Jeder schiebt mal weg, auf oder vor sich her. Wie lässt sich Aufschieben vermeiden? Was hat es mit der Drei-Minuten-Regel auf sich? Kann Aufschieben chronisch und ein Problem mit schwerwiegenden psychischen Folgen werden?
Von Ines Baur
Laptop ist an, ein wichtiges Projekt in Arbeit. Fehlt nur noch ein Glas Saft aus dem Kühlschrank zum konzentrierten Arbeiten. Was liegt da zwischen den Joghurtbechern? Ein eingetrocknetes Stück Ingwer. Der Eisschrank gehört mal wieder ausgeräumt, aussortiert und gewischt. Das ist schnell erledigt, am besten gleich. Das Laptop fährt in den Ruhezustand. Erfolgreich prokrastiniert.
Was bedeutet Prokrastination?
Prokrastination kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: auf morgen schieben. Doch nicht alles, was wir auf- oder verschieben ist negativ besetzt. Wer etwa verschiebt, weil er Prioritäten neu setzt oder umstrukturiert, ist kein chronischer Aufschieber.
Zögert jemand dagegen sehr oft berufliche, akademische oder private Aufgaben heraus, kommt das dem Thema schon näher. Meist treten Ersatzhandlungen an die Stelle der eigentlich relevanten Tätigkeit. Bei Betroffenen bauen sich Stress und Unruhe auf, je länger sie aufschieben.
Warum prokrastinieren wir?
Menschen prokrastinieren aus unterschiedlichen Gründen. Aus purer Langeweile und Desinteresse am Projekt. Wegen einer inneren Aversion gegen Job oder Auftraggeber. Oder weil uns unterbewusst die Angst lähmt zu versagen. Um nicht komplett untätig zu sein und das Nichterledigen vor sich selbst zu rechtfertigen, gibt es Ersatzhandlungen. Das sind oft leichte Tätigkeiten, die schnellen Erfolg versprechen.
Prokrastination austricksen mit der Drei-Minuten-Regel
Wer einen Ausweg für die Aufschieberei sucht, findet unzählige Ratgeber und Ratschläge. Etwa, erledigte Aufgaben zu visualisieren. Dazu notiert man sich alle Tages-Aufgaben auf Post-Its und pappt sie rund um den Arbeitsplatz. Ist ein Thema abgearbeitet, landet das Haftie im Altpapier. Eine rituelle Handlung die sagt: Abgeschlossen! Gerne empfohlen sind auch strikte Timetables, Sich-Selbst-Belohnen, Störungen vermeiden oder Handlungen zu hinterfragen.
Gut klappen soll die Drei-Minuten-Regel. „Erledige die ungeliebten Aufgaben auf deiner To-Do-Liste, aber nur für drei Minuten”, rät Dr. Jennifer Wild, Psychologin und Professorin an der Oxford Universität. Die unangenehme Aufgabe anfangen und drei Minuten später sein lassen. Der Trick an der Sache: “Wer versucht, drei Minuten lang zu putzen, kommt aus der Vermeidungshaltung heraus und kann sich leichter auf die anstehende Aufgabe konzentrieren“, erläutert die Psychologin ihr Konzept auf dem Wissenschaftsfestival New Scientist Live. Nach drei Minuten sei kein Projekt abgeschlossen. Doch aus drei Minuten werden zwanzig, da die Wahrscheinlichkeit recht gering ist, nach 180 Sekunden hinzuschmeißen.
Selbsttest bei Prokrastination
Wer unter der eigenen chronischen Aufschieberei leidet und Nachteile in Studium oder Beruf hat, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Immerhin könne Prokrastination als Teil einer diagnostizierbaren psychischen Störung, wie einer Depression, einer Angststörung oder bei Aufmerksamkeitdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) auftreten, informiert die Prokrastinationsambulanz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dann sei die Behandlung der primären psychischen Störung Voraussetzung für die Behebung der Arbeitsstörung.
Im Umkehrschluss könne das chronische Aufschieben das psychische Wohlbefinden stark beeinflussen und zur Ursache für psychische Belastungen und Symptome werden. Wer wissen möchte, ob sein Verhalten pathologische Züge hat, kann den anonymen und kostenlosen Selbsttest der Prokrastinationsambulanz machen.
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