Brauchen Privatleute für eine Anschaffung mehr Geld als sie haben, nehmen sie einen Kredit auf. Unternehmen, Banken, Staaten und Kommunen steht ein häufig günstigerer Weg offen: Sie leihen sich Geld von Anlegerinnen und Anlegern, indem sie Anleihen herausgeben. Vom Handel mit Anleihen lebt unser gesamtes Wirtschaftssystem und damit wir alle. Zugleich kann Geld in Anleihen direkt oder indirekt investiert werden.
Von Gisela Haberer
Was sind eigentlich Anleihen?
Wollen sich Organisationen eine große Summe Geld am Kapitalmarkt leihen, stückeln sie diese in kleine Teilbeträge und verbriefen sie in Urkunden: früher auf Papier, heute elektronisch. Diese Urkunden nennt man Schuldverschreibungen oder Anleihen.
Nun nimmt wohl niemand die Schulden eines anderen auf sich, ohne zu wissen, was es im Gegenzug dafür gibt. Der Herausgeber einer Anleihe, der sogenannte Emittent, sagt daher von vornherein, wie lange er sich das Geld ausleihen will und was er während der Laufzeit an Zinsen zahlen wird. Darum heißen Anleihen auch festverzinsliche Wertpapiere.
Sie haben aber auch weitere Namen wie Bonds, Loans, Obligationen, Renten oder Pfandbriefe. Wie eine Anleihe genannt wird, richtet sich nach ihrem Emittenten: Schuldverschreibungen des Bundes werden häufig Bundesanleihen genannt; von Städten und Gemeinden Kommunalobligationen. Anleihen von Unternehmen heißen häufig Corporate Bonds. Hypothekenbanken bieten Anleihen als Pfandbriefe.
Seit wann gibt es Anleihen?
Bereits im Mittelalter haben Städte ihre Schulden über sogenannte Rentenbriefe finanziert. Der Begriff Rente leitet sich vom italienischen „la rendita“ ab, was Rente, aber auch Ertrag und Rendite bedeutet. Mit der Altersrente hat dies nur insoweit zu tun, als es auch bei diesen Renten um regelmäßige Zahlungen in meist gleicher Höhe geht. Da es für Anleihen Zinsen in vorab festgelegter Höhe gibt, heißen sie auch Rentenpapiere.
Früher bestanden Anleihen aus einer Urkunde auf Papier, dem sogenannten Mantel, und einem Bogen. Der Bogen war unterteilt in kleine Abschnitte, denen jeweils ein bestimmter Wert aufgedruckt war: die Höhe der vereinbarten Zinsen. Zum Zinstermin wurde der Abschnitt ausgeschnitten und beim Herausgeber eingereicht. Dieser zahlte daraufhin den versprochenen Zins.
Abgeleitet vom französischen Wort für ausschneiden, couper, wurden die kleinen Zinsabschnitte Coupon genannt. Coupon oder Kupon steht bis heute für den Zinssatz, der für eine Anleihe nominal vereinbart ist.
Wie lässt sich mit Anleihen Geld verdienen?
Anlegerinnen und Anleger können durch Zinsen und Kursgewinne Erträge erwirtschaften. Denn Anleihen müssen nicht über die gesamte Laufzeit gehalten werden. Sie können börsentäglich verkauft werden. Den Preis dafür, den sogenannten Kurs, bestimmen Angebot und Nachfrage.
Bei Auflage kostete eine Anleihe zum Beispiel 1000 Euro. Dies ist ihr Nennwert. Eine geringe Nachfrage kann ihren Kurs zum Beispiel auf 90 Prozent sinken lassen: Wer die Anleihe dann zu diesem Kurs kauft, muss nur 900 Euro zahlen, erhält aber dieselbe Verzinsung und am Laufzeitende den Nennwert in Höhe von 1000 Euro zurück. Das erhöht die Rendite.
Für Anleger, die Anleihen von der Ausgabe bis zur Rückzahlung halten, sind die Kursschwankungen belanglos. Sie erhalten die Verzinsung und am Ende 100 Prozent ihres eingesetzten Kapitals. Wurden 1000 Euro ausgeliehen, gibt es am Ende 1000 Euro zurück – unabhängig von der Kaufkraft, die 1000 Euro am Anfang und am Ende der Laufzeit haben.
Wie sicher sind Anleihen?
Das kommt darauf an. Grundsätzlich gelten Anleihen als relativ „sichere“ Geldanlage. Zum einen sind Anleihen über das Vermögen des Herausgebers abgesichert. Ein Unternehmen haftet für seine Anleihen, also für seine Schulden, mit seinen Grundstücken, Immobilien, Maschinen und allem sonstigen Betriebsvermögen. Die Pfandbriefe einer Hypothekenbank sind mit Grundstücken und Immobilien abgesichert.
Ein Staat steht für seine Schulden mit seinen Vermögenswerten ein, etwa Grundstücke und Gebäude, sowie mit der Steuerkraft seiner Bürgerinnen und Bürger. Daher können sich Staaten im juristischen Sinne nicht überschulden wie private Unternehmen.
Zweitens rangieren im Falle einer Pleite Inhaber von Schuldverschreibungen vor anderen Anlegern, etwa vor Aktionären. So weit die relative Sicherheit.
Trotzdem bergen auch Anleihen Risiken. Im Falle einer Pleite kann zu wenig Vermögen vorhanden sein, um alle Forderungen zu befriedigen. Bei Staaten kann es zu einem sogenannten Schuldenschnitt kommen. Dann müssen Anlegerinnen „freiwillig“ auf die Rückzahlung ihres verliehenen Geldes verzichten.
Wie sicher sind Zinsen und Rückzahlung?
Der Herausgeber einer Anleihe kann Zinsen und Rückzahlung nur leisten, wenn er genug Kapital erwirtschaftet. Wirtschaftliche Stärke und damit Kreditwürdigkeit des Herausgebers, seine Bonität, ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko einer Anleihe einzuschätzen. Die Bonität bewerten spezielle Ratingagenturen.
Das englische Wort „rating“ bedeutet Einschätzung, Einstufung, Beurteilung, aber auch Rangfolge, Klasse, Güte und Leistungsfähigkeit. Die drei größten und einflussreichsten Ratingagenturen, die Staaten, Banken und Unternehmen einschätzen, sind Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch.
An deren Urteilen können sich Anlegerinnen orientieren. Geben sie Wertpapieren das Gütesiegel „Investment Grade“ ist das Risiko, Geld zu verlieren, geringer als bei Papieren mit „Non-Investment-Grade“.
Wo liegen weitere Risiken?
Der nominale Geldbetrag, den die Anleihe bei Kauf kostete, hat am Tag der Rückgabe in der Regel weniger Kaufkraft. Die Inflation hat am Wert des Geldes geknabbert. Je länger die Laufzeit der Anleihe, desto stärker. Diesen Verlust sollen die Zinsen ausgleichen, die während der Laufzeit gezahlt werden. Das tun sie aber nicht immer. Je besser die Bonität des Emittenten, desto geringer die Zinsen, die er bieten muss.
Umgekehrt gilt: je höher das Ausfallrisiko, desto höher die Zinsen. Überdurchschnittlich hohe Zinsen für Anleihen sollten misstrauisch machen, unterdurchschnittlich niedrige nachdenklich. So muss zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland aktuell für ihre Bundesanleihen überhaupt keine Zinsen mehr zahlen. Null Zins hieß es für zehnjährige Bundesanleihen erstmals im April 2019, für 30-jährige im August 2019.
Inzwischen rentieren sämtliche vom deutschen Staat ausgegebene Anleihen im Minusbereich. Investoren leihen dem deutschen Staat also ihr Geld und zahlen ihm dafür noch eine Art Gebühr! Aktuell halten vor allem institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Lebensversicherungen Bundesanleihen, denn sie sind gesetzlich verpflichtet, ihr Geld „sicher“ anzulegen.
Bundesanleihen werden als „sicher“ eingestuft, obwohl nur noch eines sicher ist: Verlust. Private Anlegerinnen und Anleger können ausweichen: auf besser verzinste Anleihen oder auf andere Anlageklassen.
Was mindert die Risiken?
In Anleihen lässt sich auch über Fonds investieren. Das Fondsmanagement kauft vom Fondsvermögen Anleihen mehrerer Emittenten. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Emittenten ihre Schulden nicht begleichen können, ist äußerst gering. Fonds verringern also das Verlustrisiko. Fonds, die in Anleihen investieren, heißen auch Rentenfonds.
Wie die Geschichte der Anleihen zeigt, haben sie diesen Namen nicht, weil sie für die Rente wären, sondern, weil seit altersher regelmäßige Zinszahlungen auch Renten genannt werden (siehe auch Börsenserie Teil 6).
Alle Börsenserienteile auf einem Blick:
Mehr zum Thema Spekulieren gibt es in Teil 1 unserer Börsenserie.
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