Lippenstifte als Inflations- und Rezessions-Indikatoren? Alles Quatsch oder doch ein Körnchen Wahrheit?
Von Antje Erhard
Zugegeben, derzeit braucht man keine Hilfsmittel, um zu merken, dass wir eine hohe Inflation haben. Vor allem Lebensmittel- und Energiepreise treiben die Teuerung und machen sie zur größten Sorge von uns Deutschen derzeit. Das ergab unter anderem eine Umfrage des Versicherers Allianz unter 1.000 Menschen hierzulande.
Viele sparen, so gut es geht, aber einige Produkte laufen gerade jetzt besonders gut: In Zeiten wie diesen, wenn die Wirtschaft kriselt, werden beispielsweise mehr Lippenstifte als in wirtschaftlich rosigen Zeiten verkauft. Doch wie passt der (steigende) Konsum von Kosmetik zur allgemeinen Konsumzurückhaltung wegen steigender Preise?
Nun, genau jetzt werden günstigere Luxus-Produkte gekauft: Zum Beispiel Lippenstifte statt teurer Handtaschen oder Schuhe. Dieses Phänomen entdeckte der Kosmetik-Hersteller Leonard Lauder von Esteé Lauder und nannte es Lipstick-Index. Seit 1929 ist der Lipstick-Index sozusagen ein Wirtschaftsindiktator. Und stellte sich oft als praktikabel heraus: Sowohl in der Krise nach 9/11 im Jahr 2001 wie auch zur Finanzkrise, als eine Rezession um sich griff, stieg der Umsatz mit Lippenstiften, auch in Deutschland.
Lippenstifte – am stärksten wachsendes Kosmetik-Segment
Und tatsächlich sind Lippenstifte das am stärksten wachsende Kosmetik-Segment in diesem Jahr, belegen Zahlen des Marktforschers NPD Group. So seien die Umsätze mit Lippen-Produkten im ersten Quartal um 48 Prozent gestiegen, ist im Make-up-Verbraucher-Bericht des Marktforschers zu lesen. Natürlich spielt hier auch die Maskenpflicht der Pandemie eine Rolle: Wer Maske trägt, braucht keinen Lippenstift. Allerdings sei während der Pandemie die Nachfrage nach Augen-Make-up stark gestiegen, um den Fokus auf die obere Gesichtspartie zu lenken.
Pandemie-Rückgänge mehr als wettgemacht
Doch die Zahlen würden nun nach Angaben der Marktforscher belegen, dass die Rückgänge des Vorjahres mehr als wettgemacht seien. Sie zeigten, dass die wirtschaftlichen Sorgen unter den Verbraucher:innen zunehmen – aber zugleich auch die Lippenstift-Käufe.
Kritiker:innen führen jedoch ins Feld, dass der Absatz von Lippenstiften schwer zu ermitteln ist: Viele Unternehmen weisen die Produkt-Kategorie gar nicht einzeln aus. Außerdem reichten ihnen die vorhandenen Daten bzw. Krisen nicht aus, um einen Wirtschaftsindex daraus abzuleiten: Offizielle Wirtschaftsindikatoren seien überprüfbar und basierten auf Kennzahlen von Unternehmen. Das sei beim Lipstick-Index nicht der Fall.
Findet uns auch auf: