierisches. Die Methylcellulose ist für die Bissfestigkeit zuständig, sie gibt dem Produkt eine fleischähnliche Konsistenz.
Apropos „fleischähnlich“: Vegane Produkte werden häufig kritisiert, tierische Produkte zu kopieren und den Käufer durch die Namensgebung zu verwirren und zu täuschen. Was sagen Sie dazu?
Um es ganz platt auszudrücken: Wenn jemand aus Versehen eine vegane Frikadelle isst, passiert ihm ja nichts. Letztlich geht es aber darum, auch Flexitarier anzusprechen. Wir wollen, dass sie geschmacklich auf nichts verzichten müssen, wenn sie mehr vegane Produkte essen. Wenn diese aber Namen wie „Erbsenpatty“ tragen, rechnen wahrscheinlich die wenigsten mit einem fleischähnlichen Geschmack.
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