Gerade mal 10,3 Millionen Bundesbürger und ‑bürgerinnen besitzen Aktien oder Anteile an Aktienfonds. Sie haben sich diese Geldanlage meist gezielt und bewusst ausgesucht. Doch auch die anderen rund 70 Millionen sind häufig in Aktien investiert, in der Regel indirekt: zum Beispiel über ihre private Lebens- oder Rentenversicherung oder über ihre betriebliche Altersversorgung. Nach einer gemeinsamen Studie der öffentlichen und einer privaten Uni in Frankfurt glauben viele Deutsche zu wenig über Aktien zu wissen, um darin zu investieren.
Von Gisela Haberer
Was sind eigentlich Aktien?
Eine Aktie stellt einen Anteil an einem Unternehmen dar. Wer eine Aktie kauft, erwirbt damit ein kleines Stück einer Firma. Ihm oder ihr gehört dann ein Anteil am Produktivkapital: ein Fleckchen Betriebsgelände, ein paar Ziegel der Firmenimmobilien, ein Bruchteil der Maschinen.
Die Aktie verbrieft den Unternehmensanteil. Aktionäre teilen damit das unternehmerische Risiko, haben aber auch einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Risiken und Chancen miteinander zu tragen: Das charakterisiert die Aktie von Anfang an.
Seit wann gibt es Aktien?
1602 gründeten niederländische Kaufleute eine Gesellschaft, die Handelsschiffe ausrüstete: die Verenigde Oostindische Compagnie (VOC). Sie erhielt von der niederländischen Regierung das Monopol für den Handel mit Asien. Provinzen, Städte und Kaufleute steuerten Kapital zur Schiffsausrüstung bei. Doch auf Dauer wollten sie das Risiko nicht allein tragen, andere sollten sich an dieser Aktion beteiligen.
Die „Pfeffersäcke“ genannten Gesellschafter boten Anteile an ihrem Unternehmen zum Kauf an – und damit die erste Aktie der Welt! Auf Niederländisch bedeutet „Actie“ Aktion, Handlung, aber auch Anspruch. Wer eine Aktie erwarb, hatte Anspruch, an Handelsgewinnen beteiligt zu werden – musste aber kein Geld nachschießen, falls Schiffe samt Ladung verloren gingen.
Aktien boten somit die Möglichkeit, das Risiko einer Investition auf den Einsatz zu beschränken. Begrenztes Risiko, aber Chance auf Gewinne – diese Idee überzeugte und eroberte die Handelswelt. Immer mehr Compagnien wurde gegründet, die sich schließlich nach der Beteiligungsform Aktiengesellschaften nannten.
Was kennzeichnet Aktiengesellschaften?
Im 19. Jahrhundert erhielten Aktiengesellschaften regelrechte Verfassungen. Einige der Grundsätze gelten bis heute. So müssen Aktiengesellschaften ihre Bilanzen veröffentlichen und ihren Geschäftsabschluss mit ihren Anteilseignern durchsprechen. Das geschieht auf der Hauptversammlung, dem jährlichen Treffen von Aktionärinnen, Aktionären, Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens.
Dort hat jede Aktionärin und jeder Aktionär Sitz und Stimme. Allerdings sind nicht alle Aktionäre gleich, sondern alle Aktien. Daraus folgt: Wer die meisten Aktien besitzt, hat am meisten zu sagen. So genannte Großaktionäre können auch private Personen sein.
Über 40 Prozent der Aktien des Autoherstellers BMW hält zum Beispiel eine Familie. Häufig sind Großaktionäre aber juristische Personen: zum Beispiel andere Aktiengesellschaften sowie Kommunen, Versicherungen oder Pensionsfonds. Zur Hauptversammlung werden Groß- und Kleinanleger eingeladen.
Im Prinzip genügt eine einzige Aktie, um zur Hauptversammlung zu kommen und
Rederecht zu erhalten. Das kann sich auch zunutze machen, wer öffentlich Kritik an der Geschäftspolitik äußern will, wie es zum Beispiel die „Kritischen Aktionäre“ regelmäßig tun.
Dürfen Aktionäre mitentscheiden?
Auf der Hauptversammlung wird über wichtige Grundsatzfragen einer Aktiengesellschaft abgestimmt. So billigen Aktionäre zum Beispiel das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat durch deren Entlastung – oder erwirken Änderungen. Sie wählen ihre Vertreter für den Aufsichtsrat, der den Vorstand kontrolliert, und legen fest, wie die Arbeit im Aufsichtsrat vergütet wird. Zudem entscheiden sie über die Verwendung der Gewinne mit: Etwa ob diese ganz oder teilweise als Dividende an die Aktionäre ausgezahlt oder wieder ins Unternehmen investiert werden.
Wo liegen Risiken und Chancen von Aktien?
Wie früher können auch heute Anleger ihr eingesetztes Geld komplett verlieren, falls die Aktiengesellschaft pleitegeht. Sie haben aber auch zwei Möglichkeiten, Erträge zu erwirtschaften: durch Dividenden und durch Kursgewinne.
Sind Aktien eines Unternehmens stark nachgefragt, steigt deren Kurs. Dann können Aktionäre profitieren, die Aktien zu einem niedrigeren Kurs gekauft hatten und später zu einem höheren verkaufen. Der Preisunterschied abzüglich Steuern ist ihr Gewinn.
Viele Aktiengesellschaften schütten einen Teil des Gewinns, den sie erwirtschaften, an ihre Aktionäre aus. Diese Gewinnausschüttung wird Dividende genannt. Sie fließt pro Aktie; je mehr Aktien jemand besitzt, desto mehr Dividenden fließen. Aktionäre haben allerdings keinen Anspruch auf regelmäßige oder feste Verzinsung ihres Einsatzes. Macht das Unternehmen Verluste, wird es keine Dividende zahlen. Läuft das Geschäft gut, kann die Dividende hoch ausfallen.
Um Dividenden mehrerer Unternehmen miteinander besser vergleichen zu können, wird die Dividendenrendite ermittelt. Sie ergibt sich aus der Teilung der Dividende durch den aktuellen Kurs mal 100. Die Dividendenrendite ist kein Zahlungsversprechen, sondern ein börsentäglich schwankender Wert. Bei den Konzernen, die im Deutschen Aktienindex (DAX) gelistet sind, liegt die Dividendenrendite derzeit im Schnitt bei gut drei Prozent.
Wo gibt es Dividenden?
Einigen Unternehmen gelingt es, jedes Jahr Dividenden auszuschütten und sogar deren Höhe kontinuierlich anzuheben. Unternehmen, denen dies 25 Jahre in Folge gelingt, werden in den USA Dividenden-Aristokraten genannt.
Doch die Höhe der Dividende ist nicht das einzige Kriterium. Wird zu viel Gewinn ausgeschüttet, kann das Unternehmen eventuell zu wenig in seine Zukunft investieren. Kontinuität, mehrfache Anhebung, aber auch Begrenzung der Dividendenhöhe sind Kriterien für den „Dividendenadel“, den zwei deutsche Publizisten für Aktienmärkte mehrerer Länder und Regionen ermitteln.
Brauche ich viel Wissen für Aktieninvestments?
Anlegerinnen können viele Informationen einholen, bevor sie Aktien kaufen – müssen es aber nicht. Experten stimmen in einem Punkt überein: Der Erfolg einer Geldanlage hängt großteils von der Verteilung des Vermögens auf unterschiedliche Titel und Anlageklassen an: Die Verteilung senkt das Verlustrisiko. Diese Verteilung können sich Sparerinnen abnehmen lassen, etwa indem sie in Fonds investieren: in passiv gemanagte ETF und in aktiv gemanagte Fonds (Börsenserie Teil 6 und 7).
Auch die Anlagedauer senkt das Risiko: Verluste werden sozusagen „ausgesessen“. Untersuchungen für die vergangenen 50 Jahre zeigen: Bisher hat noch niemand, der sein Geld 15 Jahre lang in globale Aktien investierte, die in Euro notieren, Verluste erlitten. Ebenso wenig Anlegerinnen und Anleger, die mindestens 13 Jahre lang im Deutschen Aktienindex investiert waren. Wurden die DAX-Aktien 15 Jahre lang gehalten, betrug die durchschnittliche Rendite pro Jahr knapp neun Prozent.
Findet uns auch auf: