Nachehelicher Unterhalt und Scheidung gehören irgendwie zusammen wie Butter und Brot. Eher unbekannt ist, dass es bereits vor der Scheidung einen Anspruch auf Unterhalt gibt.
Von Ines Baur
Ein Gatte verlässt von heute auf morgen das gemeinsame Zuhause. Die Ehe ist zerrüttet. Wie kommt die vom Gatten finanziell abhängige Frau bis zum Scheidungstermin über die Runden? Nach dem Gesetz haben mittellose Eheleute Anspruch auf Trennungsunterhalt.
Wer hat einen Anspruch auf Trennungsunterhalt?
Gatten sind finanziell füreinander verantwortlich. Selbst wenn sie sich getrennt und die Scheidung beschlossen haben. Denn bis zur rechtskräftigen Scheidung sind sie verheiratet und damit in einer Wirtschaftsgemeinschaft. Kann die Gattin – meist sind es ja die Frauen – sich finanziell nicht selbst versorgen, hat sie im Trennungsjahr einen Anspruch auf Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB).
„Auf den Trennungsunterhalt kann man nicht verzichten, das ist rechtlich nicht möglich“, sagt die Münchner Anwältin Julia Ekdahl. „Nicht mal mit Ehevertrag kann man Trennungsunterhalt ausschließen.“ Ob und wieviel Trennungsunterhalt es gibt, sei eine andere Sache. Es müssten einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Das sind die Voraussetzungen
Erste Voraussetzung ist, dass die Eheleute verheiratet aber getrennt sind. Zweite Bedingung ist, dass eine Gattin oder ein Gatte alleine finanziell nicht über die Runden kommt und bedürftig ist. „Drittens muss der Partner genug verdienen, um den Unterhalt zahlen zu können“, sagt Ekdahl. Gerade in teuren Städten wie München stoßen Trennungspaare, die schlechter verdienen an ihre Grenzen. Der Selbstbehalt von 1.280 Euro (Stand 2022) muss für den Gatten, der in der Verantwortung steht zu zahlen, gesichert sein. Andernfalls fällt die Unterhaltszahlung aus.
„Oft ist es schwer vorstellbar, wie es ein getrenntes Paar schaffen soll, finanziell über die Runden zu kommen“, sagt Ekdahl. Das gelte für beide, denn immerhin seien ad hoc zwei Mieten zu zahlen und zwei Haushalte zu führen. Das koste einfach mehr Geld. Weiter gebe es nach der Scheidung einen nachteiligen Wechsel bei den Steuerklassen. „Mehr finanzielle Verpflichtungen und weniger Netto, eine schwierige Situation“, gibt die Anwältin zu bedenken.
Zurück in den Job Pflicht?
Nochmals das Thema ‘Geh doch arbeiten‘. Aus § 1361.2 BGB geht hervor, dass der nicht erwerbstätige Ehegatte – wenn möglich – arbeiten solle. Mit Blick auf die Betreuungssituation hierzulande ist das einfacher gesagt, als getan. Und dennoch empfiehlt die Expertin den Frauen so schnell wie möglich auf die Beine zu kommen. Das Trennungsjahr ist eine gute Gelegenheit, sich neu aufzustellen und auf das Leben „danach“ vorzubereiten. Weder Trennungsunterhalt noch der nacheheliche Unterhalt sichere in der Regel den Lebensstandard ab. „Es sei denn, man hat einen Bomben-Ehevertrag oder während der Ehe genug Vermögenswerte angehäuft.“
Wie wird Trennungsunterhalt berechnet?
Die Berechnung des Trennungsunterhalts funktioniert anders, als die des nachehelichen Unterhalts. „Ganz grob kann man sagen: Wer kein eigenes Einkommen hat, dem stehen drei Siebtel des bereinigten Nettoeinkommens des anderen zu“, sagt Ekdahl. Allerdings gäbe es von Region zu Region im Einzelnen feine Unterschiede bei den Berechnungen.
Unter bereinigtem Nettoeinkommen versteht man das Gesamteinkommen im Jahr vor der Trennung, abzüglich bestimmter Zahlungsverpflichtungen. Das Einkommen sind Lohn oder Gehalt bei Angestellten. Bei Selbstständigen berechnet es sich aus den Einkünften aus der selbstständigen Arbeit. Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld oder andere Boni, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Zinserträge, eventuell Steuererstattungen werden eingerechnet.
Abzugsfähig sind etwa Unterhaltszahlungen für Kinder, Kreditraten für die gemeinsame Immobilie oder Altersvorsorgebeiträge. Selbstständige dürfen Betriebsausgaben geltend machen, die das Nettoeinkommen enorm schmälern können. Bleibt Gattin oder Gatte nach der Trennung im gemeinsamen Haus wohnen, ist der Wohnvorteil zu beachten.
Wie hoch ist der Trennungsunterhalt?
Um eine Ahnung von der Größenordnung des Trennungsunterhalts zu bekommen, folgend zwei Beispiele:
- Das bereinigte Nettoeinkommen des Gatten ist 3.000 Euro. Bei der Drei-Siebtel Variante bekommt die nicht erwerbstätige Gattin 1.286 Euro.
- Das bereinigte Nettoeinkommen des Gatten ist 3.000 Euro. Die Gattin verdient 800 Euro. Hier berechnet man erst die Differenz zwischen den Einkommen, dann die Drei-Siebtel. Also 3.000 Euro — 800 Euro=2.200 Euro. Davon stehen der Gattin 3/7 zu, rund 940 Euro.
Geld und Kinder sind die häufigsten Streitthemen bei Scheidungen. Wer zahlen muss, möchte möglichst wenig zahlen. Wer Trennungsunterhalt fordert, möchte möglichst viel bekommen. Bestenfalls verständigen sich die Eheleute auf eine einvernehmliche Regelung. Egal aus wessen Blickwinkel betrachtet, macht eine anwaltliche Beratung Sinn. Den braucht es ohnehin für die Scheidung.
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