Es war starker Tobak, unser erster Teil zu den Risiken von ETFs. Schauen wir jetzt auf die „konstruktionseigenen“ Unterschiede. Und was ETFs wirklich können, zum Beispiel in Sachen Performance im Vergleich zu aktiven Fonds.
Von Antje Erhard
Im ersten Teil unserer provokanten ETF-Recherche haben wir gesehen, dass ETFs mit ihrem derzeitigen Marktvolumen einen Crash nicht schlimmer machen, als er ohnehin ist. Ein Denkfehler lässt uns gern das Gegenteil annehmen: Viele Anleger:innen denken, ETFs investieren dann, wenn die Kurse steigen und verkaufen, wenn sie fallen. Richtig ist: ETFs investieren dann, wenn von den Anleger:innen neues Geld kommt ..Und sie verkaufen das, was die Anleger:innen an Anteilen zurückgeben.
Die heile Welt bekam allerdings mit einem Bericht der Bundesbank (hier nachzulesen) ein paar Risse: Die Bundesbank warten vor den Aktiva, also den Bestandteilen von ETFs, etwa dann, wenn der gewählte Index eine sehr risikoreiche Anlageklasse nachbildet.
Stopp Loss im Falle eines Falles?
Nützt denn ein Stopp Loss, wenn die Kurse fallen? Ein Stopp Loss ist eine automatische Verkaufsorder, die ausgelöst wird, wenn eine Aktie oder ein anderes Wertpapier auf genau dieses Niveau fällt. Und sei es auch nur für einige Momente. Doch verkauft wird das Wertpapier nicht unbedingt zu dem Wert aus dem Stopp Loss, sondern zu dem Wert, der als nächstes möglich ist. Das kann deutlich weniger sein. Wer langfristig orientiert ist, kann das aussitzen. Die Stiftung Warentest schreibt: „Für langfristig orientierte Anleger sind kurzfristige Marktverwerfungen kein Problem.“
Physisch oder synthetisch replizierende ETFs – Was ist für private Anleger:innen besser?
Viele Anleger:innen bevorzugen physisch replizierende ETFs vor synthetischen. Was ist der Unterschied? Die physischen ETF bilden einen Index originalgetreu in der gleichen Zusammensetzung und Gewichtung nach wie zum Beispiel der DAX zusammengesetzt und gewichtet ist. Bei einem sehr großen Index werden Teile davon gekauft, das ist eine Teil-Replikation. Hier gibt es automatisch Abweichungen zum Original in der Performance. Das ist der so genannte Tracking Error. Für eine bessere Performance können die ETF-Anbieter Wertpapiere aus den ETFs verleihen, zum Beispiel an Banken. Diese verkaufen die Titel und spekulieren darauf, die Titel später günstiger wieder zurückzukaufen. Fondsgesellschaften haben hier eine zusätzliche Ertragsquelle. Und das Portfolio kann unter Umständen besser dastehen als der Original-Index.
Dann gibt es noch synthetische ETFs, so genannte SWAP-ETFs (Engl. Swap: tauschen) Hier wird der Index (zum Beispiel der DAX oder MSCI World) über ein Tausch-Geschäft mit Derivaten abgebildet. Dadurch können ganz andere Titel in dem Index sein, als zum Beispiel der DAX im Original enthält. Der Swap-Partner – eine Bank oder ein Hedgefonds – muss aber sicherstellen, dass er die gleiche Performance wie der DAX erzielt, als wären die Original-Bausteine im ETF.
Im Groben funktioniert das so: Eine Fondsgesellschaft geht einen Tauschvertrag mit einer Bank ein. Sie muss sich nun nicht selbst um die Index-Nachbildung kümmern. Das macht der Tauschpartner, meistens ist das eine größere Bank. Solche Konstrukte werden immerhin mit Wertpapieren des Tauschpartners besichert. Der Swap darf ohnehin maximal zehn Prozent des Gesamtvolumens umfassen. Das begrenzt das Ausfall-Risiko bei synthetischen ETFs. Bei physischen liegt das Risiko eher in der Wertpapier-Leihe.
Swap-ETFs haben unterschiedliche Bezeichnungen, an denen sie erkennbar sind: Sie werden als „synthetisch“ oder „indirekt replizierend“.
Wichtig: ETFs sind Sondervermögen. Sie sind dadurch im Insolvenzfall des Anbieters genauso geschützt wie aktiv gemanagte Fonds.
Vorteile physischer ETFs
Viele Privatanleger:innen kennen den Unterschied zwischen physischen und synthetisch replizierenden ETFs nicht. Dabei haben physische Vorteile, sagt Sophia Wurm, Vice President bei SPDR ETFs Deutschland, und Kennerin des ETF- Marktes: „Physische ETFs haben den großen Vorteil, dass sie genau die Werte enthalten, welche der ETF abbildet. Das ist insbesondere für Privatanleger deutlich besser nachzuvollziehen als synthetische Produkte. Aber auch im Bereich der institutionellen Anleger geht der Trend ganz klar in Richtung physischer Replizierung. Auch die physische Replizierung hat aber ihre Grenzen. Zum Beispiel können Anleger hierbei nicht auf fallende Kurse setzen bzw. ihr Portfolio mit Hilfe solcher ETFs gegen Kursverluste sichern.“
Gerade aber in wenig liquiden Märkten wird oft synthetisch repliziert. Auch bei Indizes mit sehr vielen Titeln, etwa dem MSCI World mit 1.600 Aktien. Da wäre eine physische Nachbildung zu teuer, weil exakt alle 1.600 Titel gekauft werden müssten. Bei synthetischen ETFs könnten auch nur 200 oder 300 Titel im MSCI-ETF sein, am Ende muss nur die gleiche Performance herauskommen wie beim Original.
Performen ETFs schlechter als aktive Fonds?
Apropos Performance: Passive Strukturen sind so gut wie das Original, das sie abbilden. Genau dafür sind sie ja auch konzipiert. Und damit sollen Anleger:innen langfristig Vermögen aufbauen, statt kurzfristig zu spekulieren.
Nach einer Berechnung des Indexanbieters S&P Dow Jones haben in den vergangenen 15 Jahren rund 80 Prozent der aktiven Fonds den Vergleichsindex nicht geschlagen, von US- Standard-Aktien über Small Caps bis hin zu Wachstumstiteln.
Die gleiche Berechnung für Europa, allerdings „nur“ mit Daten über 10 Jahre, liefert das gleiche Bild für den Alten Kontinent: Abgesehen von italienischen und spanischen Aktien erreichten auch hier rund 80 Prozent die Benchmark (also den Vergleichsindex) nicht.
Das heißt: die meisten aktiv gemanagten Fonds performen langfristig schlechter als der Markt. Das liegt zum einen an den höheren Gebühren: Ein aktiver Fonds muss überdurchschnittlich gut laufen, um allein die Kosten von ca vier bis fünf Prozent wieder „einzuspielen“. Andererseits orientieren sich viele Fondsmanager auch oft an Indizes. Und sind damit so gut wie eben der Markt.
Boom spricht für ETFs
In Boomphasen entwickeln sich häufig ETFs besser als aktive Fonds, weil das Management aktiver Fonds nach einem Boom häufig vorsichtiger wird und gerade risikoreichere Assets wie Aktien dann reduziert. Kracht es an der Börse, sprich fallen die Kurse, sind häufig die aktiven Fonds besser. Sie investieren dann eher in Vermögenswerte mit geringeren Risiken zB defensivere Titel oder Anlagen, die dann ihre Stärken ausspielen. Anleihen zum Beispiel.
Wichtig ist, dass die ETFs, die wir für unser Portfolio auswählen, zu unserer Gesamtstrategie passen. Und das wir die auch durchhalten. Langfristig. Konsequent.
Gerade ruckelt es an den Börsen wieder: Jetzt also lieber ETFs verkaufen?
Sophia Wurm: „Das hängt grundsätzlich von der Marktmeinung jedes Einzelnen und dem persönlichen Anlagehorizont ab. Die Warnzeichen aus Produktionsausfällen, steigenden Rohstoffpreisen und hoher Inflation mehren sich allerdings. Anleger:innen sollten ihr Positionen also genau im Blick haben. Trotzdem ist es aktuell zu früh, um zum Verkauf zu blasen. So hat der DAX z.B. gerade (14.10.) seine 200-Tage Linie erfolgreich verteidigt und es besteht auch die Möglichkeit, dass es unter hohen Schwankungen seitwärts geht.“
Gibt es eine ETF-Blase?
Der ETF-Markt boomt. Nach wie vor. Auch wenn die Produkte gar nicht so einfach sind. Wenn jetzt immer mehr Anleger:innen in ETFs investieren, fürchten so manche Marktteilnehmer:innen eine Blasenbildung. Laut Statista betrug das weltweite ETF-Vermögen Ende 2020 rund 7.737 Milliarden US-Dollar, also 7,7 Billionen US-Dollar. Den Wert des weltweiten Aktienbestandes gab Statista per Ende 2019 mit 95,2 Billionen US-Dollar an. Es investieren also relativ wenige Anleger:innen in ETFs. Bewertungsblasen können nur bei den Bestandteilen eines ETFs entstehen. Derzeit sind die Bewertungen von einzelnen Märkten oder Branchen sicher hoch. Die Hülle ETF sagt darüber nichts aus.
Fazit: Bei aller Kritik, bei allen Risiken: ETFs sind sinnvolle Investments in einem breit aufgestellten Portfolio. Und wie immer gilt: Langfristig denken und handeln.
Courage-Tipp: In den nächsten Wochen beschäftigen wir von Courage uns nochmal gründlich mit ETFs: Wie finde ich die richtigen ETFs für mich? Welche Vor- und Nachteile haben sie? Oder doch lieber aktive ETFs?
Findet uns auch auf: