Weltweit fallen die Aktienkurse. Und nicht nur die. Auch Anleihen, Edelmetalle und viele Rohstoffe geben nach. Was nun?
Von Antje Erhard
Keine Panik – wir haben keinen Aktiencrash. Das würde bedeuten, dass die Kurse an einem Tag oder an mehreren Tagen hintereinander massiv einbrechen. Das ist bei aller Börsen-Tristesse nicht der Fall. Dennoch – derzeit läuft es ruppig an den Kapitalmärkten. Seit Jahresbeginn ist der DAX 14 Prozent „Land unter“. Doch andernorts sieht es schlimmer aus: In New York verliert der S&P mehr als 16 Prozent, der Hang Seng in Hongkong ebenfalls, und in Shanghai sind die Kurse im CSI 300 sogar um 20 Prozent gesunken.
Das Besondere ist, dass Aktien, Anleihen, Kryptos und Edelmetalle — also die wichtigsten Anlageklassen — gleichzeitig fallen. 32 Prozent ist der Bitcoin allein seit dem Jahreswechsel gepurzelt, das meiste davon ging auf das Konto der vergangenen Handelstage. Aber selbst bei Gold und Co, die als sichere Häfen betrachtet werden, ist der Glanz verblasst: Gold gehört aber immerhin zu den Assets mit positiver Bilanz und 1,5 Prozent Plus seit Januar.
„Diese Marktlage ist wirklich selten“, sagt Frank Mohr, Head of ETF Sales Trading bei der Société Générale. Es kam in der Vergangenheit nicht oft vor, dass alle Assetklassen an Wert verlieren. „Wir haben das zu Anfang der Pandemie gesehen oder aber im Jahr 2008 zur Finanzkrise. Gerade neue Investor:innen kennen das noch nicht, nicht in dem Maße.“
US-Notenbank erhöht Leitzinsen
Grund dafür sind die steigenden Zinsen in den USA: In der vergangenen Woche hat die US-Notenbank FED die Leitzinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht. Obwohl sie es über Wochen voraus kommuniziert hat, waren die Investor:innen verschreckt. Zu groß ist die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen.
In der Vergangenheit waren Zinserhöhungen nahezu immer Einleitung für eine Rezession, also eine Phase wirtschaftlicher Schwäche. Schon früher gingen dabei die Aktienkursverluste mit steigenden Zinsen am Anleihenmarkt einher. Und die Geschichte wiederholt sich: Die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen klettern auf ein Niveau von über drei Prozent. Da waren sie zuletzt im Jahr 2018. Und auch deutsche Anleihen rentieren wieder positiv: 1,12 Prozent auf die zehnjährige Bund-Rendite, Deutschlands Benchmark-Anleihe, so viel gab es zuletzt vor mehr als zwei Jahren am Anleihenmarkt.
Zinsen können Aktien abbremsen
„Die Zinsen können nicht ewig niedrig bleiben“, kommentiert Markt-Experte Frank Mohr, „auch wenn der Zeitpunkt wenig ideal zu sein scheint.“ Der Mix aus Pandemie, Inflation, Lieferengpässen und Chinas wirtschaftlicher Schwäche in Folge der Pandemie habe bereits zu viel Verunsicherung unter den Anleger:innen beigetragen. „Steigende Zinsen sprechen da nicht unbedingt für Aktien“, ergänzt er. „Das kann die Märkte abbremsen.“
Vor allem China bleibt ein großes Sorgenkind: Die Wirtschaft schwäche sich dort so stark ab wie zur Finanzkrise und zu Beginn der Pandemie. Die aktuelle Schwäche sei aber „eine Krise mit Ansage“, kommentiert Michael Ott von der Commerzbank. Es sei bemerkenswert, dass China das zulasse. Es werde ja viel produziert, doch die Waren kämen bei Konsumenten und im Export nicht an
Gegenbewegung, wenn es nicht schlimmer wird
Jochen Stanzl von CMC Markets ergänzt: „Es ist bekannt, dass Lieferengpässe, Inflation und steigende Zinsen das Marktumfeld rapide verschlechtern. An solchen Punkten genügt es oft schon, wenn Signale kommen, dass sich die Situation nicht weiter verschärft.“ Derzeit sei in den Kursen eine Zuspitzung der Probleme eingepreist. „Wenn diese nicht eintritt, könnte es zu einer Gegenbewegung kommen.“
Die Conclusio von Frank Mohr ist nachvollziehbar: Die Talfahrt an den Kapitalmärkten ist womöglich noch nicht ausgestanden. Was sollen Anleger:innen aber nun tun? „Fällen Sie keine unbedachten Entscheidungen“, rät Frank Mohr. Sinnvoll sei, Sparpläne jetzt weiter zu bedienen. „Hier ist der Vorteil, dass man jetzt fürs gleiche Geld mehr Anteile bekommt. Breit gestreute Anlagen wie ETFs sind für die langfristige Geldanlage nach wie vor gut und sinnvoll.“ Risiko-Investments wie Aktien aufzustocken, könne hingegen zu früh sein. „Wir haben womöglich noch nicht das Ende der Korrektur gesehen. Aber trotzdem: Nach der Bereinigung kommt ein neuer Anstieg.“
Findet uns auch auf: