Wut ist überall, nur: Was tun, wenn die einen überwältigt? Oder die Chefin damit im Büro auftritt? Die Expertin Evelyn Rittmeyer kümmert sich seit 28 Jahren nicht nur um dieses Gefühl, sondern bietet auch entsprechende Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung an.
Von Matthias Lauerer
Courage-online.de Frau Rittmeyer, die Wut begleitet uns im Alltag. Nehmen wir eine alltägliche Situation im Büro. Die Chefin ist verärgert und spricht mich sauer an. Wie soll ich reagieren?
Hören Sie sich zunächst einmal an, was sie zu sagen hat. Antworten sie dann ruhig und überlegt. Besonders wichtig ist es, gelassen zu bleiben und freundlich zu sein, auch wenn es schwerfällt. Wenn Sie ihr in jenem Moment ebenfalls genauso entgegenkommen, eskaliert die Situation und dieser Mensch wird noch wütender. Die Frage lautet: ´Was habe ich denn eigentlich getan, was sie so verärgert?´ Und: Der- oder Diejenige, der/die über die bessere Impulskontrolle verfügt, sollte die Situation leiten. Generell gilt: Auf aggressive Wut geht man nicht ein.
Und wenn das nicht hilft?
Muss ich dem Menschen klarmachen, dass es besser ist, den Vorfall in Ruhe zu klären und ihm oder ihr einen Vorschlag machen: ´Machen wir uns doch ein Kaffee und reden in Ruhe darüber, in Ordnung?´ Wenn der oder die Vorgesetzte einen hohen EQ (Emotionaler Intelligenzquotient, Anmerkung der Redaktion) besitzt, sich dementsprechend verhält und die Wut bereits etwas heruntergekocht ist, wird man wahrscheinlich auf diese faire Idee eingehen. Wenn er oder sie also selbst erkennt: ´Oh, da bin ich jetzt aus der Rolle gefallen´, wirkt so ein freundlicher Vorschlag wahre Wunder. Was immer hilft: das Gespräch abzubrechen und ganz simpel zu sagen: ´Entschuldigung, aber, in diesem Ton kann ich mich nicht unterhalten. Könnten wir das Gespräch bitte auf später verschieben?´ Mit jemandem zu reden, der schreit, funktioniert nicht.
Was kann im schlimmsten Falle drohen?
Es ist vorstellbar, dass das Ganze physisch wird, was wir sicherlich nicht möchten. So etwas ´geht´ nicht, weil man so etwas einfach nicht macht.
Gibt es körperliche Anzeichen, an denen sich die steigende Wut vielleicht gut erkennen lässt?
Generell lässt sich das sicherlich nicht sagen. Manche Menschen werden rot im Gesicht – und ich werde ganz bleich.
Taucht das Merkmal Wut stets alleine auf?
Das ist mir in all den Jahren selten vorgekommen. Da gibt es sicherlich die Möglichkeit von Traumata, von Erfahrungen, von Frustration und der gelebten Wirklichkeit im Kindesalter. Wut ist oft mit Angst verbunden oder einem nicht ganz stabilen Selbstbewusstsein.
Wie steht es bei Ihnen mit dem Gefühl?
Oh, ich kann sehr gut wütend werden, aber ich beherrsche das. Meinen innerlichen Prozess bekommt normalerweise kein Mensch mit. Ich kann damit umgehen, doch mein Temperament ist ebenso. Wenn mich aber jemand erwischt, wenn ich wütend werde und der oder die sagt in diesem Augenblick: ´Nur die Ruhe´– den könnte ich …
Wie gelang es Ihnen, diese Kontrolle über jene starke und gefürchtete Emotion zu behalten?
Es war ein weiter Weg und der war nicht simpel. Man muss sich beobachten, innehalten und überlegen: ´Was denke ich denn gerade?´ Eine Frage, die man sich selbst stellen kann ist – wenn mich jemand gerade wütend macht: ´Erlaube ich diesem Menschen überhaupt, mich wütend zu machen?´ Viele kennen die Antwort darauf nicht. Sie lautet: Nein.
Belastet Sie Ihre Arbeit mit der Wut eigentlich?
In dieser Intensität kann ich höchstens zwei Klienten täglich betreuen – und das an maximal vier Tagen pro Woche. Mehr will ich auch nicht – und Gott sei Dank gibt es noch andere Themen im Beruf. Außerdem habe ich noch ein reichhaltiges Leben neben der Arbeit.
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