Viele, die heute Mitte oder Ende 50 sind, möchten nicht erst mit 65 oder 67 in Rente. Und noch was vom „richtigen“ Leben haben. Auch wer nicht in jungen Jahren vorgesorgt hat, hat noch genug Zeit.
Von Antje Erhard
Mit über 50 sind viele Menschen in Deutschland in einer sehr guten Lebensphase: Beruflich weit gekommen, aber auch mit weiteren Zielen vor Augen, meistens gesund und fit, finanziell gut aufgestellt, die Kinder sind aus dem Haus und auf eigenen Beinen. Jetzt ist die Zeit der Bestandsaufnahme: Was habe ich erreicht? Was will ich noch erreichen? Aber auch: Reicht meine Rente? Kann ich sogar früher als gesetzlich geregelt in den Ruhestand? Wann will ich aufhören zu arbeiten? Ist meine Altersvorsorge dafür ausreichend?
Altersvorsorge – damit sollen wir uns ja schon in jungen Jahren beschäftigen. Und schieben es dann gern erst einmal weit von uns. Es ist ja noch so viel Zeit bis zur Rente. Stimmt. Wer früh angefangen hat, hat nun schon ein kleines Vermögen. Wenn du es geschafft hast, in den vergangenen Jahren Vermögen aufzubauen, ist der Druck deutlich geringer als „früher“. Aber auch mit 50 ist noch Zeit dafür.
Bestandsaufnahme ist wichtig
Wichtig ist erst einmal ein Check: Reicht meine gesetzliche Rente oder meine private Altersvorsorge, um meine persönlichen Bedürfnisse zu decken? Also, was brauche ich an Lebenshaltungskosten, für Reisen, Versicherungen, Gesundheit, Miete, Spaß? 80 Prozent vom letzten Netto-Einkommen sind, so sagen Expert:innen, eine realistische notwendige Größe für den Ruhestand.
Was wir häufig unterschätzten, ist unsere Lebenserwartung. Mit dem offiziellen Eintritt ins Rentenalter – vor Jahrgang 1964 mit 65 Jahren, alle anderen mit bis dato 67 Jahren – haben wir noch viele Jahre vor uns. Frauen werden in Deutschland im Schnitt 83,6 Jahre alt, Männer 78,9. Doch nach einer Studie der Swiss Life haben nur 43 Prozent der Frauen und 56 Prozent der Männer in Deutschland eine private Vorsorge. Hinzu kommt: Wer seit 2005 in den Ruhestand geht, muss die Alterseinkünfte mehr und mehr versteuern…
Den Vorruhestand clever planen
Viele wollen aber auch früher in Rente. Nach Studien brauchst du als Basis das 25-fache deiner jährlichen (!!!) Ausgaben als Sparsumme, wenn du nicht mehr arbeiten möchtest. Pauschalen sind zwar immer schwierig, aber sie sind wenigstens ein Anhaltspunkt. Ein Beispiel: Wenn deine monatlichen Ausgaben 1.500 betragen, sind das pro Jahr 18.000 Euro. Multipliziert mit 25 brauchst du eine Sparsumme von 450.000 Euro, um nicht mehr arbeiten zu „müssen“.
Ob du schon im Vorruhestand von deinem Vermögen leben kannst, kannst du an folgenden Fragen selbst überprüfen:
- Wie hoch ist dein aktuelles Einkommen?
- Welche Einkünfte hast du außerdem?
- Welche Rücklagen hast du insgesamt?
- Welche Rente bekommst du – bekommst du Rente?
- Wie viel Geld kannst du jetzt monatlich zurücklegen, falls es zum Ausstieg noch nicht reicht?
- Willst du früher aus dem Job aussteigen?
- Wie viel Geld brauchst du dann monatlich? Und wie viel ist Stand heute abgedeckt?
Darüber hinaus werden die meisten von uns in ihren 50ern am besten bezahlt, also eher in der zweiten Karriere-Hälfte: Wer früher aufhört, kann Teil der höheren Einkünfte aus Beförderungen, Gehaltserhöhungen etc. nicht mitnehmen, die eben auch mehr Rücklagen beziehungsweise mehr Geldanlage ermöglichen. Das geringere Einkommen der frühen Arbeitsjahre muss aber eben auch reichen, um den frühen Ausstieg realisieren zu können.
Mit 50 schon für den Ruhestand planen
Schauen wir mal, was wir mit Mitte 50 erreichen können bis zum Rentenbeginn mit Mitte 60.
Noch können Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen unterstützen, zum Beispiel mit der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Dabei erhältst du als Berufstätige:r Zuschüsse vom Arbeitgeber beziehungswese der Arbeitgeberin und bekommst Entlastungen durch den Staat. Es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten: Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung. Sie unterscheiden sich in Rendite, Risiko und bürokratischem Aufwand. Dein:e Steuerberater:in kann dir bei der Auswahl helfen.
So funktioniert eine betriebliche Altersvorsorge
Grundsätzlich funktioniert eine bAV so, dass du auf einen Teil deines Gehaltes verzichtest und in die bAV einzahlst. Maximal 6.788 Euro sind – Stand 2022 – davon steuerfrei. Bei der Auszahlung sind Betriebsrenten allerdings steuer- und sozialversicherungspflichtig. Aber meist sind die Einkünfte im Rentenalter niedriger als während des Erwerbslebens, so dass auch dein Steuersatz häufig niedriger ist. Ob betrieblich oder privat – es gilt auch zu wissen, was steuerlich auf uns zukommt.
Arbeiternehmer:innen, die 2005 oder früher in Rente gingen, haben 50 Prozent steuerfrei erhalten. Seit 2005 steigt der Besteuerungsanteil jährlich um zwei Prozentpunkte, seit 2021 um einen Prozentpunkt pro Jahr. Das führt dazu, dass alle, die ab 2040 in den Ruhestand gehen, ihre gesetzlichen Renteneinnahmen voll versteuern müssen. Das Finanzamt zieht lediglich eine Pauschale für Werbungskosten von 102 Euro ab. Hast du höhere Ausgaben zum Beispiel Steuerberatungskosten oder anwaltlichen Rat in Rentenfragen, lohnt es sich, die in der Steuererklärung anzugeben.
Mütter: Familienarbeit angerechnet
Immerhin wird gerade für Frauen für ihre Leistungen als Mutter Familienarbeit angerechnet: Ist ein Kind vor 1992 geboren, bekommst du pro Kind zweieinhalb Jahre Kindererziehungszeiten gutgeschrieben. Ist ein Kind nach 1992 geboren, gelten bis zu drei Jahre. Das ist die so genannte Mütterrente. Für die Zeit der Erziehung wirst du nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung so gestellt, als hättest du Beiträge in der Höhe des Durchschnitts aller Versicherten gezahlt. Voraussetzung ist, dass du mindestens fünf Rentenpunkte hast. Umgerechnet bringt ein Jahr Kindererziehungszeit ungefähr 30 Euro Rente im Monat.
Private Vorsorge, wie sie etwa durch Investments an der Börse zusammengekommen ist, muss allerdings ebenfalls versteuert werden. Allerdings musst du „lediglich“ auf die Erträge der Kapitalanlagen (Zinsen, Dividenden) Steuern zahlen.
Auszahlungsmöglichkeiten für später
Nichtsdestotrotz – Steuern hin oder her – private Vorsorge tut Not. Wer Geld zurückgelegt hat, kann es sich später monatlich auszahlen lassen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Beispiel 1: Eine Sofortrente: Eine Versicherungsgesellschaft zahlt dir eine lebenslange Rente abhängig davon, wie viel und wie lange du einen regelmäßigen Betrag eingezahlt hast. Es gibt Garantien und Überschussbeteiligungen. Aber die schwanken. Und eine Untersuchung der Stiftung Warentest im Jahr 2020 hat ergeben, dass keine der 21 getesteten Gesellschaften gute Ergebnisse nach Rentenhöhe, Anlageerfolg und Transparenz erzielt hat.
Beispiel 2: Eine Rente gegen Einmalzahlung gibt Planungssicherheit. Sie lohnt sich aber vor allem, je älter du wirst. Wenn du auf Rendite statt auf Sicherheit setzt, könntest du einen Auszahlplan anstreben. Hier teilst du die Sparsumme durch eine geschätzte Zahl an Jahren bzw. Monaten. Bei einem Auszahlplan wird ein steuerlicher Freibetrag von 810 Euro für Singles und 1.602 Euro für Verheiratete gewährt. Oberhalb dieser Grenzen wird Abgeltungssteuer fällig und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Beispiel 3: Der Mix aus Sicherheit und Rendite. Eine Kombination aus Sofortrente und Auszahlplan. Die mögliche Lösung wäre hier, dass du zunächst das Gesparte monatlich ausbezahlt bekommst und nach einigen Jahren erst mit dem übrigen Betrag in die Sofortrente einsteigst. Denn die Auszahlungen fallen bei den Versicherungen umso höher aus, je später du mit einer Sofortrente beginnst.
Mehr Einkommen – Mehr Investitionskapital
Bist du bereits an der Börse investiert, kannst du womöglich mehr investieren als in jungen Jahren, weil du mehr Einkommen hast. Aber selbst wenn du neu startest, ist noch genug Zeit. Nehmen wir an, du investierst zehn Jahre lang, weil du dann in den Ruhestand gehst oder weil du schon früher aufhören möchtest zu arbeiten. Gehen wir von monatlich 500 Euro aus. Zu realistischen 7 Prozent (das bedeutet nicht zu viel Risiko – schließlich soll das Kapital ja auch verfügbar sein zum notwendigen Zeitpunkt. Da käme ein Crash ungelegen). Die Rechnung sähe wie folgt aus:
Einzahlungen: 65.000 Euro
Zinsen gesamt: 32.096 Euro
Endkapital: 97.096 Euro vor Steuern.
(Quelle: Finanzfluss)
4‑Prozent-Regel: Wie lange reicht mein Geld?
Mit der 4‑Prozent-Regel lässt sich berechnen, wie viel Geld du aus deinen Wertpapier-Investments entnehmen kannst, ohne dass es dir ausgeht. Die Regel hat Vorteile, aber auch ein paar Haken. Aber mit Hilfe dieser Regel kannst du jedes Jahr vier Prozent deines angesparten Kapitals aus deinem Wertpapier-Depot entnehmen, ohne dass dir das Geld ausgeht. Denn das Depot steigt im Wert. Außerdem erhältst du Dividenden bzw. Zinsen.
Voraussetzung ist allerdings ein Aktienanteil von mindestens 50 Prozent hat. Das bedeutet auch ein gewisses Risiko. Fakt ist aber auch, dass langfristig Aktien alle 15 Jahre immer positive Renditen erwirtschaftet haben – egal wie ruppig es zwischendrin an den Börsen zuging. Und unabhängig vom Einstiegszeitpunkt. Die wichtigsten Infos zur 4‑Prozent-Regel findest du hier.
Nicht zu früh freuen…
Vorsicht, auch wenn du eine wesentlich höhere Aktienquote hast und mehr Wertsteigerungen. Denn du musst die Inflation berücksichtigen. Also sind vier Prozent schon eine gute Richtlinie, wenn du nochmal 2–3 Prozent Inflation abziehst. Der nächste Haken ist die Besteuerung: In Deutschland werden für Börsen-Investments Abgeltungssteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag plus gegebenenfalls Kirchensteuer fällig.
Zu früh funktioniert diese Regel nicht, sondern sie ist laut Studien auf 30 Jahre ausgelegt. Wenn du sehr früh „in Rente“ möchtest, brauchst du eine höhere Absicherung als die 4‑Prozent-Regel, denn voraussichtlich und hoffentlich lebst du deutlich länger als bis 70…
Schenkungen – Verschiedene Obergrenzen je nach Verwandtschaftsgrad
Willst du Vermögen verschenken, gibt es eine Obergrenze für steuerfreie Geschenke: Eltern dürfen ihrem Kind innerhalb von 10 Jahren bis zu 400.000 Euro schenken, ohne dass das Kind diese Beträge als Einkünfte versteuern muss. Großeltern dürfen bis zu 200.000 Euro im gleichen Zeitraum schenken – bei Onkel und Tanten ist die Grenze bei 20.000 Euro.
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