Eine Krankheit kann ganz schön ins Geld gehen. Und zudem kann man nicht arbeiten, wenn man krank ist. Wie man sich gegen finanzielle Krankheitsfolgen – einschließlich Verdienstausfall – absichern kann, klärt der vierte Teil der Courage-Serie zu Versicherungen.
Von Stephan Haberer
„Die Gesundheit ist ein kostbares Gut – nur sie ist es wert, dass man dafür seine Zeit, seinen Schweiß, seine Arbeit und sein Geld einsetzt“, wusste der französische Philosoph Michel de Montaigne. Doch während eine lange, schwere Krankheit im 16. Jahrhundert oft den finanziellen Ruin bedeutete, kann man sich heute gegen die finanziellen Folgen schwerer Erkrankungen absichern.
In Deutschland muss man es sogar. Seit 2009 gibt es praktisch für alle die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen. Doch sind Krankenversicherungen keine Rundum-sorglos-Pakete. Je nach Versicherung sind die Lücken im Schutz mehr oder minder groß. Insbesondere in Sachen Verdienstausfall bei längerer Krankheit.
Welche Arten der Krankenversicherung gibt es?
In Deutschland sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Absicherung im Krankheitsfall möglich: über private Krankenversicherungen (PKV) oder über gesetzliche Krankenkassen (GKV).
Der grundsätzliche Unterschied dabei: In der GKV hat der Staat ein ganz gewichtiges Wort bei den versicherten Leistungen und den zu zahlenden Beiträgen mitreden. Bei privaten Krankenversicherungen bestimmt der Versicherte, welchen Schutz er möchte – was dann wiederum die von ihm zu zahlende Prämie bestimmt.
Darf jeder seine Krankversicherung frei wählen?
Nein, längst nicht jeder darf frei zwischen privater und gesetzlicher Absicherung wählen. So gilt für Arbeiter und Angestellte, dass sie sich grundsätzlich über eine gesetzliche Krankenkasse versichern müssen. Es sei denn, ihr Verdienst liegt über der sogenannten „Versicherungspflichtgrenze“.
Diese liegt im Jahr 2020 bei einem Jahreseinkommen von 62.550 Euro. Nur wer mehr verdient, darf aus der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung wechseln. Dieser Schritt will aber gut überlegt sein. Dazu später mehr.
Selbstständige und Freiberufler können zu Beginn ihrer beruflichen Selbstständigkeit wählen, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern. Wobei es für einige Berufsgruppen – etwa freischaffende Journalisten und Künstler – Sonderregelungen gibt.
Wieder anders die Situation für Beamte, Richter und Zeit-/oder Berufssoldaten: Diesen gewährt ihr Dienstherr – Bund, Land oder Kommune – im Krankheitsfall sogenannte „Beihilfen“, die je nach Familienstand zwischen 50 und 80 Prozent der anfallenden Krankheitskosten abdecken.
Die restlichen Kosten müssen über private Krankenversicherer abgesichert werden. Daher sind bisher die meisten Beamten mittels spezieller Privattarife abgesichert – im Fachjargon „Beihilfetarife“ genannt.
Dies ändert sich jedoch in letzter Zeit ein wenig. Denn einige Bundesländer – etwa Hamburg, Bremen und Thüringen – zahlen seit Kurzem ihren Beamten entweder Beihilfe oder einen Zuschuss von 50 Prozent des Beitrags zu ihrer gesetzlichen Krankenkasse. Andere Länder planen ähnliches.
Was kostet die Krankenversicherung?
Das kommt darauf an: Wer gesetzlich krankenversichert ist, zahlt einen gewissen Prozentsatz seines Einkommens an seine Krankenkasse. Dieser unterteilt sich in einen bundeseinheitlichen Beitragssatz von 14,6 Prozent (Stand 2020) und einen je nach Kasse unterschiedlich hohen Zusatzbeitrag, der zwischen null und 2,7 Prozent (Stand 2020) liegt. Damit ergeben sich unterm Strich Beitragssätze zwischen 14,6 und 17,3 Prozent.
Allerdings wird der Beitrag nur bis zu einer gewissen Obergrenze – der „Beitragsbemessungsgrenze“ – fällig. Diese Grenze liegt 2020 bei einem Jahreseinkommen – einschließlich Sonderzahlungen – von 56.250 Euro. Macht im Monat 4687,50 Euro. Von Einkommensanteilen, die darüber liegen wird kein Beitrag fällig. Maximal werden 2020 damit je nach Krankenkasse im Monat zwischen 684,38 Euro und 810,94 Euro fällig.
Haben gesetzlich Krankenversicherte Familie, können diese kostenlos mitversichert sein. Das gilt sowohl für Ehepartner ohne eigenes Einkommen als auch für Kinder unter 23 Jahren, die „keiner Erwerbstätigkeit nachgehen“, wie das im Behördendeutsch heißt.
Befinden sie sich hingegen noch in Schul- oder Berufsausbildung können sie bis zum 25. Geburtstag kostenlos mitversichert werden. Haben sie freiwilligen Wehrdienst, ein freiwilliges soziales Jahr oder ähnliches geleistet, wird diese Zeit bei der Familienmitversicherung „draufgeschlagen“. Allerdings begrenzt auf maximal zwölf Monate.
In der privaten Krankenversicherung werden die zu zahlenden Prämien völlig anders ermittelt. Hier ist das eigene Einkommen völlig ohne Belang.
Wichtig sind hier vielmehr grundsätzlich das Alter und der Gesundheitszustand der zu versichernden Person sowie das gewünschte Niveau der Absicherung. Je höher das Alter, je schlechter der Gesundheitszustand und je höher das Absicherungsniveau, desto teurer wird es. Und ganz wichtig: eine kostenlose Familienversicherung gibt es hier nicht. Jede Person benötigt eine eigene Versicherung. Auch Babys.
Ausnahme: der sogenannte Basistarif. Dieser Tarif steht privat Versicherten in finanziellen Notlagen offen – etwa wegen längerer Arbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist der Beitrag hier nur vom Alter des Versicherten abhängig. Zudem ist der monatliche Höchstbeitrag auf etwas mehr als 700 Euro begrenzt. Dafür ähneln Art und Umfang der Leistungen dieses Tarifs denen der gesetzlichen Krankenkassen.
Und wie sieht es bei den Leistungen aus?
Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen PKV und GKV. Bei privaten Krankenversicherungen wird bei Vertragsschluss bestimmt, für welche Leistungen der Versicherer aufkommen muss. Das kann die Bezahlung von horrend hohen Arztrechnungen, die weit über die jeweilige Gebührenordnung hinausgehen, ebenso einschließen wie die vollständige Kostenübernahme von sündteuren Zahnprothesen oder der Chefarztbehandlung und dem Einzelzimmer im Krankenhaus.
Das Wichtigste aber: Privatpatienten haben freie Arzt- und Krankenhauswahl. Zudem können sie je nach Tarif auch Heilverfahren absichern, die gesetzliche Krankenkassen nicht übernehmen (dürfen).
Wer sich privat krankenversichern möchte, sollte eines bedenken: Eine private Krankenversicherung ist nicht dazu da, um Beiträge zu sparen, sondern um die bestmögliche Versorgung im Krankheitsfall zu garantieren. Ein günstiger Beitrag kann sich im Krankheitsfall rächen, wenn er ein niedriges Leistungsniveau hat.
Da bei einer privaten Krankenversicherung sehr viele vom Einzelfall abhängige Faktoren zu berücksichtigen sind, sollte für deren Abschluss auf professionelle Hilfe durch einen Versicherungsmakler zurückgegriffen werden.
Das Wichtigste für gesetzlich Krankenversicherte: Sie haben keine freie Arztwahl und keine freie Krankenhauswahl. So zahlt ihre Kasse grundsätzlich nur Rechnungen von Ärzten mit Kassenzulassung. Viele ärztliche Spezialisten haben diese jedoch nicht, da sie aus ihrer Sicht von den Kassen nicht angemessen für ihr Spezialwissen honoriert werden.
Müssen Kassenpatienten ins Krankenhaus, benötigen sie entweder einen Überweisungsschein ihres Arztes oder sie müssen das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen.
Zudem hat der Gesetzgeber knapp 95 Prozent aller Leistungen verbindlich festgelegt. Doch die verbleibenden fünf bis sechs Prozent der sogenannten Wahlleistungen sind so umfangreich, dass sich neben dem Preis- auch ein Leistungswettbewerb zwischen den Kassen herausgebildet hat.
So zahlen einige Kassen auch für Naturheilverfahren oder für eine professionelle Zahnreinigung, haben Bonusprogramme aufgelegt oder bieten eine besondere Versorgung für chronisch Kranke.
Da diese Wahlleistungen insgesamt aber überschaubar sind und die Beitragsgestaltung völlig transparent ist, können Interessierte die Kasse, die am besten zu ihren Bedürfnissen passt, auch mittels spezialisierter Vergleichsportale wie etwa „gesetzlichekassensuche“ ermitteln.
Und wie sieht es mit dem Einkommen im Krankheitsfall aus?
Hauptsächlich ist eine Krankenversicherung dafür da, die Kosten für Heilbehandlungen, Krankenhausaufenthalte, medizinische Betreuung, Medikamente und Hilfsmittel zu decken. Doch wer länger nicht arbeiten kann, hat meist noch ein weiteres Problem: Er hat auch kein Arbeitseinkommen. Die Folgen können mehr oder weniger gravierend sein.
Denn als abhängig Beschäftigter greift im Fall einer Krankschreibung erst einmal die sogenannte „Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall“. Heißt: Der Arbeitgeber muss sechs Wochen lang Lohn oder Gehalt trotz Krankheit weiterzahlen.
Ab dem 43. Tag zahlt dann bei gesetzlich Versicherten ihre Krankenkasse ein Krankengeld. Doch das ist meist deutlich niedriger als das Gehalt. Im Regelfall zahlt die GKV 70 Prozent des Bruttoeinkommens, maximal jedoch 90 Prozent vom Netto. Und das auch nur, sofern das Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze (siehe oben) liegt.
Besonders für Gutverdiener kann hier eine deutlich größere Einkommenslücke entstehen. Zudem gehen davon auch noch Sozialabgaben ab. Hinzu kommt: Arbeitgeber und Krankenkasse zahlen zusammen höchstens für 78 Wochen – also für eineinhalb Jahre.
Privatversicherte müssen ein Krankentagegeld eigens vereinbaren, sonst stehen sie im Krankheitsfall nach Ende der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber unter Umständen ohne Einkünfte da. Höhe und Dauer können sie dabei je nach Tarif relativ frei bestimmen.
Bei Selbstständigen und Freiberuflern in der GKV kann sich dieses Problem deutlich verschärfen, denn sie haben keinen Chef, der auch bei Krankheit das Gehalt weiterzahlt. Allerdings können sie mit ihrer Kasse auch vereinbaren, dass diese bereits nach 14 Tagen und nicht erst nach 42 Tagen Krankengeld zahlt.
Auf jeden Fall aber bleibt eine Lücke von mindestens 30 Prozent zwischen der Höhe des Krankengeldes und dem Bruttoeinkommen. Zudem droht nach spätestens eineinhalb Jahren das endgültige Aus dieser Zahlungen.
Während man Letzterem am besten durch Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung begegnet, gibt es Krankentagegeld-Versicherungen – nicht zu verwechseln mit Krankenhaustagegeld-Tarifen! –, um die Einkommenslücke während der Krankheit zu schließen.
Wer eine solche Police abgeschlossen hat, bekommt ab einem bestimmten Zeitpunkt – sinnvoll ist oft ab dem 43. Tag einer Krankheit – ein Krankentagegeld in zuvor festgelegter Höhe. Dabei darf das Krankentagegeld jedoch zusammen mit anderen Lohnersatzleistungen – wie etwa dem Krankentagegeld der Krankenkasse maximal so hoch sein wie das Nettoeinkommen der vergangenen zwölf Monate.
Wer sich für eine Krankentagegeld-Police entscheidet, sollte vor Abschluss überlegen, wie lange die eigenen Reserven reichen und wie viel Geld tatsächlich benötigt wird. Denn je höher das versicherte Tagegeld, desto höher auch die Prämien.
Zudem spielt auch das Alter des Versicherten bei der Prämienberechnung eine Rolle. So kostet etwa eine Police, die ab dem 43. Krankheitstag 50 Euro Krankentagegeld je Tag zahlt, für eine 35-jährige Bürokauffrau ohne Vorerkrankungen zwischen knapp unter 20 und etwa 35 Euro im Monat. Und für eine 55-Jährige ohne Vorerkrankungen zwischen knapp 40 und fast 70 Euro monatlich.
Das renommierte Analysehaus Morgen & Morgen hat im Februar 2020 insgesamt 90 Krankentagegeld-Tarife von 32 Anbietern anhand von 21 Leistungspunkten untersucht. Insgesamt zwölf Tarife von Barmenia, Concordia, Deutsche Familienversicherung und Inter wurde dabei mit der Bestnote „Ausgezeichnet“ bewertet.
Alle bisherigen Absicherungsteile auf einem Blick: