Imaru Casanova hat Maschinenbau studiert, als Erdölingenieurin in Venezuela gearbeitet und ist heute stellvertretende Portfoliomanagerin für die Gold- und Edelmetallstrategie bei der Fondsgesellschaft VanEck in New York.
Bei ihren beruflichen Stationen war sie immer eine von wenigen, wenn nicht sogar die einzige Frau. Courage hat im ersten Teil des Interviews mit Imaru Casanova über die Arbeit in männerdominierten Bereichen und weibliche Vorbilder gesprochen.
Von Julia Pfanner
Frau Casanova, Sie haben in den USA Maschinenbau studiert, in Venezuela als Erdölingenieurin für Shell gearbeitet, und sind später in die Investmentbranche gewechselt, wo Sie erst den Fokus auf der Öl- und Gasbranche hatten, seit geraumer Zeit nun auf Gold und Edelmetallen. Frauen waren bei Ihren Jobs vermutlich öfter in der Unterzahl, oder?
Imaru Casanova: Ja, ich denke schon gar nicht mehr darüber nach. Seit ich aufs College kam, bin ich in einem männerdominierten Umfeld. Das fing schon im Studium an, da waren teilweise mehr als 100 Studenten im Hörsaal. Ich war eine von vielleicht zehn Frauen. Und ich kann mich auch nicht erinnern, eine Professorin für einen meiner Kurse in Maschinenbau gehabt zu haben.
Während meiner Zeit bei Shell habe ich ein Jahr lang auf einer Bohrinsel als Bohrleiterin gearbeitet, da waren teilweise 100 Leute an Bord, ich war sogar die einzige Frau. Allerdings war ich auch die Frau, die allen gesagt hat, was sie tun sollen. Das war schön (lacht).
Meine Erfahrung war sehr gut in dem Sinne, dass ich immer respektiert wurde. Ich habe mich immer wohlgefühlt. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass es mehr Frauen gibt, die auch solche Dinge tun wie ich.
Wie war es, als Sie in die Finanzbranche kamen?
Ich habe als Aktienanalystin angefangen − ein weiteres Umfeld, das stark von Männern dominiert wird. Ich kam also von einem männerdominierten Umfeld ins nächste. Aber es ist sehr erfreulich zu sehen, dass wir in der Branche langsam Fortschritte machen.
Zum Beispiel, als ich 2011 zu VanEck, meinem jetzigen Arbeitgeber, kam, war ich die erste Frau im Investmentteam. Mittlerweile sind wir im aktiven Investmentteam fünf Frauen von 25 Experten.
Gab es bestimmte Situationen, in denen Sie sich in Ihrer Karriere mehr Frauen um sich herum gewünscht haben?
Ich glaube, als junge Frauen suchen wir immer nach Vorbildern. Ich selbst habe mich im Lauf der Zeit irgendwie daran gewöhnt, keine weiblichen Vorbilder zu haben. Erst heute denke ich, dass das hilfreich gewesen wäre.
Jetzt wo ich erfahrener und auch selbstbewusster bin in dem, was ich beruflich mache, ist mir sehr bewusst geworden, dass Frauen nicht nur in dem technischen Bereich, in dem ich war, sondern auch in der Finanz- und Investmentmanagementbranche nicht sehr präsent sind.
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich das ändert, und Frauen in diesen Bereichen immer mehr Möglichkeiten haben. Und mittlerweile hoffe ich, dass ich nun ein Vorbild für die nächste Generation von Frauen bin.
Wieso sind weibliche Vorbilder wichtig?
Ich denke, es ist viel schwieriger zu glauben, dass man etwas erreichen kann, wenn es niemand anderes tut, der so aussieht wie man selbst oder von dort kommt, wo man selbst herkommt.
Ich glaube, für jüngere Mädchen ist es entscheidend zu sehen, dass Frauen diese Rolle einnehmen und sie Ingenieurinnen und Portfoliomanagerinnen sein können.
Je mehr Frauen in den traditionell von Männern dominierten Bereichen arbeiten und hohe Positionen innehaben, desto besser können wir diese Botschaft vermitteln.
Wie sieht es denn bei den Goldminenfirmen aus, in die Sie investieren, sind hier viele Frauen im Vorstand?
Nein, nicht viele. Ich denke, das ist nicht nur in dieser Branche so, sondern auch bei den meisten anderen Unternehmen. Aber ich freue mich, dass sich das langsam bessert.
Ich bin wirklich immer sehr gespannt, wenn ich Nachrichten darüber erhalte, dass jemand neues in den Vorstand einer Firma berufen wird, in die wir investieren. Denn ich weiß, dass das neue Vorstandsmitglied mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Frau ist.
Das passiert immer öfter und ist eine sehr gute Entwicklung. Auch wenn wir noch weit von 50 Prozent Frauen in den Vorständen entfernt sind, gibt es immer mehr, in denen mindestens eine Frau sitzt und viele, wo schon mehrere Frauen im Vorstand sind.
Auch wenn ich, wie alle Frauen, wünschte, es würde schneller gehen: Der Trend sieht vielversprechend aus!
Was hilft dabei?
In den vergangenen Jahren ist immer deutlicher in den Vordergrund gerückt, dass Frauen unterrepräsentiert sind, und dass sie das nicht wollen.
Vielfalt im Vorstand wurde offiziell ein Thema und ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass je vielfältiger ein Vorstand allgemein ist, desto besser. In Bezug auf Frauen, aber auch auf Nationalitäten, ethnische Herkunft, alle Arten anderer Orientierungen und so weiter.
In Bezug auf Frauen im Speziellen: Es kommen immer mehr Frauen in die Vorstände, weil es einerseits das Richtige ist, aber vor allem, weil die Unternehmen auf eine Art gezwungen werden, auch von Investoren, die das fordern. Ich denke, wir spielen als solche da eine wichtige Rolle.
Warum sind Sie denn damals von der Öl- in die Investmentbranche gewechselt?
Als ich nach meinem Studium in den USA zurück in meine Heimatstadt Maracaibo nach Venezuela gezogen bin, habe ich mich gefragt: Welcher Bereich bietet die meisten Möglichkeiten und besten Karrierechancen? Die Antwort war klar: die Ölindustrie. Das war und ist die größte Branche in Venezuela.
Nach ein paar Jahren entschied ich mich aufgrund der sich verschlechternden politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes, in die USA zurückzukehren, und zog nach New York.
Und dann?
Ich stellte mir wieder die Frage: Wo gibt es dort die vielversprechendsten Karrierechancen? Die Antwort war: in der Finanzbranche.
Ich entschied, dass meine technische Expertise mir eine Tür ins Aktienresearch öffnen könnte. Ich habe mir Rechnungswesen selbst beigebracht, Finanzkurse besucht und las so viele Bücher wie es mir möglich war, um das relevante Material zu lernen.
Dann begann ich, Firmen anzurufen. Ich erklärte ihnen, warum sie mir die Möglichkeit geben sollten, für sie zu arbeiten. Ein Boutique-Unternehmen, das in Manhattan im Investmentresearch tätig war, erkannte den Wert meines Angebots und beauftragte mich, als Analystin für Aktienforschung für den Öl- und Gassektor zu arbeiten.
Wie kamen Sie dann in den Goldbereich?
Ein paar Monate später bekam ich die Möglichkeit, als Associate Analystin zu BMO Capital Markets zu wechseln, das führende Aktienresearchhaus für den Goldminensektor. Ich dachte, es wäre ein natürlicher Übergang, denn Gold ist auch eine Rohstoffindustrie, da gibt es viele Ähnlichkeiten.
Einige Jahre arbeitete ich dann rund um die Uhr, eignete mir die Kenntnisse im Aktienresearch an und sammelte die relevante Erfahrung. Etwas später übernahm ich die Rolle der Lead-Analystin in einer anderen Bank.
2011 kam ich schließlich ins Investmentteam von VanEck und bin jetzt Portfoliomanagerin für Gold- und Edelmetallstrategien sowie Mitglied des Investmentmanagementteams und Senior Analystin für Aktienstrategien der Bereiche Gold und andere Rohstoffe.
Nicht ganz ohne, so ein Karrierewechsel, oder?
Es war eines der Dinge, bei denen man ein Risiko eingehen und an sich selbst glauben muss. Ich fragte mich: Was passiert, wenn ich es nicht mag oder wenn ich nicht gut darin bin? Aber ich dachte mir auch, ich habe nichts zu verlieren.
Denn wenn Finanzen und Aktienresearch nicht das Richtige gewesen wären, hätte ich wieder als Ingenieurin arbeiten können. Ich hatte parallel nach Jobs im Ingenieurwesen gesucht und das große Glück, auch ein Angebot von IBM in einer technischen Rolle erhalten zu haben.
War der Wechsel eine gute Entscheidung?
Wirklich froh bin ich, dass ich damals die Gelegenheit genutzt habe, mich beruflich zu verändern. Denn es hat sich herausgestellt: Ich liebe, was ich tue, und ich bin ziemlich gut darin. Die Tatsache, dass es um den Goldminensektor ging, hat dazu beigetragen, dass der Übergang vom Maschinenbau zum Finanzsektor sehr erfolgreich war.
Ich kann die Fähigkeiten des Ingenieurwesens immer noch einsetzen, wenn wir zum Beispiel technische Faktoren unserer Investments bewerten, oder wenn ich die Firmen besuche. Daher bin ich immer noch sehr eng mit meiner technischen Seite verbunden, die ich sehr vermisst hätte, wenn ich beruflich einen anderen Sektor gewählt hätte.
Biografie Imaru Casavona
Imaru Casanova ist in Venezuela geboren und aufgewachsen. Nachdem sie mit 16 Jahren die High School abgeschlossen hatte, erhielt sie das Galileo National Stipendium, das von der venezolanischen Regierung für die Ausbildung im Ausland vergeben wurde. Später studierte sie in den USA Maschinenbau an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio.
Sie arbeitete bei Avery Dennison als Projektingenieurin in ihren Produktionsstätten, bevor sie in ihre Heimatstadt Maracaibo zurückkehrte. Hier wurde aus der Maschinenbauerin eine Erdölingenieurin, sie arbeitete als Produktionstechnologin für Shell. Dabei war sie dafür zuständig, künstliche Hebesysteme für Bohrlöcher im Maracaibo-See zu entwickeln.
Ein Jahr verbrachte sie als Bohrleiterin auf einer Bohrinsel auf dem Meer. „Eine fantastische Erfahrung und ein sehr wichtiger Teil meiner Karriere. Ich war bis zu zwei Wochen am Stück auf der Plattform, und habe quasi rund um die Uhr gearbeitet.“
2003 ging sie zurück in die USA. Sie startete ihre Karriere in der Investmentbranche als Analystin für den Öl- und Gassektor, später für den Goldminensektor. Seit 2011 ist sie im Investmentteam der Fondsgesellschaft VanEck und arbeitet jetzt als Portfoliomangerin für Gold und Edelmetalle.
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