Nach ihrem Schulabschluss hat Susanne Weber Brauerin und Mälzerin bei Paulaner in München gelernt. Das ist in diesem September 15 Jahre her. Heute ist sie selbst Ausbildungsleiterin und begleitet junge Frauen und Männer durch ihre Lehrjahre. Wir haben sie gefragt, wie sie die Ausbildung in einem männerdominierten Beruf erlebt hat, welche beruflichen Erfahrungen sie in Amerika und der Schweiz sammeln konnte und was ihr die Tätigkeit als Ausbildungsleiterin bedeutet.
Von Isabell Angele
courage-online.de: Frau Weber, Sie haben bei Paulaner die Ausbildung zur Brauerin & Mälzerin absolviert. Wie kam es dazu?
Susanne Weber: In meinem Abschlussjahrgang waren Berufe wie Zahnarzthelferin oder Industriekauffrau sehr beliebt, aber das hat mich damals gar nicht interessiert. Ich wollte eigentlich Polizistin werden, leider hat das nicht geklappt. Da mein Großvater Bierbrauer war, kam mir schließlich die Idee, Praktika in Brauereien zu absolvieren. Unter anderem war ich bei Paulaner. Dort war eine junge Frau in der Ausbildung, was damals noch nicht so selbstverständlich war, und sie hat mir ganz ehrlich von ihren Erfahrungen berichtet. So habe ich den Entschluss gefasst, mich für eine Ausbildung zu bewerben.
Woran liegt es, dass sich tendenziell wenige Frauen für den Beruf entscheiden?
Mein Eindruck ist, dass noch immer viele Frauen vor einer männerdominierten Branche zurückschrecken. Außerdem verbindet man mit einer handwerklichen Ausbildung, wie es auch die zum Brauer und Mälzer ist, schwere körperliche Arbeit. Ich glaube auch, dass viele Frauen Sorge haben, dass sie den Respekt, den sie in diesem Beruf brauchen, nicht bekommen.
Was unternehmen Sie gegen solche Vorurteile?
Wir versuchen aktiv gegen diese Klischees zu arbeiten. Zum Beispiel sind wir immer beim Zukunftstag dabei, wo Mädchen die Möglichkeit haben, sich die Arbeit in einer Brauerei anzuschauen und sich ein eigenes Bild davon zu machen. Außerdem arbeiten wir eng mit der IHK zusammen. Wir wollen den jungen Frauen zeigen, dass sie hier die gleichen Chancen haben, wie ihre männlichen Kollegen. Es ist ja auch nicht mehr so, dass man ständig schwere Fässer schleppen muss.
War es für Sie als Frau schwierig, sich in diesem männerdominierten Beruf durchzusetzen?
Es war nicht einfach. Das lag aber auch am Start in die Berufswelt allgemein. Ich kam gerade frisch aus der Schule und das behütete Schulleben war vorbei. Ab sofort musste ich um 6 Uhr zur Arbeit antreten. Das fiel mir am Anfang nicht leicht. Aber auch die Zusammenarbeit mit den älteren Gesellen lief nicht immer reibungslos. Sie kamen einfach noch aus einer ganz anderen Zeit und für sie war es ungewohnt, mit einer Frau zusammenzuarbeiten, die Brauerin und Mälzerin lernen wollte. Ich war damals kurz davor, die Ausbildung abzubrechen. Aber zum Glück habe ich es durchgezogen. Ich hätte das wahrscheinlich gar nicht mit meinem Stolz vereinbaren können. Danach habe ich mit dem Meister weitergemacht. Mein Vater hat damals immer gesagt: Wenn ich ein Handwerk lernen möchte, muss ich auch einen Meister machen. Heute habe ich sogar zwei. Ich bin Braumeisterin und außerdem Brau- und Getränketechnologin. Ich habe mit dem Beruf meine Passion gefunden und bin Braumeisterin mit Herz und Seele.
Hat sich die Situation für Frauen bis heute geändert?

Susanne Weber, Braumeisterin und Brau- und Getränketechnologin, © Paulaner
Absolut! Die Männer werden immer offener, wenn ihnen eine junge Frau im Brauer und Mälzer Handwerk begegnet. Meines Erachtens hat aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden, sodass sich auch immer mehr Mädchen für eine solche Ausbildung entscheiden. Mittlerweile haben wir in fast jedem Ausbildungsjahrgang mindestens eine Frau. Und das zahlt sich aus: In den vergangenen drei Jahren haben mit Theresa Seidl und Annalena Ebner gleich zwei Brauerinnen in Ausbildung die Münchner- und Südbayerischen Braumeisterschaft gewonnen. Beide kamen von Paulaner und das erfüllt mich mit Stolz.
Wie kann man sich die Ausbildung vorstellen?
Wir bilden in einem dualen System aus. Die Auszubildenden befinden sich während ihrer Ausbildungszeit im Wechsel in der Berufsschule und im Betrieb.
In der Betrieblichen Phase durchlaufen sie alle Phasen der Bierherstellung von der Rohstoffannahme bis hin zur Abfüllung des Bieres. Für mich ist es sehr wichtig, ihnen die Vielfältigkeit und alle Aspekte des Bierbrauers zu vermitteln. So kommen sie neben der klassischen Ausbildung am Braukessel unter anderem eine Woche zur Hopfenernte zu einem Hopfenbauern, in die Mälzerei, in unsere Brauhäuser und teilweiße zur Holzfassherstellung. So sollen sie das Zusammenspiel von Brautradition und moderner Technik verstehen.
Durch ihren Job sind Sie viel herumgekommen. Wie kam es dazu?
Nach meinem Ausbildungsabschluss ging ich für ein Jahr in die USA. Möglich war das durch ein einjähriges Stipendium im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafprogramms, das vom Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Deutschen Bundestag im Rahmen des 300. Jahrestag der ersten deutschen Einwanderung ins Leben gerufen wurde. Für mich war es eine Chance, meinen erlernten Beruf aus einer anderen Perspektive zu sehen. Gearbeitet habe ich in einer kleinen Gasthausbrauerei in St. Louis, Missouri. Die Herausforderung als bayerische Brauerin war es, nicht nach dem Reinheitsgebot zu brauen. Bier aus Haferflocken zu brauen war für mich im ersten Moment unvorstellbar. Die Zeit in den USA hat mich rückblickend persönlich und beruflich enorm geprägt und meinen Horizont in den verschiedensten Bereichen erweitert.
Wie ging es danach weiter?
Im Anschluss an meinen einjährigen USA-Aufenthalt ging es für mich auf die Doemens Akademie in München. Hier absolvierte ich meine Meisterausbildung zur Betriebsbraumeisterin und Brau-und Getränketechnologin. Es waren zwei Jahre Weiterbildung mit viele Höhen und Tiefen, die aber mit meiner ersten Anstellung als Braumeisterin in der Schweiz gekrönt wurden. Hier profitierte ich von den Erfahrungen aus den USA, in einer kleinen Brauerei zu arbeiten in einem Land, wo es kein festgelegtes Reinheitsgebot gibt. Mein erster Auszubildender und ich reparierten Schrotmühlen, brauten fleißig Bier für insgesamt sieben Restaurants und füllten jede Flasche Bier per Hand. Diese Zeit war sehr anspruchsvoll, aber für mich persönlich sehr prägend. Ich habe gelernt, gelassener zu sein. Und natürlich macht es einen unheimlich stolz, nach getaner Arbeit die Stammgäste zu sehen und man weiß genau sie genießen gerade dein Bier.
Schließlich sind Sie wieder zu Paulaner zurückgekehrt.
‚Einmal Paulaner, immer Paulaner‘. Die Brauerei hatte immer einen Platz in meinem Herzen, und so hat es mich sehr gefreut, als ich 2016 die Chance hatte, wieder ein Teil der Brauerei-Familie zu werden. Ich bin im Bereich der Brauspezifischen Mikrobiologie tätig und seit 2017 zusätzlich Ausbildungsleiterin der Brauer und Mälzer.
Was gibt Ihnen die Tätigkeit als Ausbildungsleiterin?
Die Arbeit mit den jungen Menschen liegt mir sehr am Herzen. Es gibt mir sehr viel, sie auf dieser dreijährigen Reise zu begleiten. Am schönsten sind die Tage, an denen bei der IHK die Ausbildungsergebnisse verkündet werden. Dieser Moment, wenn man die Freude und Erleichterung auf den Gesichtern der frischgebackenen Brauerinnen und Brauer sieht, ist wunderbar.
Was müssen Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zum Brauer & Mälzer mitbringen?
Hilfreich sind gute Noten in Chemie, Biologie und Physik. Aber mir persönlich ist besonders wichtig, dass mir die Bewerberinnen und Bewerber im Gespräch das Gefühl geben, dass sie den Beruf wirklich lernen wollen. Vor der Corona-Pandemie hat es mir einen guten Anhaltspunkt gegeben, wenn vorab ein Praktikum in einer Brauerei absolviert wurde. Diese Möglichkeit hatten die jüngsten Bewerber oftmals nicht. Bei ihnen wollte ich sehen, dass sie sich anderweitig gut über den Beruf informiert haben.
Apropos Corona-Pandemie: Hat diese Zeit den Bierkonsum beeinflusst?
Als die Gaststätten geschlossen waren und auch die Biergärten nur phasenweise geöffnet hatten, ist der Heimkonsum deutlich angestiegen. Damit wurde natürlich auch mehr Flaschen- als Fassbier gekauft. Jetzt, wo die Lokale ihren Betrieb wieder wie gewohnt aufnehmen konnten, hat sich das wieder normalisiert. Die Menschen haben sich danach gesehnt, wieder in Gaststätten und Biergärten zu kommen.
Was würden Sie jungen Frauen, die das Brau- und Mälzer-Handwerk lernen wollen, mit auf den Weg geben?
Traut euch, sonst verpasst ihr den womöglich spannendsten Beruf der Welt!
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