Rita Kortum (39) ist studierte Heilpädagogin und seit 2017 bei der Deutschen Kinderkrebsstiftung für „Projektmanagement und psychosoziale Themen“ zuständig. Zuvor engagierte sich die Mutter von Zwillingen, die selbst sehr jung an Krebs erkrankte, ehrenamtlich für die Stiftung. Ein bewegendes Plädoyer für Mut und Beharrlichkeit.
Von Sylvia Petersen
Frau Kortum, wie hat sich das mit Ihrem Ehrenamt bei der Deutschen Kinderkrebsstiftung ergeben?
Rita Kortum: Ich bin mit 16 Jahren an Krebs erkrankt, am Non-Hodgkin-Lymphom. Das war eine heftige Zeit und ich wollte danach nichts mehr mit dem Thema zu tun haben, doch nur zwei Jahre später kam der Krebs zurück. Ab dem Zeitpunkt war für mich klar, dass ich mich damit auseinandersetzen muss, um für einen weiteren Rückfall besser gewappnet zu sein. Über einen Tipp aus einer Selbsthilfegruppe bin ich dann zur Kinderkrebsstiftung gekommen.
Was haben Sie bei der Kinderkrebsstiftung gemacht?
Ich habe ein Junge-Leute-Seminar besucht, das die Stiftung zweimal im Jahr für junge Krebskranke anbietet. Dort habe ich erfahren, dass auch sogenannte Regenbogenfahrten veranstaltet werden. Einmal im Jahr fahren ehemals Krebskranke eine Woche lang durch Deutschland und besuchen Kinderkliniken.
Nicht, um Spenden zu sammeln, sondern um den Kindern Mut zu machen – nach dem Motto: „Auch ich habe hier gelegen, keine Haare gehabt und gekotzt. Doch jetzt fahre ich 600 Kilometer in der Woche, um dir zu sagen, dass du das auch schaffen kannst.“
Diese Touren habe ich zehn Jahre lang ehrenamtlich begleitet. Für mich war das wie eine Klassenfahrt, nur mit intensiverem Hintergrund. Ich bin also im Grunde zum Ehrenamt gekommen, weil ich selbst etwas zu verarbeiten hatte.
Ihr ehrenamtliches Engagement führte zu einer Festanstellung. Wie kam es dazu?
Ich habe mit der Zeit neben den Regenbogenfahrten weitere Projekte innerhalb der Deutschen Kinderkrebsstiftung ehrenamtlich übernommen, wie beispielsweise die Mitarbeit als Betreuerin im Waldpiraten-Camp in Heidelberg. Dort können Kinder Urlaub vom Krebs machen.
Über diese verschiedenen Projekte bin ich immer näher an die Stiftung herangerückt. Und eines Tages habe ich den Geschäftsführer ganz offen gefragt, ob eine Stelle frei ist – oder wird.
Waren Sie denn gerade auf Jobsuche?
Ich war zu der Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität und bereits Mutter von Zwillingen. Eine Professur schien in weiter Ferne und umziehen wollte ich nicht.
Mein Mann und ich wollten anbauen. Es stellte sich mir die Frage: Wo und wie kann es für mich jetzt weitergehen? Im Bereich der Kunsttherapie sind die Möglichkeiten ja leider doch sehr überschaubar.
Welche Rolle spielte Ihr Ehrenamt bei der Festanstellung?
Natürlich war es ein Stück weit Glück, dass gerade eine Stelle frei geworden war. Es war aber auch mein großer Vorteil, dass ich die Stiftung sehr gut kannte – und sie mich. Networking ist bei der Jobsuche das A und O. Ohne mein Ehrenamt und die damit verbundenen Kontakte zu Mitarbeiter:innen der Stiftung hätte ich den Job sehr wahrscheinlich nicht bekommen.
Für mich ist diese Anstellung gleich dreifach wertvoll: Ich kann jetzt eigene Projekte entwickeln, um Familien zu helfen, der Vertrag ist unbefristet – das hätte ich an der Uni so sicher nie bekommen, und ich habe auch finanziell einen Sprung nach vorne gemacht.
Wie helfen Ihnen die Erfahrungen aus dem Ehrenamt heute im Job?
Ich habe über die Jahre viele Kliniken, Ärzte, Eltern, Vereine, Selbsthilfegruppen kennengelernt. Diese Kontakte sind für meine jetzige Arbeit sehr hilfreich. Ich habe nun selbst mit Ehrenamtlichen zu tun und finde es toll zu sehen, wie viel Kraft aus der eigenen Betroffenheit entstehen kann.
Was raten Sie anderen bei der Wahl eines Ehrenamts?
Ein Ehrenamt sollte Spaß machen, schließlich opfert man dafür ja auch seine Freizeit. Es sollte auf alle Fälle nicht zur Last werden. Ich hatte früh überlegt, in der Kinderonkologie zu arbeiten. Aber durch mein Ehrenamt habe ich gemerkt, dass es vorerst lieber mein Ehrenamt bleiben soll.
Ein Ehrenamt kann also auch dabei helfen, auszuloten, wo die eigene berufliche Reise hingehen soll. Ich habe erst mal in anderen Bereichen gearbeitet und weitere Erfahrungen gesammelt, um mich am Ende dann doch bewusst für das Feld der Kinderonkologie zu entscheiden.
Warum sollte man sich überhaupt engagieren?
Anderen zu helfen, ist ein schönes Gefühl. Zugleich lernt man durchs Ehrenamt selbst viel dazu und eignet sich neue Kompetenzen an. Deswegen würde ich ehrenamtliche Tätigkeiten auch immer im Lebenslauf nennen und genau beschreiben, was man dort macht oder gemacht hat.
Engagieren Sie sich heute auch noch ehrenamtlich?
Ich engagiere mich seit vielen Jahren im Karneval und veranstalte Kostümfeste für um die 200 Kinder. Ich überlege mir Spiele und moderiere das Ganze auch. Seit ich dieses Ehrenamt ausübe, habe ich überhaupt kein Problem mehr damit, mich auf eine Bühne zu stellen und vor großem Publikum zu sprechen.