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Verhandlungsstark und top vernetzt: Die talentierte Madame Lagarde

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Foto: Jacobia Dahm/Bloomberg via Getty Images
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Foto: Jacobia Dahm/Bloomberg via Getty Images
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Verhandlungsstark, top vernetzt und mit einem Hang zum Luxus ausgestattet: EZB-Chefin Christine Lagarde ist eine besondere Erscheinung auf dem politischen Parkett und Vorreiterin für eine Welt, in der auch Frauen die höchsten Ämter besetzen.

Von Michaela Stemper

Elegant bis luxuriös: So zeigt sich Christine Lagarde auf der öffentlichen Bühne. Weißes Haar, kühler Blick und der Teint stets gebräunt. Meist mit einem Lächeln, mal strahlend, mal zähnefletschend. Die 66-Jährige ist eine beeindruckende Erscheinung in der Finanzwelt. Die hochgewachsene EZB-Präsidentin scheut sich nicht, aus einem Heer grau gekleideter Männer mit farbenfrohen Accessoires hervorzustechen. Sie liebt funkelnden Schmuck, trägt häufig seidene Hermès Carrés. Ihre Schals haben Punkte, das Revers ziert eine roséfarbene Blüte. Von Chanel über Armand Ventilo bis hin zu Austin Reed reicht ihre Garderobe.

Die Presse liebt sie dafür. Allerdings hat Christine Lagarde für ihre gehobene Ausstattung auch viel Kritik einstecken müssen. Vor allem als sie noch Chefin des Internationale Währungsfonds (IWF) war. Nachhaltig ist ihr Kleidungsstil trotzdem: Sie setzt auf gute, langlebige Basics. Und darin sieht man sie mehr als nur einmal.

Mit ihrer Vorliebe für teure Kleidung und edlen Schmuck wirkt Lagarde, als wäre sie im großbürgerlichen Haushalt von Monsieur Claude aufgewachsen. Aber das täuscht. Sie stammt aus einem wenig glamourösen, katholischen Elternhaus und wuchs mit drei Brüdern in der Normandie auf. Die Bildung, die sie durch ihre Eltern – einen Literaturprofessor und eine Lateinlehrerin – erhielt, legte den Grundstein für ihre Karriere.

Leicht waren die Jugendjahre trotzdem nicht: Der bewunderte Vater starb nach langer Krankheit viel zu früh. Die Mutter wurde zum Vorbild. Mit 16 übernahm Christine viel Verantwortung, auch für die jüngeren Brüder. Aber diszipliniert, wie man die Französin heute kennt, gelang ihr der Spagat zwischen häuslicher Pflicht, Ausbildung und Nebenjobs als Jeans-Verkäuferin und auf dem Fischmarkt. Nicht zu vergessen: Lagarde verlangte sich zusätzlich noch als Synchronschwimmerin einiges ab. In ihrer Jugend holte sie Bronze bei den französischen Meisterschaften. Auch im Nationalteam gewann die schlanke Schwimmerin Medaillen in der Sportart des ewigen Lächelns.

Signal der Kampfbereitschaft

Wenn sich Talent, Disziplin und ein Quäntchen Glück vereinen, trifft man auf Förderer. So auch die junge, ehrgeizige Christine. Ein Stipendium ermöglicht ihr ein Auslandsjahr an einer privaten Eliteschule in den USA. Nach ihrem Jurastudium wurde die 25-Jährige mit den exzellenten Englischkenntnissen in der Wirtschaftskanzlei Baker McKenzie gefördert. Eine Vorgesetzte erkannte früh die Verhandlungsstärke der jungen Frau, die diese bis heute bei jeder Gelegenheit demonstriert. Unvergessen das Bild, als sie in einer IWF-Sitzung energisch ihr Hermès‑Halstuch lockerte und über die Schultern gleiten ließ, um Kampfbereitschapf zu signalisieren – so wie Männer die Ärmel hochkrempeln würden.

Lagarde wird in den 18 Jahren bei Baker McKenzie zu einer Top-Anwältin für Arbeits- und Wettbewerbsrecht. Schließlich sitzt sie 1999 als erste Frau auf dem Chefsessel in der Firmenzentrale in Chicago. Eine Pionierin im „Ally McBeal“-Zeitalter. Unter der mächtigen Vorstandsvorsitzenden ist die Wirtschaftsrechtskanzlei mit einer Milliarde US-Dollar Umsatz die zweitgrößte weltweit. Rund 3400 Juristinnen und Juristen hörten auf das Kommando von Christine Lagarde.

Bis zum Jahr 2005. Denn da ruft Frankreich. Die Anwältin tauscht die Robe gegen das Politikerinnen-Kostüm. Sie wird zunächst Staatssekretärin für den Außenhandel – ein Grüß‑Gott-Job –, dann Ministerin für Landwirtschaft und Fischerei, bevor der große Triumph folgt: 2007 wird sie Wirtschafts- und Finanzministerin.

Die erste Frau eines G‑8-Staats in diesem Amt. Und das, obwohl sie lange in den USA lebte und nicht wie so viele französische Top-Politiker an der Grande École ENA Verwaltung studiert hatte. Allein das hätte schon gereicht, um sie heute als Role Model zu bezeichnen. Selbstbewusst auch hier ihr persönliches Design-Statement: 50 Quadratmeter Zebrateppichboden wurden damals im Ministerium verlegt. Angeblich, damit ihre Mitarbeiter nicht auf ihre Schuhspitzen schauten, sondern direkt in ihr Gesicht.

Vorteil in der Finanzkrise

Die anglophoben Franzosen betrachteten ihre Landsfrau indes mit Argwohn. Mit ihrer offenen Kritik an Frankreichs Arbeitspolitik mit 35-Stunden-Woche und ständigen Streiks machte sie sich wenig Freunde. „Madame La Gaffe“ – Frau Fettnapf – wird sie genannt. Es heißt sogar, der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy wäre die eigensinnige Juristin im Finanzministerium gern losgeworden. Allerdings: In der Finanzkrise konnte sie zeigen, dass ihre internationale Ausbildung, ihre zähe Haltung und ihr Netzwerk entscheidende Vorteile für Frankreich waren. Und dafür zollten ihr auch Kritiker Respekt.

Ob sie hin und weg befördert wurde? Man weiß es nicht. Auf jeden Fall löste die damals 55-Jährige 2011 Dominique Strauss-Kahn beim Internationalen Währungsfonds ab. Damit war sie erneut die erste Frau: diesmal an der Spitze des wichtigsten internationalen Kreditgebers für in Not geratene Länder. Bei der Besetzung stach sie die männliche Konkurrenz aus und wurde nach fünf Jahren wiedergewählt. 

Sie schnürte milliardenschwere Rettungspakete für Griechenland, Irland und Portugal. Dabei legte sie sich auch mit Angela Merkel an. Eine Kontroverse auf Augenhöhe: Die laut „Forbes Magazine“ zweitmächtigste Frau der Welt bot der mächtigsten die Stirn.

IWF-Chefin vor Gericht

Nur als der Tapie-Skandal hochkochte, sah es kurzzeitig so aus, als stehe die Karriere der Grande Dame auf der Kippe. In ihrer Funktion als Finanzministerin hatte sie 2008 den vorschnellen Vergleich eines Schiedsgerichts in einem Streit zwischen dem Staat und dem damaligen Adidas-Besitzer Bernard Tapie durchgewunken, ohne Einspruch einzulegen. Tapie war dabei eine Entschädigungszahlung zugesprochen worden, insgesamt hatte er rund 400 Millionen Euro kassiert. Lagarde musste vor Gericht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit öffentlichen Geldern. 2016 wurde sie schuldig gesprochen, ging jedoch straffrei aus – und kam so mit einem blauen Auge davon.

Ihren Arbeitseifer hat dieser Fehltritt nicht gehemmt. Die Flugkilometer, die diese Frau zurückgelegt hat, sind kaum zählbar. Vertraglich wurden der IWF-Chefin First-Class-Flüge zugebilligt. Das hat ihr einerseits Kritik eingebracht. Andererseits demonstrieren Männer in ähnlicher Position ihre Macht ebenfalls mit solchen Statussymbolen.

Lagarde geht eben ihren eigenen Weg. Deutlich zeigt sich das auch bei ihrem Amtsantritt als EZB-Präsidentin 2019. Als sie das Ruder von Mario Draghi übernahm, stand erstmals eine Nicht-Ökonomin auf der Kommandobrücke der Zentralbank. Und obendrein eine Frau. Damals wurde sie gefragt, ob sie eher zu den Falken oder zu den Tauben gehöre. Erstere stehen für eine straffe Geldpolitik, die die Inflation im Zaum halten soll. Letztere gelten als Anhänger einer lockeren Geldpolitik, die eher die Konjunktur stimulieren soll. Sie selbst bezeichnete sich damals als Eule und ließ sich eine gewisse Weisheit zuschreiben.

Inzwischen trägt Lagarde trotzdem den Spitznamen „Madame Inflation“. Aus der Eule wurde eine Taube, die mit ihrer lockeren Geldpolitik die Finanzmärkte flutet. Das hat ihr Vorgänger auch gemacht. Bei all den Anforderungen vergisst sie eines jedoch nicht: Frauen zu fördern. Schon vor zehn Jahren auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos plädierte sie für mehr Gleichberechtigung mit den Worten: „Bringt Frauen an den Tisch und feiert sie!“ Gelernt hat sie das mit 25 Jahren von ihrer damaligen Vorgesetzten in der Kanzlei, die Frauen förderte, als Diversity noch nicht auf der Agenda stand. Berühmt ist Lagarde auch für ihre Treffen mit Frauen, die sie auf Reisen organisiert und bei denen Männer unerwünscht sind.

Es heißt sogar, sie habe immer eine Liste mit den Namen fähiger Frauen in petto, die sie bei Gelegenheit ins Spiel bringen kann. „Ich habe lange geglaubt, dass Arbeit und Kompetenz genügen, damit sich Frauen durchsetzen“, sagt sie. Aber das reiche wohl nicht. 

Und das Privatleben? Hat sie das überhaupt? Zumindest hat sie in ihren Dreißigern zwei Söhne mit dem Finanzanalysten Wilfried Lagarde bekommen. Als frischgebackene Partnerin bei Baker McKenzie brachte sie Pierre-Henri und Thomas zur Welt. Wobei sie angeblich bis zum letzten Tag der Schwangerschaft gearbeitet hat und nach wenigen Monaten Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt ist. Das in Frankreich gut funktionierende System der Crèche, also der frühen Betreuung in der Kinderkrippe, machte es möglich. Potenzielle Schuldgefühle und Überarbeitung inklusive.

„Will man Familienleben und Karriere zusammenbringen, muss man Fehler akzeptieren“, so Lagarde. Ihre Ehe wurde geschieden. Wilfried kümmerte sich in Paris um die Kinder, als Christine nach Chicago ging. Heute bewegt sie sich mit ihrem Jugendfreud, dem Unternehmer Xavier Giocanti, auf der weltweiten Bühne.

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