Anleihen, oft mit dem englischen Begriff „Bond“ bezeichnet, sind die größte Wertpapiergattung. Richtig eingesetzt, sorgen sie für Stabilität im Depot. Der aktuelle Nullzins bringt aber Probleme.
Von Julia Groth
So manche Anlegerin wünscht sich beim Investieren jemanden, der vor falschen Entscheidungen warnt oder das Ruder herumreißt, wenn mal etwas schiefgeht. So jemanden wie James Bond am besten.
Die „Bonds“, die man an den Finanzmärkten antrifft, können diese Erwartung indes nicht erfüllen. Es handelt sich bei ihnen um Anleihen, angelsächsisch Bonds. Anleihen sind der Basisbaustein der meisten Depots: festverzinslich und jederzeit an der Börse handelbar.
Die Grundidee: Anleger leihen Staaten oder Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum Geld. Dieser Kreditvertrag wird in einer Schuldverschreibung niedergelegt.
Als Ausgleich für den Konsumverzicht in der Gegenwart und das Risiko, dass der Schuldner der Anleihe – ein Staat, eine Körperschaft, eine Bank oder ein Unternehmen – zum Laufzeitende das Geld nicht zurückzahlen kann, erhalten die Erwerber der Anleihe regelmäßig einen zumeist fixen Zins, auch Kupon genannt. Dabei gilt: Je länger die Laufzeit und je wackliger der Schuldner, desto höhere Zinsen muss er bieten, damit ihm Investoren überhaupt Geld leihen.
„Im Anleiheuniversum gibt es mehrere Segmente mit höher verzinsten Anleihen“, erklärt Claudia Calich. Die Fondsmanagerin verwaltet beim britischen Fondshaus M & G fast sechs Milliarden Euro, verteilt auf fünf Fonds, vor allem Anleihen.
Calich erklärt, dass Titel von Schuldnern, die besonders kreditwürdig sind, niedrige, aber sichere Erträge versprechen. Schuldtitel von weniger kreditwürdigen Staaten oder Unternehmen sind dank ihrer hohen Zinsen als Renditebringer interessant, bergen aber auch ein höheres Ausfallrisiko.
Anleihen in Wertpapierportfolios
Ein klug zusammengesetztes Wertpapierportfolio sollte mehrere Renditequellen und unterschiedliche Wertpapiergattungen enthalten, erklärt Calich. „Das schließt Anleihen mit ein“, sagt sie.
Ob eher sichere, ertragsschwache oder eher riskante, höher verzinste Anleihen ins Depot gehören, hänge von den Lebensumständen, dem Risikoprofil und dem Anlagehorizont des Investors ab. „Für die richtige Portfoliozusammensetzung ist professioneller Rat von größter Bedeutung“, sagt die Fondsmanagerin.
Tatsächlich können Anlagetipps vom Profi gerade bei Investments in Anleihen nicht schaden. Die Papiere sind nämlich nur auf den ersten Blick simpel. Wer sie kauft, merkt rasch: Bei Anleihen gibt es einige seltsame, kontraintuitive Dynamiken.
Die wichtigste: Wenn der Zins am Kapitalmarkt fällt, steigt in der Regel der Kurs von Anleihen, die bereits auf dem Markt sind, und ihre Renditen (Zinskupon geteilt durch den Kurs) sinken.
Das gilt auch umgekehrt. Steigt der Kapitalmarktzins, fallen die Anleihekurse, und die Renditen der gehandelten Papiere klettern in die Höhe.
Der Zins am Kapitalmarkt, an dem für längere Fristen Geld ge- und verliehen wird, hängt einerseits von Angebot und Nachfrage ab, was wiederum vom Insolvenzrisiko der Schuldner bestimmt wird. Andererseits beeinflussen die Aktivitäten der Notenbanken den Zins.
Wenn zum Beispiel – wie seit mehreren Jahren geschehen – die Europäische Zentralbank (EZB) zur Stabilisierung des Euroraums den Leitzins (das ist der Zins, zu dem sich Sparkassen und andere Kreditinstitute Geld bei der EZB leihen können) unter null festgelegt hat und gleichzeitig im Umfang von bis zu 70 Milliarden Euro im Monat Anleihen von Staaten und Unternehmen aufkauft, wird das Niveau des Kapitalmarktzinses künstlich niedrig gehalten.
Wer neu anlegt, hat deshalb mit Anleihen derzeit ein Problem. Von guten Schuldnern bekommt man praktisch keinen Zins mehr. Wer schon länger Anleihen besitzt, kann sich dagegen freuen. Entweder gibt es Jahr für Jahr noch eine ordentliche Kuponzahlung, oder die Anleihe lässt sich mit einem schönen Gewinn verkaufen.
Ein Beispiel: Eine vor vielen Jahren ausgegebene Anleihe der Bundesrepublik Deutschland hat einen Kupon von fünf Prozent und wird in einem Jahr zurückgezahlt. Bei Anleihen, die derzeit neu aufgelegt werden, liegt die Verzinsung unter null Prozent.
Wer also einen solchen Fünfprozenter mit einem Jahr Restlaufzeit und, sagen wir, im Wert von 1000 Euro in seinem Depot hat, bekommt bei einem Verkauf heute mindestens 1050 Euro. Die Renditen eines Schuldners sind, bis auf die Laufzeitunterschiede, an der Börse immer gleich.
Anleihen mit langer Restlaufzeit reagieren besonders heftig auf Zinsänderungen. Die Kurse sogenannter Kurzläufer fallen bei steigenden Zinsen weniger stark. Weil das Zinsniveau einen so großen Einfluss auf Kupons und Anleihekurse hat, verfolgen Investoren die Geldpolitik der großen Notenbanken sehr genau.
Seit der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 liegen die Leitzinsen in der Eurozone und in den USA auf einem historisch niedrigen Niveau. Dadurch wollten die Zentralbanken die Kreditvergabe und den Konsum ankurbeln.
Das klappte zwar nicht so gut wie erhofft, andererseits hätten steigende Zinsen der Konjunktur einen Dämpfer verpasst. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wagte es zeitweilig, den Leitzins leicht anzuheben, weil die amerikanische Wirtschaft brummte. Die EZB zeigte sich dagegen zurückhaltender. Dann kam Corona.
Auch Aktien beeinflussen Anleihen
Die Covid-19-Pandemie dürfte zur Folge haben, dass die Leitzinsen zumindest in der Eurozone bis auf Weiteres niedrig bleiben. Die EZB wird weiterhin Anleihen von Staaten aus dem Euroraum kaufen, um deren Wirtschaft zu stützen.
Würde die Notenbank die Zinsen anheben, könnten wirtschaftlich stark angeschlagene Länder wie Italien oder auch Spanien ihre Zinszahlungen wohl nicht mehr stemmen und würden unter ihrer Schuldenlast kollabieren. Die Stabilität des Euro wäre in Gefahr.
Für Anleiheinvestorinnen bedeutet die Coronabedingte Zinsmisere: Neu ausgegebene Schuldtitel werden wohl auf unabsehbare Zeit nur mickrige Zinsen bringen, zumindest wenn sie von Staaten oder Unternehmen mit hoher Kreditwürdigkeit emittiert werden.
Mit dem Zinseinkommen sollte man deshalb besser nicht rechnen. Allerdings könnten die Anleihekurse steigen. Denn nicht nur das Zinsniveau beeinflusst die Anleihekurse, sondern auch die Entwicklung am Aktienmarkt.
Anleihen von Emittenten mit Topbonität, zum Beispiel Deutschland, gelten als sicherer Hafen in turbulenten Börsenphasen. Wenn es an den Aktienmärkten drunter und drüber geht und die Aktienkurse absacken, schichten deshalb viele Investoren ihr Geld in Anleihen um und die Anleihekurse ziehen wegen der höheren Nachfrage an. Das heißt, das Renditeniveau sinkt.
In solchen Zeiten interessiert es Anlegerinnen kaum, dass sichere Anleihen keine oder nur äußerst niedrige Kupons bieten. Die hohe Nachfrage führt dann zeitweise dazu, dass sie de facto Geld dafür bezahlten, dem deutschen Staat Geld leihen zu dürfen.
Trotz der Zinsmisere bleiben bonitätsstarke Staatsanleihen ein wichtiger Portfoliobaustein. „Sie dienen in erster Linie als Sicherheitspuffer“, erklärt Mechthild Upgang.
Die auf Frauen spezialisierte Finanzberaterin rät dazu, sichere Staatsanleihen nicht nur der Zinsen wegen im Depot zu haben, sondern sie auch als Liquiditätsreservoir zu nutzen: Fallen die Aktienkurse, können Investorinnen einen Teil ihrer – dann stärker nachgefragten – Anleihen verkaufen und den Verkaufserlös dazu nutzen, günstiger gewordene Aktien zu kaufen.
Upgang empfiehlt für ein schlichtes Portfolio vor allem Staatsanleihen auf Eurobasis. „Dadurch vermeiden Anlegerinnen Währungsrisiken und Zahlungsausfälle von Unternehmen in Krisenzeiten“, sagt sie.
Viele Zinspapiere werden nicht in Euro, sondern in Dollar oder anderen Währungen ausgegeben, was die Chance auf Währungsgewinne, aber auch das Risiko von Währungsverlusten mit sich bringt.
Um sichere Staats- und Unternehmensanleihen herum können Investorinnen risikoreichere Anleihen als Renditebringer gruppieren.
Die bekannteste Variante sind sogenannte Hochzinsanleihen. Das sind Schuldtitel von Unternehmen mit mittelmäßiger Kreditwürdigkeit. Sie werden auch als Schrott- oder Ramschanleihen bezeichnet. Schlimmstenfalls können Anlegerinnen damit ihren gesamten Einsatz verlieren, warnt Upgang.
Auch Schuldtitel aus aufstrebenden Volkswirtschaften, den sogenannten Schwellenländern, bieten oft hohe Kupons. Fondsmanagerin Calich, die auf Schwellenländer-Zinspapiere spezialisiert ist, ist überzeugt: Für das höhere Verlustrisiko werden Anlegerinnen adäquat entschädigt. Sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern seien ein spannendes Investment.
Nachhaltigkeit auch bei Anleihen
Wer sich nicht nur deutsche Staatsanleihen ins Depot legen, sondern ein breit gestreutes Anleiheportfolio aufbauen will, sollte in ein oder zwei Anleihefonds investieren, zum Beispiel in einen Staats- und einen Unternehmensanleihefonds. Eine breite Streuung lässt sich damit einfacher und billiger erreichen, als wenn man selbst mehrere Dutzend Einzelanleihen in kleiner Stückelung kauft.
Eine Alternative sind auch börsengehandelte Indexfonds (Exchange-Traded Funds, ETFs). Sie sind günstiger als aktiv verwaltete Fonds, weil kein spezialisiertes Personal bezahlt werden muss, sondern nur ein Index nachgebildet wird.
Der Nachteil: Die größte Schuldnerin hat in klassischen Anleiheindizes das größte Gewicht. Gerät sie in Schwierigkeiten und gehen die Kurse ihrer Anleihen zurück, wird das zum Problem, weil im ETF keine Anpassungen vorgenommen werden können.
Wollen Anlegerinnen in nachhaltige Anleihen investieren, haben sie bislang relativ wenig Auswahl. Die Bundesrepublik feierte mit einer solchen Emission gerade Premiere. „Es lohnt sich aber ein Blick auf sogenannte Green-Bond-ETFs“, sagt Upgang.
Das Geld, das die Emittenten damit einsammeln, muss für umweltfreundliche Projekte verwendet werden. Bislang sind Green Bonds nur ein Nischeninvestment. Weil die Nachfrage steigt, dürfte ihnen in den nächsten Jahren aber eine immer größere Bedeutung zukommen.
Staatsanleihen
Staatsanleihen werden von Regierungen ausgegeben. Wie sicher sie sind, hängt davon ab, wie gut die Regierungen wirtschaften. Gelten Staaten als vertrauenswürdige Schuldner, bekommen sie von den großen Ratingagenturen Topbonitätsnoten. Ihre Anleihen bringen derzeit praktisch keine Zinsen, punkten aber mit Sicherheit.
ETF-Tipp: iShares Euro Aggregate Bond UCITS ETF
ISIN: IE 00B 3DK XQ4 1
Unternehmensanleihen
Viele Unternehmen, vor allem große, finanzieren sich am Kapitalmarkt, indem sie Anleihen ausgeben. Diese bieten in der Regel höhere Kupons als Staatsanleihen, weil Firmen als etwas unsicherere Schuldner gelten als Staaten.
Anleihen von Unternehmen mit einem Rating im oberen Drittel der Skala tragen das Prädikat „Investment Grade“. Das bedeutet, dass sie ein vergleichsweise geringes Risiko bergen, Zins und Tilgung nicht bedienen zu können. Je höher das Ausfallrisiko, desto höher der Zins. Im Fachjargon heißt dieser Risikoaufschlag „Credit Spread“.
Fonds-Tipp: Nordea 1 – European Covered Bond Fund
ISIN: LU 007 631 545 5
Hochzinsanleihen
Hochzinsanleihen, manchmal auch als Schrott- oder Ramschanleihen, auf Englisch als High-Yield- oder Junk-Bonds bezeichnet, können sowohl von hoch verschuldeten Staaten als auch von Unternehmen stammen.
Die Investoren lassen sich die schlechte Bewertung der Ratingagenturen mit einem Renditeaufschlag bezahlen. Fachleute sprechen von „Non-Investment Grade“. Für die hohen Kupons, die Hochzinsanleihen bieten, nehmen Anleger in Kauf, ihr Kapital zu verlieren. In breit gestreute Fonds zu investieren, reduziert das Risiko jedoch erheblich.
Fonds-Tipp: Candriam Bonds Euro High Yield
ISIN: LU 001 211 960 7
Schwellenländer-Anleihen
Schuldtitel, die von Entwicklungsländern oder von Unternehmen, die dort ihren Sitz haben, ausgegeben werden, heißen Schwellenländer-Anleihen oder Emerging-Markets-Bonds.
Je nach Rating des Emittenten können die Papiere zu den Hochzinsanleihen oder den Investment-Grade-Anleihen gehören. Schwellenländer-Anleihen werden entweder in den sogenannten Hartwährungen Euro oder US-Dollar ausgegeben oder in der lokalen Landeswährung, was Währungsrisiken birgt. Dieses muss man bei einem Kauf zusätzlich ins Kalkül einbeziehen.
Fonds-Tipp: M & G Emerging Markets Bond Fund
ISIN: LU 167 063 101 6
Green Bonds
Grüne Anleihen sind eine noch junge Anleihegattung und besetzen am Markt für Zinspapiere eine kleine, aber wachsende Nische. Sie werden meist von Staaten oder supranationalen Organisationen emittiert. Diese sind verpflichtet, mit dem Geld nachhaltige Projekte umzusetzen.
Bei Anlegern erfreuen sich Green Bonds wachsender Beliebtheit. Branchenbeobachter bemängeln, dass es bisher keine Standards gibt, um die Nachhaltigkeit von Green Bonds zu bewerten, und wittern in Einzelfällen reines Marketing.
Fonds-Tipp: AXA World Funds Global Green Bonds
ISIN: LU 128 019 588 1
Wandelanleihen
Wandelanleihen oder Convertible Bonds sind ein Zwitter aus Aktien und Anleihen. Als Faustregel gilt: Ihre Kurse machen zwei Drittel der Aufwärtsbewegungen an den Aktienmärkten mit, aber nur ein Drittel der Abwärtsbewegungen.
Wie Anleihen haben sie einen Kupon und eine feste Laufzeit. Anlegerinnen können sie während der Laufzeit aber in Aktien desjenigen Unternehmens umwandeln, das sie ausgegeben hat. Die Bedingungen dafür werden vorher festgelegt.
Es lohnt sich, die sogenannte Wandlungsoption zu ziehen, wenn der Aktienkurs zum Zeitpunkt der Umwandlung über dem sogenannten Wandlungspreis liegt. Dann gibt es zusätzlich zur Rendite aus dem Kupon noch ein Plus aus der Kursdifferenz der Aktie.
Fonds-Tipp: UBS Bond – Convertibles Global
ISIN: LU 035 842 373 8
Nachranganleihen
Nachranganleihen ähneln im Prinzip normalen Unternehmensanleihen. Sie werden vor allem von Banken ausgegeben und bieten deutlich höhere Kupons als vergleichbare Anleihen desselben Emittenten.
Diese höheren Kupons gehen jedoch mit einem höheren Risiko einher: Denn im Fall einer Insolvenz des Emittenten werden die Ansprüche der Investoren von Nachranganleihen im Vergleich zu jenen der normalen Anleihen eben nachrangig bedient.
Dennoch erfreuten sich Nachranganleihen angesichts ihrer höheren Renditen zuletzt größerer Beliebtheit. Für Privatanleger sind sie aufgrund der hohen Stückelung allerdings nur in Ausnahmefällen geeignet. Über Fonds oder ETFs lässt sich das Risiko aber streuen.
Fonds-Tipp: Aramea Rendite Plus Nachrangbonds
ISIN: DE 000 A0N EKQ 8
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