Das Leben ist nicht immer planbar. Egal, ob der Laptop kaputt geht, beim Auto eine teure Reparatur anfällt oder ein wichtiger Auftrag wegbricht – dafür sollten wir finanziell gewappnet sein. Ein Notgroschen fungiert in solchen Situationen wie ein Sicherheitsairbag für die eigenen Finanzen, sodass Betroffene nicht direkt in Existenznöte geraten. Courage erklärt, wie viel Geld wir am besten beiseitelegen und wohin.
Von Simone Gröneweg
Wenn amerikanische Wissenschaftler:innen recht haben, beeinträchtigen Geldsorgen das Denkvermögen. Entsprechende Ergebnisse dazu veröffentlichten Fachleute vor einigen Jahren in dem Wissenschaftsmagazin „Science“. Schon diese Erkenntnis sollte uns dazu bringen, die Finanzen einigermaßen im Griff zu behalten.
Allerdings lässt sich nicht alles im Leben planen, manchmal schlägt das Schicksal zu. Erbarmungslos und ohne Ankündigung. „Ein möglicher Arbeitsplatzverlust, eine Krankheit, ein Unfall oder andere Schäden fordern uns nicht nur persönlich, sondern auch finanziell“, sagt Dani Parthum. Die Ökonomin berät Frauen in Geldangelegenheiten und betreibt das von ihr gegründete Finanz-Portal Geldfrau. „Das Finanzpolster für Notfälle halte ich für essenziell wichtig“, sagt sie. Es sei für die Zeiten gedacht, in denen sich das Leben nicht von seiner besten Seite zeige.
Wie schaffe ich es, Geld beiseitezulegen?
Zum Aufbau eines Finanzpolsters für schlechte Zeiten gehört das Sparen. Viele Menschen scheitern schon daran. Sie haben das Gefühl: Geld ist zum Ausgeben da. „Da mangelt es am Verständnis. Ausgegeben wird Geld eher unbewusst, Sparen dagegen ist ein bewusster Akt“, erklärt die Geldberaterin Parthum. Ohne Druck geht es manchmal nicht. Also richtet man am besten einen Dauerauftrag ein, um monatlich einen gewissen Betrag auf die hohe Kante zu legen.
Wer das finanziell gar nicht hinkriegt, muss die eigenen Ausgaben genau unter die Lupe nehmen und sich gegebenenfalls einschränken. Vor allem die vielen Kleinigkeiten zwischendurch belasten den Geldbeutel. Vielleicht lässt sich die Handyrechnung reduzieren oder ein Versicherungswechsel spart Geld ein.
Für alle, die gerne digital unterwegs sind, gibt es Apps, die als Haushaltsbuch fungieren. Man kann aber auch zu Papier und Stift greifen, um Einnahmen und Ausgaben zu notieren. So verschafft man sich einen Überblick und kann Maßnahmen in Angriff nehmen.
Dabei darf auf keinen Fall falsch gespart werden. „Existenzabsichernde Verträge wie die Haftpflichtversicherung stehen nicht auf dem Prüfstand, denn die sind wichtig“, warnt Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Wie viel Geld lege ich zurück?
Die optimale Höhe des Notgroschens hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es existiert aber eine grobe Faustformel. „In der Regel empfehlen Fachleute drei Netto-Monatsgehälter“, sagt Ralf Scherfling. Wer 1500 Euro netto verdiene, brauche demnach etwa 4500 Euro als Notgroschen.
Der Richtwert ergibt sich aus den Erfahrungen von Verbraucherschützer:innen, Schulden- und Finanzberater:innen. „Je mehr Verpflichtungen jemand eingegangen ist, desto größer muss das Finanzpolster ausfallen“, betont die Geldberaterin Parthum. Wer verschiedene Menschen mitfinanziere – etwa die eigenen Eltern, Kinder oder den Mann – sollte ruhig sechs Nettogehälter zurücklegen“, meint sie.
Was die konkrete Höhe der Rücklage angeht, spielt die eigene Psyche ebenfalls eine wichtige Rolle. Manche Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit. „Einige benötigen möglichst 20.000 Euro extra auf dem Konto, ansonsten fühlen sie sich nicht wohl“, weiß Parthum aus Erfahrung.
Andere machen sich darüber aber gar keine Gedanken. „Die müssen erst lernen, wie wichtig es ist, Geld für schlechte Tage vorzuhalten“, betont die Ökonomin. Generell sollte man eine Rücklage in Höhe von drei bis sechs Netto-Monatsgehältern anpeilen.
Muss ich besondere Risiken abdecken?
Viele Solo-Selbstständige hat die Corona-Krise finanziell aus der Kurve geworfen. Von einem Tag auf den anderen brachen Aufträge weg. Das zeigt: Wer freiberuflich arbeitet, muss sich nicht nur privat ein Finanzpolster zulegen, sondern auch für den Job.
Viele Unternehmer:innen würden das berufliche Existenzrisiko unterschätzen. „Freiberufler:innen und Selbstständige müssen drei Monate ohne Aufträge überbrücken können“, sagt Parthum. Bei Angestellten bildet der/die Arbeitgeber:in normalerweise solche Rücklagen, um eventuelle Flauten finanziell auszugleichen. Beamte können auf den Staat vertrauen.
Die eigene Immobilie stellt meist die größte Investition im Leben vieler Menschen dar. Damit der Wert erhalten bleibt, ist regelmäßige Pflege unerlässlich. Das kostet. Irgendwann muss das Dach erneuert werden oder ein Fensteraustausch steht an. Wer in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus lebt, muss sich neben dem privaten Sicherheitsairbag ein zusätzliches Finanzpolster aufbauen.
Bei einer Eigentumswohnung entscheiden die Eigentümer:innen gemeinsam in einer Versammlung über die Höhe der Rücklage. Ansonsten existiert dafür eine Faustformel: Ein Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gehört monatlich auf die hohe Kante. Bei 100 Quadratmetern wären das 100 Euro pro Monat. „Diese Reserve ist unabhängig vom privaten Notgroschen“, betont der Finanzexperte Scherfling.
Wie sollte ich den Notgroschen nicht anlegen?
Das Kopfkissen oder die Schrankwand taugen jedenfalls nicht als Aufbewahrungsorte für die Reserve. Den Notgroschen zu Hause als Bargeld zu bunkern, ist zu gefährlich. Hausratversicherungen entschädigen nach einem Einbruch oder einem Verlust nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze.
Das gute alte Sparbuch bietet sich zwar auf den ersten Blick an, verfügt aber über einen großen Nachteil. Der Zugriff ist beschränkt. „Die Kunden dürfen bis zu 2.000 Euro pro Monat abheben. Falls Banken und Sparkassen die Abhebung höherer Beträge ohne vorherige Kündigung zulassen, dürfen sie Vorschusszinsen verlangen. Das ist nicht flexibel genug“, schlussfolgert Verbraucherschützer Scherfling.
Aktien- oder Immobilienfonds kommen ebenfalls nicht als Anlageprodukte infrage. Die Kurse an den Börsen schwanken zu sehr und bei Immobilienfonds kann es Probleme mit der spontanen Anteilsrückgabe geben. Selbst ein Girokonto eignet sich nur bedingt für den Notgroschen. Es dient in erster Linie zur Abwicklung des alltäglichen Zahlungsverkehrs. „Befindet sich das Finanzpolster für Notfälle auf einem Girokonto, fordert das die Willensstärke unnötig heraus. Ist das Ganze zu einer stattlichen Summe herangewachsen, wird man irgendwann vermutlich schwach und gibt es doch aus“, mutmaßt die Geldexpertin Parthum. Vielleicht wirft manche Sparerin verstohlen einen Blick auf diverse Festgeldangebote. Die Top-Offerten mögen gelegentlich bei einem Prozent für ein Jahr liegen, das Produkt eignet sich trotzdem nicht. „Wenn etwas geschieht, muss ich schließlich morgen oder übermorgen an das Geld herankommen. Das ist bei einem Festgeldkonto nicht möglich“, warnt Ralf Scherfling.
Wo ist das Geld am besten aufgehoben?
Fachleute empfehlen ein Tagesgeldkonto, um den Notgroschen adäquat anzulegen. Diese Konten gehörten vor einigen Jahren noch zu den absoluten Lieblingen konservativer Anleger:innen.
Ihr größter Vorteil: Sie bieten viel Flexibilität, denn sie können − wie der Name schon deutlich macht − täglich gekündigt werden. Die Zahl attraktiver Offerten in diesem Segment hält sich derzeit aber in Grenzen. Gelegentlich ködern Banken und Finanzinstitute Neukunden mit einem Einstiegszins zum Hingucken. Das sind aber Ausnahmen.
In der Regel gilt: Die Verzinsung liegt bei etwa null Prozent, während die Inflation an dem Ersparten nagt. Nähere Infos dazu hier. „Das ist ärgerlich, aber lässt sich nicht ändern. Trotzdem gehört das Geld auf ein Tagesgeldkonto, denn dort kann man jederzeit etwas abheben“, sagt Scherfling.
Doch was geschieht, wenn die Bank pleite geht? Dann haben alle Kontoinhaber:innen einen Rechtsanspruch darauf, ihr Geld bis zu 100.000 Euro (für Ehepaare mit Gemeinschaftskonto 200.000 Euro) zurückzubekommen. Dazu zählen auch Guthaben auf Tagesgeldkonten. Zinsen, die zwar aufgelaufen, aber noch nicht gutgeschrieben wurden, werden ebenfalls erstattet. Die Kund:innen erhalten ihr Geld automatisch zurück.
Was ist, wenn ich auf die Reserve zurückgreifen musste?
Danach bitte wieder auffüllen! Am besten richtet man direkt einen Dauerauftrag über eine feste Summe aufs Tagesgeldkonto ein. „Ich kann nicht davon ausgehen, jetzt sind der Kühlschrank und die Waschmaschine neu, nun kann mir nichts mehr passieren“, meint Scherfling. Das Auto oder der Laptop können immer noch kaputt gehen. Also heißt die Devise: Eisern sparen, damit sich das Polster wieder auffüllt. Nicht umsonst lautet ein altes deutsches Sprichwort: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.
Findet uns auch auf: