Sie wurde als Viva-Moderatorin bekannt, jetzt widmet sich Collien Ulmen-Fernandes Familien- und Erziehungsfragen. In ihrer neuesten ZDF-Doku „Familien allein zu Haus“ begleitete die 38-Jährige drei Familien in der Corona-Krise. Wie sie selbst den Lockdown mit Ehemann Christian Ulmen und ihrer Tochter erlebt, warum die Achtjährige jetzt öfter „Jungs-Spielzeug“ geschenkt bekommt und die Familie Stammgast in der Notaufnahme ist, verriet Collien Ulmen-Fernandes im Interview mit Courage.
Von Sandra Berthaler
Collien Ulmen-Fernandes
Moderatorin, Sängerin, Tänzerin, Schauspielerin – und jetzt auch Gesellschaftskritikerin. Collien Ulmen-Fernandes ist eine Frau mit vielen Talenten. Als Teenager dank ihrer Modeljobs finanziell unabhängig, zog Collien bereits mit 15 Jahren in eine eigene Wohnung nach Hamburg. Seit 2012 ist sie selbst Mutter einer Tochter und erfährt die Sorgen und Konflikte vieler Eltern aus erster Hand.
In ihren ZDF-Dokus „No More Boys and Girls“ und „Generation Helikopter-Eltern?“ setzt sie sich kritisch mit Erziehungsfragen auseinander – und lässt Kinder und Experten zu Wort kommen. In ihrer neuesten Sendung „Familien allein zu Haus“ begleitet sie drei Familien während des Corona-Lockdowns. (alle Dokus in der ZDF-Mediathek)
„Eines ist klar, die Corona-Pandemie hat uns keinen bezahlten Urlaub geschenkt. Sie ist keine wohlige, entschleunigte Nestzeit“, sagt Collien. „Diese Zeit hält eine Lupe über unser privates Miteinander und unsere Gesellschaft. Sie zeigt die Probleme und Schwachstellen deutlicher denn je.“ Welche das sind und wie man ihnen entgegenwirkt, verriet Ulmen-Fernandes im Interview.
Was sind die größten Herausforderungen für Familien in Zeiten von Corona?
Collies Ulmen-Fernandes: Genau der Frage gehe ich in meiner neuen Sendung auf den Grund. Wir wollen wissen, wie sich der Lockdown auf das Miteinander in den eigenen vier Wänden auswirkt. Wo entstehen Krisen, und welche Lösungen gibt es? Dazu spreche ich mit Pädagogen, Hirnforschern und Psychologen.

Collien Ulmen-Fernandes beim Dreh zur neuen ZDF-Sendung „Familien Allein Zu Haus” Foto: Oliver Fuchs/ZDF
Außerdem spreche ich mit einem Zukunftsforscher darüber, welche Erkenntnisse wir aus dieser Zeit mitnehmen können. Drei Familien reflektieren für uns ihren Alltag und halten ihn via Videotagebuch fest, darunter eine deutsche Familie, die in Rom mit noch stärkeren Ausgangseinschränkungen zu leben hat, und das mit sehr kleinen Kindern.
Wie erleben Sie und Ihre Familie die Corona-Krise zu Hause?
Natürlich mache ich mir Sorgen um meine Eltern und die Schwiegereltern. Ich hoffe, dass sie gesund bleiben. Aber ich habe keinen Grund zum Meckern, denn ich bin in der glücklichen Lage, mir finanziell gesehen keine Sorgen machen zu müssen. Ich habe die ZDF-Sendung „Familien allein zu Haus“ gedreht, schreibe an Teil zwei meines Kinderbuches „Lotti & Otto“ und arbeite als Kolumnistin für die Süddeutsche Zeitung. Dazwischen versuche ich, meine Tochter zum Bruchrechnen und Gemüse essen zu motivieren. Dabei bekomme ich öfter zu hören: „Mama, du erklärst das aber nicht so gut wie meine Lehrerin!“ Aber im Vergleich zu den existenziellen Nöten vieler anderer Menschen in dieser Krise kann ich mich wirklich nicht beschweren. Dafür bin ich sehr dankbar.
Sie sagen, dass die Corona-Krise unser privates Miteinander und unsere Gesellschaft unter die Lupe nimmt. Dabei treten auch Schwachstellen zutage. Welche waren am auffälligsten?
Am auffälligsten war, dass die Pandemie vor allem Frauen in einigen Bereichen sehr hart trifft. Ein Großteil der als systemrelevant bezeichneten Berufe werden von Frauen ausgeübt: 80 Prozent der Pflegekräfte sind weiblich, 70 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel, 85 Prozent in der Altenpflege.
Tendenziell wird auch die Doppelbelastung durch Homeschooling und Homeoffice vor allem von Frauen gestemmt. Wir thematisieren in dem Film in einem eigenen Themenblock, wie es in Deutschland derzeit um die Aufgabenverteilung und die Geschlechterrollen bestellt ist.
Dieser Problematik gehen Sie auch in Ihrer Doku „No more Boys and Girls“ auf den Grund. Wachsen unsere Kinder denn wirklich noch mit typischen geschlechtsspezifischen Rollenbildern auf?
Leider ja. In der Doku haben wir Kindern einen Fragebogen hingelegt und 100 Prozent haben angekreuzt, dass die Kindererziehung Frauensache ist und Geldverdienen Männersache. Auch ich selbst werde immer wieder mit Rollenklischees konfrontiert, aber eben auch meine Tochter, die mit extremen Geschlechterstereotypen aus dem Kindergarten kam.
In den vergangenen 15 Jahren hat das Gender-Marketing sehr stark zugenommen, die Geschäfte sind dazu übergegangen, die Spielwaren in Jungen- und Mädchenabteilungen aufzuteilen. Das macht etwas mit den Kindern.
In den Katalogen stehen ausschließlich Mädchen in der Spielküche, während Jungs in einem beruflichen Kontext gezeigt werden, als Polizist oder Feuerwehrmann. Dadurch erleben wir gerade eine Rolle rückwärts in die 50er. Dem Thema wollten wir in „No more Boys and Girls“ auf den Grund gehen.
Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Tochter nicht mit diesen Rollenbildern aufwächst?
Es geht vor allem darum, dass man nicht definiert, wie Jungs und Mädchen zu sein haben. Das passiert oft unbewusst, ohne dass wir das überhaupt wollen. Deshalb achten mein Mann und ich beispielsweise jetzt sehr bewusst darauf, was wir unserer Tochter schenken. Als wir ihr zum Geburtstag einen Roboter geschenkt haben, bekamen wir von vielen Leuten zu hören: „Gefällt ihr so was überhaupt? Das ist doch Jungs-Spielzeug.“
Und genau das ist das Problem: Frauen sind nicht ungeschickter, was Technik angeht. Aber sie bekommen schon als Mädchen weniger technische Spielsachen geschenkt. Woher soll also das Verständnis dafür kommen?
Leben Sie Ihrer Tochter Gleichberechtigung auch im Haushalt vor?
Wir hatten, was den Haushalt angeht, eher eine klassische Aufteilung. Aber sie hat schon ein paar Mal gesagt: „Papa, ich verlange von dir, dass du auch mal die Wäsche aufhängst!“ Ich finde es großartig, dass sie dafür ein Bewusstsein entwickelt.
Wie hat Sie das Muttersein verändert?
Das verändert natürlich alles. Man macht sich Sorgen, die man vorher nicht hatte. Als meine Tochter ein Baby war, mit diesem winzigen, dünnen Baby-Skelett, hatte ich ständig Angst, dass irgendwas durchbricht. Ich trug sie zum Wiegen, wie angereichertes Uran. Ich hatte total Angst, dass dieses kleine, zarte Wesen bricht oder knickt, dieses kleine Skelett einen Knacks bekommt.
Insofern kann ich das Verhalten der Helikopter-Eltern total gut nachvollziehen. Mein Mann hat damals unser gesamtes Haus mit Schaumstoff ausgepolstert. Inzwischen weiß ich aber durch unsere Dokumentation, dass es für die motorische Entwicklung des Kindes eigentlich sogar ganz gut ist, sich ab und zu auch mal zu stoßen.
Diesen elterlichen Ängsten gehen Sie in Ihrer ZDF-Doku „Helikopter-Eltern“ auf den Grund. Aber ist es nicht auch normal, seine Kinder beschützen zu wollen?
Absolut. Daher ist diese Doku ja so wichtig. Die Eltern meinen es nur gut und übertreiben es damit völlig. Sie sorgen mit ihrer Überbehütung dafür, dass die Kinder eher zur Unselbstständigkeit erzogen werden und das aus einem eigentlich gut gemeinten Beweggrund, nämlich die Kinder vor allen Unwägbarkeiten des Lebens bewahren zu wollen. Wir wollten genau dafür ein Bewusstsein bei den Eltern schaffen, ihnen mit der Doku den Spiegel vorhalten.
Haben Sie oder Ihr Mann auch Helikopter-Eltern-Züge?

Collien Ulmen-Fernandes mit Ehemann Christian Ulmen Foto: Gartner/imago
Mein Mann ist definitiv ein Helikopter-Vater. Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Doku in erster Linie gedreht, um ihm das bewusst zu machen (lacht). Er hat sich auch tatsächlich bei 99 Prozent aller Themen angesprochen gefühlt. Insofern hat mir die Doku auch privat etwas gebracht.
Was macht Ihren Mann zum typischen Helikopter-Vater?
Er überträgt seine Hypochondrie auf unsere Tochter. Sie muss nur mal ein bisschen Temperatur haben, dann rast er sofort mit ihr in die Notaufnahme. Wir sind schon Stammgäste im Krankenhaus. Aber ich lasse ihn einfach machen.
Ich habe keine andere Wahl. Angst kennt keine Ratio. Wenn sie da ist, ist sie da. So ein starkes Gefühl kann man nicht wegdiskutieren.
Sie waren schon mit 15 Jahren quasi erwachsen und dank Ihrer Modeljobs finanziell unabhängig. Warum wollten Sie schon so früh auf eigenen Beinen stehen?
Mir war es schon immer wichtig, selbstständig zu sein und von meinem eigenen Geld leben zu können. Ich wollte nie von einem Mann abhängig sein. Ich möchte für mich selbst sorgen können – das ist ganz tief in mir verankert.
Ich habe schwäbische und indische Wurzeln, hab also von beiden Seiten die Sparsamkeit in die Wiege gelegt bekommen. Ich habe meine Einkünfte nie für Mode oder andere Luxus-Sachen verballert. Wenn größere Summen aus Werbeverträgen reingekommen sind, habe ich sie eins zu eins in Immobilien gesteckt. So muss ich mir später zum Glück keine Gedanken um meine Rente machen.
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