Gleichberechtigt arbeiten und die Kinder betreuen, dieses Modell haben Heide Straub und ihr Mann schon in einer Zeit gelebt, als die Rollenbilder von Mann und Frau noch ganz andere waren. Zusammen haben sie das Coaching- und Beratungsunternehmen ComTeam 1974 gegründet und damit ihre Vision von einem idealen Arbeitsumfeld geschaffen. Warum ein gewisses Alter auch bei weiblichen Coaches mittlerweile gefragt ist, wo Führungskräfte noch an sich arbeiten können und wie man Umbrüche im Leben angeht, erzählt Straub im Interview.
Von Claudia Vallentin
Warum ist Alter in der Coaching Branche von Vorteil?
Ich merke immer mehr, dass Menschen mit Lebenserfahrung gefragt sind. Denn das sorgt für Vertrauen, so dass sich Coachees auch sicher fühlen können, was sehr wichtig ist, um auch über alles reden zu können. Aber das mit dem Alter galt für Frauen nicht immer. Als ich 50 geworden bin, also vor 22 Jahren, da waren die älteren Männer sehr wohl angesehen, wir Frauen aber eher nicht. Das hat sich wirklich zum Positiven verändert und das Alter spielt auch bei weiblichen Coaches eine Rolle.
Das ist doch dann aber zum Nachteil von jungen Coaches, wenn vor allem die älteren angefragt werden.
Nein, keinesfalls. Denn ich hatte zum Beispiel mal einen jungen Studenten im Coaching und merkte, wie weit ich von seiner Welt entfernt bin. Ich habe ihm dann einen jüngeren Kollegen empfohlen und das hat gut geklappt. Es ist gut, wenn wir Älteren auch unsere Grenzen kennen und zurücktreten können. Insofern gibt es für unterschiedliche Zielgruppen auch jeweils passende Coaches. Es kann aber auch sehr positiv sein, wenn Alt und Jung zusammenkommen.
Du hast ja viel Erfahrung im Bereich Unternehmens- und Führungskräftecoaching – wie hat sich denn in den Unternehmen das Verhältnis von Alt und Jung verändert?
Das kommt ganz auf die Beziehung zwischen Jüngeren und Älteren an. Natürlich hat sich viel verändert, es gibt sehr viel mehr junge Führungskräfte, die dann auch Menschen in ihrem Team haben zu denen der Altersunterschied sehr groß ist. Das gelingt dann positiv, wenn sich beide Seiten Respekt und Wertschätzung entgegenbringen und dann kann es wirklich eine Bereicherung sein. Wenn aber die Älteren meinen, sie hätten aufgrund ihres Alters oder ihrer langen Unternehmenszugehörigkeit Sonderrechte und Privilegien, dann funktioniert es genauso wenig, wie wenn die Jüngeren respektlos mit den älteren Kollegen umgehen und diese sich abgewertet fühlen.
Was können denn, Deiner Meinung nach, Führungskräfte besser machen?
Das kann man pauschal natürlich nicht sagen, aber viele Führungskräfte machen den Fehler, dass sie zu viel zu ihren Mitarbeitern hinreden, anstatt mal nachzufragen. Gerade eben wenn es Schwierigkeiten gibt, macht es Sinn, die Mitarbeiter nach Ideen und Lösungsvorschlägen zu fragen und sich als Führungskraft auch selbst zu hinterfragen.
Sind Dir beim Coaching Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften aufgefallen oder ist dieses Vorurteil total überholt?
Nun ja, wenn man es ganz schwarz-weiß betrachten möchte, würde ich ganz vorsichtig sagen, dass sich männliche Führungskräfte eher schwer tun, von der Sachebene auf die Beziehungsebene zu gehen. Es gibt da die Neigung sich hinter der Sache zu verstecken. Und es gibt natürlich viele Ausnahmen. Bei Frauen ist es eher anders herum und ich sehe eher die Tendenz, dass sie den Fokus auf die Beziehung zu den Mitarbeitern legen und die Themen in den Hintergrund geraten. Und klar, Anteilnahme und Empathie sind super für eine Führungskraft! Ich glaube, hier können Männer und Frauen sich zusammentun und voneinander lernen.
Du hast mit Deinem Mann zusammen die Firma ComTeam gegründet. Und zwar in einer Zeit, in der Frauen noch ihre Arbeitsverträge von ihrem Ehemann unterzeichnen lassen mussten. Wie war es, als Frau in dieser Zeit zu gründen?
Zu der Gründung kam es ja, weil wir beide einen Entwurf vom Leben und Arbeiten schaffen wollten, der zu uns und unserer Lebenssituation gepasst hat. Mein Mann war Berater und unter der Woche immer unterwegs. Ich hatte gerade meine Ausbildung zur Ergotherapie, die ich mir sehr erkämpft habe, abgeschlossen. Ich wollte also auch in dem Beruf arbeiten und nicht zuhause bleiben, wenn wir Kinder bekommen. Das heißt wir haben die Firma gegründet, damit wir gleichberechtigt arbeiten, aber auch die Kinder betreuen können. Und zum anderen hatten wir eine Vision, wie wir miteinander und mit anderen zusammenarbeiten wollten. Wir wollten eine Atmosphäre schaffen, in der man gut arbeiten kann, zusammen Entscheidungen trifft, gute Lösungen findet und in Räumen arbeitet, in denen man sich wohlfühlt. Wir haben deshalb auch ein Haus am Tegernsee bezogen und dort ein Tagungshotel eingerichtet. Wir wollten einfach selber die Arbeitsbedingungen bestimmen und gleichzeitig Arbeit und Familie unter einen Hut bringen.
Hat das immer funktioniert?
Es war nicht immer ganz konfliktfrei und es gab auch Situationen in denen ich viel gearbeitet habe und noch einen weiteren Auftrag hätte annehmen können. Aber ich habe mich dann auch gefragt, wie ich auf diese Zeit zurückblicken würde, wenn die Kinder älter sind und ob die Entscheidungen im Nachhinein richtig sein würden. Und ich habe mich dann häufiger auch für die Kinder entschieden, weil die nicht mit dem Größerwerden warten bis Mama zu Hause ist. Irgendwann ist das dann vorbei und man kann es nicht nachholen.
Diesen Konflikt haben wohl alle arbeitenden Mütter. Kann man Kind und Karriere vereinen?
Ich denke schon, dass das geht. Aber man braucht ein Netzwerk, das einen unterstützt. Zwar ist die Kinderbetreuung seit den siebziger Jahren erheblich besser geworden, aber ohne Mithilfe von Großeltern oder Freundinnen wird es schwierig. Und man kann seinen Arbeitsalltag schon so organisieren, dass man rechtzeitig nach Hause kommt, Meetings am Abend müssen nicht die Regel sein. Aber dafür muss ein Umdenken in der Unternehmenskultur stattfinden und vielmehr noch ein Wertewandel in der Gesellschaft.
Hast du dahingehend auch Diskriminierung erlebt?
Ja, aber eher im Privaten. Es hab durchaus Freundinnen, die vermutlich neidisch waren, dass ich Mama und berufstätig bin, dass mein Mann und ich uns die Kinderbetreuung aufteilen. Vielleicht weil sie es nicht konnten oder wollten.
Und du wurdest als schlechte Mutter hingestellt?
Genau, weil wenn man arbeitet und sich selbst verwirklicht wäre das ja auf Kosten der Kinder. Das waren schon harte Brocken, die ich damals hingeworfen bekommen habe. Mir wurde mal gesagt, meine Kinder wären deshalb so oft krank, weil ich berufstätig bin. Aber es gab auch viel Unterstützung von anderen aus dem Freundes- oder Kollegenkreis.
Wie wurdest Du als Mitgründerin wahrgenommen?
Am Anfang wurde ich kaum wahrgenommen. Wenn wir zum Beispiel Vorstände moderiert haben, dachten die Kunden ich wäre die Assistentin meines Mannes. Wir hatten dann ausgemacht, dass vor allem ich in der ersten halben Stunde rede und mein Mann sich zurückhält. Beim Mittagessen war dann aber wieder eine neue Situation. Einmal saß ich neben einem Vorstandsvorsitzenden, mein Mann ihm schräg gegenüber. Mit mir redete er über die Kinder, mit meinem Mann über Zahlen, Daten und Fakten. Bis mein Mann zu ihm sagte, dass man mit ihm auch über die Kinder reden könnte. Und solche Situationen gab es zuhauf.
Ist das nicht frustrierend?
Ja auf Dauer schon, es war vor allem anstrengend. Deshalb bin ich dann Anfang der neunziger Jahre auch ins Coaching gegangen. Da hatte ich Akzeptanz, musste nicht immer kämpfen und das war eine sehr gute Entscheidung, es hat mein Leben leichter gemacht.
Würdest Du Deinen Beruf als Berufung bezeichnen?
Absolut. Als ich damals mit dem Coaching anfing, da wusste ich: das ist es! Und solange ich sehen und hören kann, kann ich das auch gut machen. Und ich mache es jetzt auch immer noch, zum Beispiel für die Frauenakademie München. Dort berate ich Frauen, die sich gerade in einer Umbruchsituation befinden und die nach einer Veränderung suchen.
Geht das denn so einfach? Eine Veränderung?
Mir war im Coaching auf jeden Fall immer wichtig realistisch zu bleiben. Es hat ja keinen Sinn, wenn jemand davon träumt, jetzt eine Weltumsegelung zu machen, aber finanziell geht es überhaupt nicht. Oder mit Mitte Dreißig ein Medizinstudium zu beginnen. Und trotzdem kann man, wenn man unzufrieden ist, sein Leben auf den Prüfstand stellen und herausfinden, woran man eigentlich Freude hat, was einen bereichert und Energie bringt. Eine Veränderung muss nicht immer beruflich sein und der Beruf muss auch nicht Berufung sein. Es ist wichtig, herauszufinden, für was man leidenschaftlich ist. Manche finden das im Beruf und andere in der Freizeit.
Was würdest Du denn Frauen raten, die selber gründen wollen?
Dass sie prüfen, ob die Idee Sinn ergibt und sie mit ihren Werten einhergeht. Dass sie ihre Netzwerke nutzen, die sozialen, sowie die fachlichen – das ist unabdingbar. Und man sollte einen guten Steuerberater oder eine gute Buchhalterin finden, damit die Finanzen in guten Händen sind.
Findet uns auch auf: