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Mobbing im Beruf: Albtraum, Konsequenzen und Möglichkeiten

Mobbing im Beruf Tipps
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Fast 30 Prozent der Deutschen geben an, schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein. Doch wo fängt Mobbing eigentlich an? Sind Frauen öfter betroffen? Und welche Möglichkeiten haben sie, sich aus ihrer Lage zu befreien? Courage hat mit Betroffenen und Expertinnen gesprochen.

Von Michaela Stemper

Als Berufsanfängerin hätte ich nie gedacht, dass es Menschen gibt, die über Leichen gehen.“ Christina Astor schüttelt den Kopf, als sie sich an ihre Zeit als Communications-Assistentin bei einem DAX-Konzern erinnert. Sie zählt zu den knapp 30 Prozent der Menschen in Deutschland, die laut Analysen von Statista und YouGov Mobbing am Arbeitsplatz am eigenen Leib erfahren haben.

Mobbing – keine® von uns will das durchmachen. Aber wo fängt es überhaupt an? Mal findet es offen, häufiger aber hinter dem Rücken der Betroffenen statt. Systematisch suchen Vorgesetzte, Kollegen oder Kolleginnen Fehler an einwandfreier Arbeit, verschweigen bewusst Informationen oder grenzen Personen aus. Für die Opfer ist es schwer, zwischen einem einzelnen Konflikt und gezieltem, kontinuierlichem Mobbing zu unterscheiden. Der Grat ist schmal. Fest steht aber: Für Betroffene wird der Job-Alltag oft zum Albtraum.

Fast 30 Prozent der Deutschen geben an, schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein.

So wie bei Christina: der erste Job, die erste Chefin. Die war bis zu Christinas Einstellung das letzte Glied in der Hierarchie-Kette. Mit der frischgebackenen BWLerin hatte sie nun jemanden unter sich. „Zunächst tat sie vertraulich, verriet mir Interna und pikante, private Details. Es war unangenehm“, erinnert sich Christina. Für die Teamleiterin ein Loyalitätstest. Würde etwas durchsickern? Stand die Neue bedingungslos zu ihr? Diese Spielchen verunsicherten Christina, die kaum noch wusste, wann sie was äußern durfte. Gleichzeitig rannte sie wie ein Hamster, um alle Aufgaben zu erledigen – und erntete selbst für Nichtigkeiten bitterböse Blicke. „Meine Teamleiterin kümmerte sich um Tratsch, Intrigen und Unternehmenspolitik. Weniger um Fachliches. Passierten Fehler, wurde das auf mich abgewälzt. Der Chef der Abteilung lebte diesen Umgang vor. Die Teamleiterin wollte dazugehören“, erzählt die heute 45-Jährige.

„Wer sich selbst klein fühlt, muss sich ganz groß machen, um sich selbst zu spüren. In der Analyse erleben wir, dass narzisstische Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle spielen“, erklärt Coachin Irina Wascheck vom Wiesbadener Verein „BerufsWege für Frauen“, der Frauen in der Arbeitswelt unterstützt. Mobbing ist ein Thema, das in den Beratungen oft einen großen Raum einnimmt. Und ihre Kollegin Kirsten Walther ergänzt: „Auch wenn Statistiken einen hohen weiblichen Anteil an Betroffenen verzeichnen, ist Mobbing kein rein weibliches Problem. Die männlichen Fälle sind nur geringer abgebildet.“

Wie im Film „Der Teufel trägt Prada“ waren die Anforderungen der Vorgesetzten an Christina unanständig hoch – und ihr Eifer, diese zu erfüllen, noch höher. Dieses Mobbing von Vorgesetzten hat einen Namen: Bossing. Degradierungen sind an der Tagesordnung. Als Christina vor einem Außenstehenden runtergeputzt wird, fragt dieser: „Werden Sie immer so behandelt?“ Sie beschwichtigt. Eine Reaktion, die Mobbing-Opfer häufig zeigen. „Nicht nur ich wurde zur Zielscheibe, auch andere traf es. Menschen, die nicht intrigant waren, die Empathischen und Ehrlichen“, beschreibt sie die Stimmung.

Hilfe bei Mobbing: Coaching oder Therapie?

Wer sich gemobbt fühlt, kann sich an interne und externe Beratungsstellen wenden. Etwa Gleichstellungsbeauftragte, den Betriebsrat, Coaches oder eben Vereine wie BerufsWege. Hier kann frau im geschützten Raum ihre Probleme frei schildern. Der Begriff Mobbing wird dabei erst verwendet, wenn die Betroffene ihn selbst benutzt oder beschreibt. Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme: Was hat die Frau erlebt? Zudem wird das eigene Verhalten gespiegelt. Hat sie es den Tätern womöglich unbewusst erleichtert, sie zu mobben? Geklärt wird auch die Frage: Überlegt die Betroffene schon zukunftsgerichtet, wie sich das Problem lösen lässt? Oder drehen sich ihre Gedanken vor allem um die eigenen schmerzhaften Erlebnisse der Vergangenheit. Im ersten Fall ist ein Coachingprozess und Resilienztraining sinnvoll. Im zweiten legen Fachleute den Betroffenen eher eine Therapie ans Herz.

„Stay at home and enjoy your kids“

Auch der selbstbewussten Claudia Allonas passierte es: Die dreifache Mutter wollte 2019 früher aus der Elternzeit in ihren Vertriebsjob bei einem hessischen Mittelständler zurückkehren. Sie bat darum, in der Personalplanung berücksichtigt zu werden. Zwar war ihre alte Stelle durch eine Umstrukturierung weggefallen. Doch die Logistikerin zeigte sich flexibel, ging auf den neuen Vertriebschef zu und bot ein unverbindliches Treffen an. „Ich wollte zeigen, wer ich bin, und ausloten, wo ich einsetzbar wäre“, erklärt sie.

Unerwartet erschien der Vertriebschef mit einem weiteren Manager. „Es artete in ein knallhartes, englischsprachiges Bewerbungsgespräch aus, auf das ich nicht vorbereitet war“, sagt sie. Der neue Chef wehrte ab. Er könne Claudia nicht einsetzen, weil ihr die nötige Erfahrung fehle. Obwohl Kollegen bestätigten, dass die BWLerin durchaus hätte eingearbeitet werden können. Auch beim zweiten Gesprächspartner, einem Supply Chain Manager, konnte sie nicht punkten. Teilzeitstellen seien durch die Reisetätigkeit undenkbar, beschied er. Deshalb schlug die heute 40-Jährige ein Tandem aus zwei Stellen vor: Während eine Kollegin oder ein Kollege reiste, hätte sie den Innendienst gestemmt.

Hatte Claudia bislang schon das Gefühl, gegen Wände zu laufen, begann nun schrittweise die Demontage: Angeblich fehlte es der toughen Teilzeitkraft an Durchsetzungsstärke. Dabei hatte sie schon früher bewiesen, dass sie sich in schwierigsten Verhandlungen im Interesse der Firma durchsetzen konnte. Schließlich bot sie sogar an, in Vollzeit zurückzukehren, während sich der Ehemann um die Kinder kümmert. In diesem Moment brach die argumentative Fassade des Managements vollends zusammen. „Stay at home and enjoy your kids“, bekam sie als Antwort.

„Dieser Job geht nicht mit Kindern.“ Sie fühlte sich kaltgestellt und rausgemobbt.

„Im Hintergrund schien mehr gelaufen zu sein, als ich von außen sehen konnte“, schlussfolgert Claudia heute. Interne Unterstützung gab es kaum: Die Personalabteilung mauerte. Die Anfrage beim Betriebsrat verlief im Sand. Und obwohl das Management so abweisend reagiert hatte, fasste sie zwei Monate später noch mal nach. Erneut traf sie die Antwort wie ein Schlag ins Gesicht : „Dieser Job geht nicht mit Kindern.“ Sie fühlte sich kaltgestellt und rausgemobbt. „Als Mutter bekam man einen Aussortiert-Stempel aufgedrückt. Macho-Sprüche waren an der Tagesordnung. Auch eine Kollegin, die sich in Vollzeit zurückkämpfte, hatte es schwer“, erzählt sie. Coachin Irina Wascheck bestätigt: „Es scheint, als gäbe es hier unternehmensintern negative Glaubenssätze, die sich schwer lösen lassen.“

Sechs Monate später zieht Claudia den Schlussstrich unter das traurige Kapitel. „Ich wollte mit Vorgesetzten, die mich wie Dreck behandeln, nicht mehr arbeiten“, sagt sie. Mit einer Abfindung gründet sie ein Recyclingunternehmen, das sie so führt, wie sie sich das damals gewünscht hätte: mit Wertschätzung. Auch Expertin Wascheck sagt, dass es oft besser sei, die Reißleine zu ziehen: „Manchmal brauchen wir diese ‚Arschloch-Engel‘ für eine berufliche Umorientierung. Das hat sicherlich den Impuls zur Gründung gegeben.“

Bauchschmerzen und Schlaflosigkeit als Symptome für Mobbing

Die Lösung für Teamassistentin Christina ließ indes auf sich warten: Ein Jahr lang biss sie sich durch. Als Unternehmerkind war sie es gewohnt, sich einiges abzuverlangen. „Stell dich nicht so an“, sagte sie täglich zu sich. Das eigene Mindset kann einen manchmal noch stärker in die Opferrolle hineindrängen. Ihre Vorgesetzte kritisierte weiterhin systematisch ihr Verhalten. Bei „Ungehorsam“ drohte Strafe. So wurde Christina teils tagelang ignoriert. „Ich wollte mich so verhalten, wie sie es erwartete. Hängte mich rein, um Anerkennung zu bekommen“, sagt sie. Zu Hause konnte sie kaum erklären, was am Arbeitsplatz geschah, quälte sich mit Bauchschmerzen, schlief kaum noch. Die BerufsWege-Coachinnen kennen solche Situationen: „Das macht auf Dauer krank. Gerade die Erfahrungen in der ersten Arbeitsstelle prägen ein Leben lang.“ Christinas Freund erkannte die Wesensveränderung, sprach sie darauf an, war aber machtlos. Er ahnte, dass sie noch tiefer sinken musste, um aufzuwachen.

Dazu kam es ein Jahr später. Bei einer Tagung in Österreich folgte der Eklat. Zuerst empörte sich die Vorgesetzte, als die Assistentin ein Zimmer mit Badewanne und Aussicht bekam. Als Christina die Schreibblöcke nicht akkurat auslegte und den Tesafilm vergessen hatte, waren das für die Chefin „Katastrophen“. Christina war zermürbt: „Erfuhr ich von Tagungsgästen Wertschätzung, wurde ich wie Aschenputtel weggeschickt.“ Als Höhepunkt ließ die angetrunkene Vorgesetzte die junge Mitarbeiterin schließlich die große Rechnung für die Abendveranstaltung abzeichnen, obwohl diese keine Ahnung hatte, welches Budget dafür vereinbart war. Gedemütigt weinte Christina auf dem Zimmer. Einer Kollegin vertraute sie sich an. Die informierte erschrocken den Vorstand. Am nächsten Morgen stand er im Büro: „Guten Morgen, Sie Sonnenschein. Wie geht es Ihnen? Ich wollte mich bei Ihnen für Ihre Leistung bedanken“, sagte er zu Christina. Die Leiterin würdigte er keines Blickes. Daraufhin brach die Hölle richtig los. Der Abteilungsleiter wies die Mobberin an, die „Nestbeschmutzerin“ abzuservieren. „Pack deine Sachen. In zwei Stunden geht dein Rückflug“, hieß es. Über den Wolken fühlte sich Christina befreit. Zu Hause angekommen, schrieb sie ihre Kündigung.

„Ich habe zu viel mit mir machen lassen, war zu angepasst. Ich rate Menschen in dieser Situation, Konflikte direkt anzusprechen und sich an Vertrauenspersonen zu wenden“, resümiert sie heute. Und sie hat aus der Situation ihre Schlüsse gezogen. „Bei weiteren beruflich erfolgreichen Stationen habe ich mich jeden Morgen für Courage statt Komfort entschieden. Heute unterstütze ich Menschen dabei, persönlich zu wachsen.“

Mobbing in sozialen Berufen

Die beiden Fälle erwecken womöglich den Eindruck, Mobbing sei nur ein Thema in der „knallharten“ Wirtschaftswelt. Beileibe nicht: Auch in sozialen Berufen wie Pflege und Erziehung wird hinter dem Rücken intrigiert, ausgegrenzt und manipuliert. Die Recherchen zu diesem Beitrag förderten Mobbing-Vorkommnisse vom Kindergarten bis zur Universität zutage.

Eine Betroffene war Milena Klein, die ihren Namen lieber nicht in der Presse lesen will, weshalb wir ihn geändert haben. Mit Anfang 30 arbeitete die studierte Pädagogin in einer Doppelrolle an einer Grundschule – angestellt vom Förderverein als pädagogische Fachkraft für den Unterricht, aber auch als Qualitätsmanagerin. Sie brachte neue Ideen ein, stellte aber auch unbequeme Fragen zur straffen, fast militärischen Organisation der Einrichtung. „Die Schulleitung vertrat die Ansicht, dass selbst Lehrer wie Kinder seien und auch so behandelt werden müssten. Nichts gegen einen autoritären Führungsstil, aber mit natürlicher Autorität hatte das nicht viel gemein“, erklärt die leidenschaftliche Pädagogin. Ähnlich wie bei Christina Astor schmeichelte die Vorgesetzte, um Mitarbeitende zu manipulieren. „Gemobbt wurde subtil. Wer nicht parierte, erntete böse Blicke. Niemand wehrte sich. Ein gemeinsames Sich-stark-Machen gegen das Bossing gab es nicht. Die meisten heulten sich regelmäßig in der Küche aus“, beschreibt die heute 46-Jährige die Situation.

Als Milena von der Schulleitung aufgefordert wird, den Fall eines in ihren Augen hochaggressiven Kindes unter den Teppich zu kehren, und dennoch beim Schulamt um Hilfe bittet, eskaliert die Lage. Für die um den Ruf besorgte Schulleiterin war das ein No-Go. Milena gibt zu, dass sie heute vielleicht anders handeln würde. Der Vorfall zeigt, wie schwer es für die Betroffenen ist, sich weiterhin korrekt zu verhalten, ohne sich selbst zu verraten. „In Teilen hat Milena Grenzen überschritten“, sagt auch Coachin Wascheck, „geschuldet ihrer Doppelrolle in einem maroden System sind solche Konflikte allerdings unvermeidbar.“

Der ungewollte Exit entpuppte sich als Glücksfall

Milena wird danach im Sekretariat zu Schreibarbeiten verdonnert. „Das lasse ich mir nicht gefallen, dachte ich mir. Also betrat ich meine erste Klasse, wurde aber von der wütenden Direktorin mit hochrotem Kopf des Raumes verwiesen. Was dann passierte, ließ mir das Herz aufgehen: Wie im ‚Club der toten Dichter‘ skandierten die Kinder meinen Namen und trommelten mit den Händen auf die Tische“, erzählt sie. Geholfen hat es nicht. Milena wurde per Freistellung aus der Schule entfernt. Ihr Freund brachte sie zur Psychologin, die Psychopharmaka verordnete. Das Rezept löste sie nie ein. Der ungewollte Exit entpuppte sich als Glücksfall: Sie macht sich kurz danach selbstständig, baut eine Lernwerkstatt auf. „Heute würde ich selbstbewusster mit der Situation umgehen, sie schneller beenden und anders auf Kolleg:innen zugehen. Vor allem akzeptieren, dass ich ein krankes System allein nicht ändern kann“, sagt sie.

So haben Milena, Claudia und Christina letztlich den Exit aus ihrem Job gewählt. Die Expertinnen von BerufsWege wollen Frauen Mut machen: „Sich gegen Mobbing zur Wehr zu setzen ist nicht leicht. Aber es lohnt sich, Konflikte direkt anzusprechen und sich Hilfe zu suchen. Wer es schafft, aus solchen Situationen Learnings zu ziehen, kann daran wachsen. Denn resilientes Verhalten bedeutet, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Und in sich selbst zu investieren.“

Interview zum Thema Mobbing im Beruf: „Man muss sich wehren!“

Gibt es Menschen, die leichter zu Mobbing-Opfern werden? Und was können Betroffene tun? Wir fragen Fiona Waltraud Berle, die seit mehr als 20 Jahren als Coach arbeitet.

Umfragen zufolge hat schon jeder Dritte Mobbing im Job erlebt. Betrifft es eher Frauen oder Männer?

Mobbing ist der Versuch von Menschen, über andere Menschen Macht auszuüben. Das läuft über Tratsch, üble Nachrede, Schikane aller Art, auch Ausgrenzung aus einer Gruppe. Das sind tendenziell weibliche Strategien. Männer agieren in der Regel offensiver. Es gibt allerdings auch Männer, die diese weiblichen Strategien anwenden. Es scheint, dass Frauen häufiger mobben und gemobbt werden als Männer. Aus psychologischer Sicht: Souveräne Menschen mobben nicht. Menschen, die andere quälen, sind selbst schwache Persönlichkeiten, die sich aus Unsicherheit an vermeintlich noch Schwächeren abreagieren.

Gibt es typische Verhaltensmuster? 

Unterlegen wirkende Menschen sind leichte Opfer. Sie haben latent Angst, zum Opfer zu werden, und strahlen das aus. Sie provozieren unbewusst. Es ist wie eine Selffulfilling Prophecy: Wer mit eingezogenem Kopf durchs Leben geht, den Blick abwendet, wird leichter gemobbt. Frauen speziell zeigen ihre Unsicherheit zum Beispiel durch Griffe ins Gesicht, in die Haare. Die Körperhaltung, Gestik, Mimik sagen: „Sorry, dass ich auch da bin.“ 

Woher kommt dieses Verhalten?

Verhaltensweisen werden in der Kindheit geprägt. Erleben Kinder Herabsetzung, machen sie die Erfahrung, sich nicht wehren zu können. Sätze wie „Allein bist du nicht lebensfähig“ oder „Stell dich nicht so an“ wirken nach und trüben die gesunde Wahrnehmung. Auch kann es sein, dass man Mutter oder Vater als machtlos erlebt und die „erlernte Hilflosigkeit“ unbewusst nachahmt.

Was passiert mit den Betroffenen?

Es beginnt mit Verunsicherung. Der Boden wankt, und man denkt: „Was ist hier los?“ Wenn man nichts unternimmt, führt das zu echten Selbstzweifeln. Der Stress wiederum führt zu Vermeidungsverhalten, sodass Betroffene nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Oder nur noch funktionieren. Manche können sogar in eine Depression absacken, wenn sie keinen Handlungsspielraum mehr sehen.

Wie durchbricht man den Teufelskreis? 

Zunächst muss man wahrnehmen was passiert, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Und dann muss man seiner Wahrnehmung trauen. „Ich bin nicht blöd, xy ist wirklich hinterhältig.“ Dann sucht man sich Vertraute, denen man sich mitteilt, privat und im Arbeitsumfeld. Wohlmeinende, die einen unterstützen. Wenn alles nichts nützt, empfehle ich den Weg zum Anwalt, denn Mobbing und Stalking sind Straftaten. Man darf und muss sich wehren! Grundsätzlich gilt die Devise: Change it, love it or leave it. 

Stichwort Resilienz: Gibt es eine Art Schutzschild gegen Mobbing, der sich antrainieren lässt?

Mobbing kann jedem passieren. Kommt es mehr als einmal vor, ist es ein Muster. Das Gute an Mustern ist: Man kann sie ändern. Und das ungute Erlebnis zum Anlass nehmen, das eigene Handeln zu reflektieren. Warum betrachten mich andere als Opfer? Wie kommt das?
Was kann ich ändern? Das schafft man nicht allein, dafür sollte man sich helfen lassen: von einem Coach oder Psychotherapeuten mit lösungsorientierten Methoden der „positiven Psychologie“. Daraus erwächst Stärke, sodass Mobbing keine Ansatzpunkte mehr hat.

Verdacht auf Mobbing im Beruf – so gehen Sie vor

Reinhild Fürstenberg ist Geschäftsführerin und Mitgründerin des Fürstenberg Instituts. Die Familientherapeutin und systemische Beraterin unterstützt Unternehmen, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern. Für Courage hat sie einen 5‑Punkte-Plan für Mobbing-Fälle erstellt.

1. Finden Sie heraus, ob Sie wirklich gemobbt werden 

Wer gemobbt wird, fühlt sich durch das Verhalten des Gegenübers verletzt. Es sind also Emotionen im Spiel. Um herauszufinden, ob Sie gemobbt werden, braucht es jedoch eine gewisse Sachlichkeit. Deshalb lohnt es sich im ersten Schritt, genau aufzuschreiben, was passiert ist. In tabellarischer Form: Datum, was wurde gesagt/getan, von wem, was war meine Reaktion/Gefühl. So lässt sich die Emotion vom Sachverhalt trennen. Drei Attribute kennzeichnen Mobbing: Es ist zielgerichtet, systematisch und findet über einen längeren Zeitraum statt. Als Faustregel gilt: einmal pro Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten. So lange sollten Sie aber keinesfalls warten, um aktiv zu werden. 

2. Suchen Sie Wege, aus der Mobbing-Situation herauszukommen 

Überprüfen Sie Ihre Haltung. Haben Sie das Gefühl, dass Sie Opfer sind? Wenn ja, steigen Sie unbedingt aus der Opferrolle aus. Sprechen Sie mit einer Person Ihres Vertrauens, um eine Außensicht zu ergänzen. Erarbeiten Sie ein klares Ziel: Wie soll der Zustand sein, wenn das Mobbing vorbei ist? Arbeiten Sie schrittweise auf das Ziel hin. Das heißt, mit der Person zu sprechen, die nicht gut mit Ihnen umgeht. Kündigen Sie Konsequenzen an, wenn sie nicht aufhört. Als Nächstes folgt ein Gespräch zu dritt. Holen Sie sich Rückendeckung von Vorgesetzten, Betriebsrat oder Gleichstellungsbeauftragten. 

3. Informieren Sie sich, wie man sich legal wehren kann 

Laut Arbeitsschutzgesetz hat man das Recht auf Beschwerde. Die Person, die die Beschwerde entgegennimmt, ist verpflichtet, die Sache aufzuklären. Das können zunächst Vorgesetzte sein, die sich um eine Klärung im Rahmen der Führungsrolle kümmern müssen. Im zweiten Schritt eine Beschwerdestelle, sofern vorhanden. Es folgt ein Gespräch mit der Gegenseite. Alternativ helfen auch öffentliche Beratungsstellen oder Coaches. In letzter Konsequenz bleibt nur der Gang zum Anwalt. Diesen letzten Schritt vor dem ersten zu gehen, wäre allerdings kontraproduktiv. 

4. Ziehen Sie Konsequenzen 

Die eigene Konsequenz ist das A und O. Jeden Schritt, den man im Prozess ankündigt, muss man einhalten. Sei es, eine Konfliktmoderation mit Externen in Anspruch zu nehmen. Oder sich in eine andere Abteilung versetzen zu lassen. Als Ultima Ratio bleibt nur die Kündigung. Wenig sinnvoll: sich aus Prinzip krankschreiben zu lassen. Das zögert die Entscheidung nur hinaus. Wem es psychisch oder auch physisch richtig schlecht geht, braucht natürlich eine Krankmeldung. 

5. Zukünftig glücklich leben und arbeiten: Stärken Sie Ihre Resilienz 

Es ist wichtig, in der eigenen Selbstachtung zu bleiben. Fokussieren Sie sich deshalb darauf, was in Ihrem Leben noch stattfindet, anstatt Ihr gesamtes Denken auf das Mobbing auszurichten. Die Situation sollte nur den Platz einnehmen, den sie tatsächlich hat. Nicht mehr! Was macht Ihnen also Freude? Was stärkt Sie? Kleine Freuden wie ein Cappuccino mit extra Schaum, Trampolinspringen oder liebe Freunde zu treffen, bringen Sie raus aus der negativen Gedankenspirale. Nutzen Sie die Chance, an der Situation zu wachsen und Ihre Durchsetzungsstärke weiterzuentwickeln.

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