Vor rund 13 Jahren ist die gebürtige Bayerin Jeany Cronk mit ihrem Mann Stephen aus dem Londoner Südwesten in die Provence gezogen. Heute produzieren sie mit Maison Mirabeau preisgekrönte Roséweine und wollen die regenerative Landwirtschaft im Weinbau vorantreiben. Wir haben mit der Wahlfranzösin gesprochen.
Von Isabell Walter
2009 haben Sie und Ihr Mann Ihr Haus in London verkauft und sich ein Weingut in der Provence gekauft. Wie kam es dazu?
Den Traum, nach Frankreich zu ziehen, hatten wir schon länger. Mein Mann war früher einige Jahre im Weingeschäft tätig und hat diesen Bereich sehr vermisst. Doch bis wir die Entscheidung auszuwandern getroffen hatten, hat es einige Jahre gedauert. Schließlich waren wir im Südwesten Londons sehr stark verwurzelt und hatten drei kleine Kinder – unser jüngster Sohn George war zum Zeitpunkt des Umzugs erst 14 Monate alt. Als dann bei meinem Mann, der damals in der Technologiebranche gearbeitet hat, beruflich einiges im Umbruch war, haben wir gemerkt: Der “richtige” Zeitpunkt wird nicht kommen, den müssen wir selbst bestimmen. Also haben wir unsere Sachen gepackt und sind nach Cotignac im Herzen der Provence aufgebrochen.
Was hat Ihr Umfeld dazu gesagt? Kam Ihr Plan gut an oder wurde er skeptisch betrachtet?
Die meisten unserer Freunde und die Familie haben versucht, uns zu unterstützen. Aber sie waren schon in Sorge. Das gilt insbesondere für meine Eltern. Mein Vater ist ebenfalls selbständig und weiß um die Risiken. Zusätzlich konnten mein Mann und ich nicht besonders gut Französisch und mit den drei Kindern war der Neustart noch einmal anspruchsvoller. Was die meisten unserer Bekannten außerdem sehr überrascht hat, war, dass wir als „Stadtmenschen“ in eine kleine Ortschaft ziehen wollten. Sie waren aber der Meinung, dass wir ja immer noch die Möglichkeit hätten, in einer größeren Firma zu arbeiten, sollte es mit dem Weingeschäft nicht klappen. Einen totalen Fehlschlag haben sie dann doch nicht erwartet.
Angekommen in Frankreich: Wie lief der Start ab?
Insgesamt war unser Neuanfang nicht einfach, sowohl was das Unternehmen als auch die Familie angeht. Unsere beiden älteren Kinder waren damals sieben und acht Jahre alt. Sie wurden direkt auf der französischen Dorfschule angemeldet. Eine internationale Schule gab es dort natürlich nicht. Das war sowohl sprachlich wie auch vom Schulsystem eine große Herausforderung. Ich habe deshalb in der Anfangszeit wenig in der Firma mitgearbeitet und mich viel um die Kinder gekümmert. Aber auch für meinen Mann und mich war es nicht einfach. Auch wir mussten uns vor Ort ein komplett neues soziales Netzwerk aufbauen. Damals habe ich mich manchmal sehr egoistisch gefühlt und mich gefragt, ob wir wohl die richtige Entscheidung getroffen hatten. Schließlich haben nicht nur mein Mann und ich, sondern auch unsere Kinder ihr gewohntes Umfeld aufgegeben. Als wir alle nach und nach erste Freunde gefunden hatten, wurde es aber leichter und wir haben begonnen, uns in der Provence sehr wohlzufühlen.
…Und parallel haben Sie den Grundstein für die Marke Mirabeau gelegt.
Genau. Wir haben sehr klein angefangen und hatten nicht sofort ein eigenes Weingut – das wäre finanziell gar nicht möglich gewesen. Wir haben uns stattdessen mit einer kleinen Anzahl lokaler Winzer zusammengetan und Partnerschaften verhandelt. Wir haben also die Rohstoffe bei den Winzern zugekauft und uns auf die Assemblage – die Weinzusammenstellung – fokussiert. Unser Ziel war es, hochwertige Roséweine von gleichbleibender Qualität zu produzieren. So haben wir unsere Marke Mirabeau aufgebaut. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Immer mehr Weinproduzenten kommen auf den Markt. Gerade in der Provence ist die Nachfrage größer als das Angebot. Entscheidend ist deshalb der gute Kontakt zu den einheimischen Winzern. Es war uns von Anfang an sehr wichtig, sie wie einen Teil unserer Familie zu behandeln.
2019, also genau zehn Jahre nach Ihrem Umzug in die Provence, kauften Sie schließlich Ihr eigenes Weingut. Wie kam es dazu?
Ein eigenes Weingut will gut überlegt sein. Das erforderliche Kapital ist hoch und es dauert erst einmal eine Zeitlang, bis man Erträge erzielt. Wir haben uns deshalb zunächst mit unserer Marke unternehmerisch sicher aufgestellt, bis wir das neue Abenteuer mit der Domaine Mirabeau gewagt haben. Letztlich haben wir über 40 Betriebe angeschaut, bis wir das Passende gefunden hatten. Preislich geht es für kleine Weingüter bei fünf bis zehn Millionen Euro los. Größere Anwesen können auch 60 Millionen Euro kosten. Nach oben gibt es aber kaum Grenzen.
Konnten Sie bereits eigene Weine produzieren?
Bisher nur sehr wenig. Wir stellen den Weinberg auf regenerative Landwirtschaft um und dieser Prozess dauert etwa zwei bis drei Jahre. Allein dadurch schmälert sich der Ertrag um rund zehn bis zwanzig Prozent. 2021 konnten wir wegen eines starken Frosts nur etwa 40 Prozent der Trauben verwenden. Wir haben wir dann etwa 3.000 Flaschen eines sehr selektiven Rosés produziert. Die restlichen Trauben sind in die Marken-Cuvée-Produktion geflossen. In diesem Jahr fällt die Ernte sogar ganz aus, weil wir im Sommer einen starken Waldbrand hatten. Bis auf zwei landwirtschaftliche Gebäude sind die Häuser zum Glück verschont geblieben, aber der Wein hat einen Rauchschaden. Solche unvorhersehbaren Rückschläge sind ein wichtiger Grund, weshalb wir uns mit den lokalen Winzern zunächst eine stabile Versorgungsstruktur aufgebaut haben. Die Natur kann einem immer einen Strich durch die Rechnung machen und das muss ein Unternehmen auch verkraften können.
Was sind die größten Herausforderungen in der Selbstständigkeit?
Allen voran die Work-Life-Balance. Wir arbeiten sehr viel und sind auch mit Geschäftspartnern aus den verschiedensten Zeitzonen im Austausch. Das Privatleben kann da schon mal zu kurz kommen. Da mein Mann und ich das Unternehmen gemeinsam führen, neigen wir außerdem dazu, auch im Privaten viel über Geschäftliches zu sprechen. Maison Mirabeau ist außerdem recht schnell gewachsen. Wir haben zu zweit angefangen und haben heute über 30 Mitarbeiter. Unsere positive Firmenkultur wollen wir natürlich trotzdem beibehalten. Auch wenn Kollegen Remote arbeiten, versuchen wir durch gute Kommunikationskanäle die Nähe zueinander zu fördern.
In Großbritannien haben Sie mit Ihren Weinen längst Fuß gefasst. Jetzt geht es nach Deutschland. Wie wollen Sie hier den Markt erobern?
In England sind wir heute unter den Top-3-Weinhäusern aus der Provence. Deshalb ist am Markt schon ein gewisses Vertrauen in unsere Marke da. Dennoch ist Deutschland kein einfacher Markt. Viele Firmen aus dem Ausland haben sich hier schon schwergetan. Deshalb freuen wir uns sehr, dass wir mit Eggers und Franke einen erfahrenen Distributionspartner gewinnen konnten, mit dem wir in Deutschland durchstarten können. Unterstützt wird Eggers und Franke von unserem Verkaufsdirektor für die Schweiz, Österreich und Deutschland. Außerdem investieren wir stark ins Marketing und die PR, um unsere Sichtbarkeit in Deutschland zu erhöhen.
Was würden Sie heute anders machen?
Auch wenn bestimmt nicht alle Entscheidungen ideal waren, sind wir daran schließlich als Menschen und Geschäftsleute gewachsen. Grundsätzlich etwas anders machen, würde ich also nicht. Die einzigen Punkte wären wohl, dass ich das Unternehmen heute von vornherein digitaler aufstellen würde. Und auch mit Auftritten in den sozialen Medien wie Instagram würde ich früher anfangen. Aber beides hat letztlich ja noch gut geklappt, denn wir sind für ein Weinunternehmen doch sehr gut vernetzt.
Wo sehen Sie Ihr Weingut in den kommenden Jahren?
Wir wollen ein Vorzeigebetrieb im regenerativen Weinbau werden. Maison Mirabeau soll eine Stimme in der Diskussion rund um Naturschutz im Weinbau werden. Mein Mann hat deshalb die Regenerative Viticulture Foundation gegründet, für die wir mit mehreren großen Weinhäusern zusammenarbeiten. Die Stiftung soll die regenerative Landwirtschaft vorantreiben und andere Winzer auf dem Weg dorthin unterstützen. Für Weinbauern hat regenerative Landwirtschaft verschiedenste Vorteile: Zum Beispiel speichern die Weinberge das Wasser besser und es wird nach der Umstellung kaum noch Dünger benötigt. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir nicht nur die Umwelt, sondern auch alle anderen Einflüsse berücksichtigen müssen, hat das die oberste Priorität.
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