Für gesetzlich Rentenversicherte über 50 Jahren bietet sich eine Chance: Sie müssen dieses Jahr weniger freiwillig einzahlen, um sich einen früheren Renteneintritt leisten zu können. Courage-online.de erklärt, warum das so ist und wie es gelingt.
Von Gisela Haberer
Bevor wir zur Ausnahme kommen, zunächst die Regel: Wer früher in Rente gehen will, muss Abschläge an der Rentenhöhe hinnehmen. Für jeden Monat vor Erreichen der Regelaltersgrenze gibt es einen Abzug von 0,3 Prozent. Ein Jahr vorzeitige Rente bedeutet also eine um 3,6 Prozent geringere Rente – lebenslang. Da arbeitet so mancher und manche lieber bis zum regulären Renteneintritt, damit die Altersrente in voller Höhe fließt. Die Abzüge lassen sich aber ganz oder teilweise ausgleichen: durch freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung.
Jetzt freiwillig einzahlen – später mehr bekommen
Diese Ausgleichszahlungen können Pflichtversicherte ab ihrem 50. Lebensjahr leisten. Da müssen sie aber noch nicht entscheiden, wann sie ihr Erwerbsleben tatsächlich beenden wollen. Wollen sie eines Tages wirklich vorzeitig in Rente gehen, gleichen ihre freiwillig geleisteten Rentenbeiträge Abzüge ganz oder teilweise aus: Entscheiden sie sich, doch bis zu ihrem regulärem Renteneintritt zu arbeiten, erhöhen ihre freiwilligen Zahlungen ihre gesetzliche Rente lebenslang. Arbeiten sie sogar länger, erhöht sich ihre Altersrente für jeden Monat, den sie über ihren regulären Renteneintritt hinaus arbeiten, zusätzlich um 0,5 Prozent, pro Jahr länger Arbeiten also um 6 Prozent. Da die Altersrente durch die freiwilligen Beiträge insgesamt höher ausfällt, steigert dies auch deren prozentuale Erhöhung.
Höhe der freiwilligen Beiträge berechnen lassen
Wie viel insgesamt freiwillig eingezahlt werden muss, um Abschläge für einen vorzeitigen Rentenbeginn auszugleichen, errechnet der zuständige Rentenversicherungsträger. Auf Antrag erhalten Rentenversicherte drei wichtige Auskünfte: Erstens, wie hoch ihre Altersrente zu ihrem beabsichtigten vorzeitigen Rentenbeginn voraussichtlich wäre. Zweitens, um wie viel niedriger sie gegenüber ihrer regulären Altersrente ausfiele und drittens, wie viel sie voraussichtlich einzahlen müssten, um die Abschläge auszugleichen.
Bei der Rente „punkten“
Die „Währung“ der gesetzlichen Rentenversicherung sind Entgeltpunkte, auch Rentenpunkte genannt. Jeder eingezahlte Beitrag wird in Entgeltpunkten gutgeschrieben. Wie viel ein Beitrag „wert“ ist, bestimmt sich aus dem Verhältnis zwischen dem persönlichen Lohn und dem durchschnittlichem Arbeitsentgelt aller Versicherten. Wer in einem Kalenderjahr so viel verdient hat wie der Durchschnitt, erhält genau einen Entgeltpunkt.
2022: Rentenpunkt günstiger zu haben
Freiwillig geleistete Ausgleichszahlungen werden anhand des vorläufigen Durchschnittslohns in Rentenpunkte umgerechnet, den die Bundesregierung jeweils für das Folgejahr schätzt. Wegen Corona rechnet sie für 2022 mit einem geringeren Durchschnittslohn als 2021. Und damit „kostet“ ein Rentenpunkt weniger als im Vorjahr. Das macht auch Ausgleichszahlungen sozusagen „billiger“.
2021 mussten noch rund 7.726 Euro eingezahlt werden, um einen Rentenpunkt zu erhalten, 2022 sind es nur gut 7.235 Euro – also 491 Euro weniger.
Frist nicht verpassen
Ausgleichszahlungen für 2022 können bis 31. März 2023 geleistet werden. Ist diese Frist verstrichen, ist keine nachträgliche Einzahlung möglich. Pflichtversicherte über 50 Jahre, die sowieso überlegen, früher oder später freiwillige Rentenbeiträge einzuzahlen, sollten diese Chance für 2022 nutzen. In späteren Jahren dürfte der „Preis“ eines Rentenpunktes aufgrund steigender Löhne wieder höher sein.
Auf einen Schlag oder in Raten einzahlen
Ausgleichszahlungen können in Einmal- oder in Teilzahlungen geleistet werden. Der Rentenversicherungsträger nennt auf Antrag die voraussichtliche Gesamtsumme. Diese wird 2022 nach dem günstigeren Entgeltpreis berechnet. Ab 2023 dürfte der aber wieder höher liegen. Wer also den günstigeren „Preis“ 2022 nutzt, um den gesamten Ausgleich auf einmal freiwillig einzuzahlen, muss mit Nachzahlungen für spätere Jahre rechnen. Der Antrag auf Auskunft für Ausgleichszahlungen kann jährlich gestellt werden. Die Formulare dafür – V0210 und V0300 – stehen zum Download bereit.
Rentenbeiträge ab 2023 voll steuerlich absetzbar
Bundesfinanzminister Christian Lindner kündigte an, dass bereits ab nächstem Jahr Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe steuerlich absetzbar sein sollen. Der bisher gültige Stufenplan sah dies erst ab 2025 vor. Die volle Absetzbarkeit gilt auch für freiwillige Einzahlungen. Zugleich ist aber auch die hundertprozentige steuerliche Anerkennung – wie bisher – nur bis zu einem zulässigen Höchstbetrag möglich. Dieser wird jährlich ermittelt. 2022 liegt er bei 25.639 Euro. Wird dieser Höchstbetrag durch die regulären selbst geleisteten Rentenbeiträge nicht ausgeschöpft, kann der verbliebene Anteil des Sonderausgabenabzugs für freiwillige Einzahlungen genutzt werden. Um dies optimal auszuschöpfen, kann es sinnvoll sein, die Ausgleichszahlung nicht auf einmal, sondern in Teilen zu leisten. Der Lohnsteuerhilfeverein oder ein Steuerberater helfen, die optimale Lösung zu finden.
Freiwillig Rentenbeiträge einzahlen: Lohnt sich das?
In den jetzigen Zeiten niedriger Zinsen sind Einzahlungen in die gesetzliche Rente vergleichsweise attraktiv. „Für Sonderzahlungen gilt aktuell die Regel: gesetzliche Rente schlägt Betriebsrente und Privatrente.“, sagt der Finanzmathematiker Werner Siepe, seit Jahrzehnten Spezialist für Altersvorsorge. Denn dabei ist das Verhältnis von Einzahlungen zu Auszahlungen am attraktivsten.
Einzahlungen in Rentenversicherungen sind Wetten
Einzahlungen in Rentenversicherungen sind grundsätzlich Wetten auf ein langes Leben. Pro Entgeltpunkt gibt es aktuell im Westen eine monatliche gesetzliche Rente von 34,19 Euro, im Osten 33,47 Euro. Die freiwillige Ausgleichszahlung von 7.235 Euro für 2022 finanziert im Westen für 211 Monate Rentenzahlungen von 34,19 Euro, umgerechnet also 17,6 Jahre lang. Wer länger Rente bezieht, bekommt mehr als er eingezahlt hat. Und das ist statistisch häufig der Fall. Im Durchschnitt beziehen Männer 18,5 Jahre Rente, Frauen 22 Jahre lang. Vorteil der gesetzlichen Rente: Sie versorgt auch Hinterbliebene.
Einzahlungen in die gesetzliche Rente sind aber auch Wetten auf die Politik. In so gut wie jeder Legislaturperiode wird an den Stellschrauben zum Rentenbezug gedreht – allerdings nicht immer zum Nachteil von Rentner und Rentnerinnen. Jedenfalls lassen sich immer mehr gesetzliche Versicherte auf diese Wetten ein. Heute leisten gut 26mal so viele freiwillige Ausgleichszahlungen wie vor zehn Jahren.
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