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Grenzgängerinnen: Klippenspringerin Anna Bader – „Die Angst ist für uns ganz wichtig“

Klippenspringerin Anna Bader im Juni 2021
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Das eigene Limit infrage stellen und andere Frauen ermutigen, ihre Ideen und Träume zu verwirklichen. Die Münchner Autorin Julia Hägele traf für ihr Buch „Grenzgängerinnen“ 20 Frauen, die das Abenteuer suchen. Drei von ihnen porträtieren wir hier. Den Anfang machen wir mit Anna Bader.

Von Sebastian Martinez

„Es geht um Anmut, Drehungen und freies Schweben“. Seit einem Vierteljahrhundert ist Anna Bader immer auf dem Sprung. Dabei kalkuliert die 38-jährige Klippenspringerinbewusst die Gefahren.

Wenn man Anna Bader allein am Klippenrand stehen sieht, mehr als 20 Meter über dem dunklen, funkelnden Meer, ergeben ihre Worte einen Sinn. „Die Angst ist für uns ganz wichtig, weil sie uns hilft, dass wir nicht einfach leichtsinnig werden. Und wir diesen Punkt der perfekten Konzentration finden können.“ Sie verharrt an dem Felsvorsprung in höchster Anspannung. „Ich bin allein da oben, ohne Schutzkleidung oder doppelten Boden. Es geht nur um meine Superkräfte und die mentale Stärke. Ich sammle mich und weiß: Ich kann das.“ 

Und wie sie das kann! Anna Bader, mit 38 Jahren die älteste Klippenspringerin auf der Tour, hat in ihrem Sportlerleben so gut wie alles erreicht: Acht Europameisterschaften, Bronze bei Weltmeisterschaften, dazu etliche Siege bei der „Cliff Diving Worldtour“. Und: Sie zählte 2001 zu jenem Team, das Mannschaftsmeister im Kunstturnen wurde.

Turnen als Grundlage

Das ist wohl alles in ihrem Gencode hinterlegt. Mutter Angelika Kern-Bader gewinnt als Kunstturnerin fünf deutsche Meisterschaften, nimmt 1968 und 1972 an den Olympischen Spielen in Mexiko und München teil. Vom Vater lernt Anna Schwimmen, im Turnverein wird auf dem Schwebebalken das Fundament für Kraft, Koordination und Balance gelegt. „Turnen war die Grundlage für alles, was danach kam.“ Mit 13 beginnt sie mit dem kunstvollen Wasserspringen, drei Jahre später gehört sie zur Nationalmannschaft. „Wir lebten im Hunsrück, und es gab weit und breit kein Sportschwimmbad mit Sprungturm – meine Mutter fuhr mich zweimal die Woche 100 Kilometer hin und zurück nach Mainz, damit ich dort trainieren konnte.“ Zunächst ist der Zehnmeterturm das Limit. Jeder weiß: schon das eine Mutprobe, an die man sich für immer erinnert. 

In den Sommerferien bei ihrer Oma Hildegard in Südbaden geht’s immer an den Baggersee. Dort ist „das Highlight“, mit anderen Kindern auf Bäume zu klettern und ins Wasser zu springen. In einem Interview erinnert sie sich: „Beim höchsten Ast haben wir immer gesagt: Das ist der Zwölfer. Keine Ahnung, ob es wirklich zwölf Meter waren – aber es war wirklich hoch.“

Erste Klippensprünge mit 17 Jahren

Ein paar Urlaube später reist Anna, inzwischen 17, nach Jamaika. Dort hat sie in „Rick’s Café“, das weit über den Ferienort Negril hinaus bekannt ist, ein Schlüsselerlebnis. Denn vor den Cafégästen springen „Locals“ artistisch von Klippen – wie auch manch mutiger Tourist. Hier hebt sie erstmals richtig ab: „Es war gar nicht so hoch, etwa zwölf Meter, aber ein unglaubliches Gefühl.“ Als die einheimischen Springer sehen, wie die junge Frau ins Wasser springt, laden sie sie ein, mit ihnen zu den „richtigen Felsen“ zu gehen. Gesagt, getan. Die Abschiedsworte hat sie nicht vergessen: „Milady, it was an honour to dive with you.“ Eine Ehre sei es gewesen, mit ihr zu springen.

Im Jahr 2005 beginnt sie mit dem „High Diving“ wettkampfmäßig, als erste Frau – und als einzige. Bei ihrem internationalen Debüt im schweizerischen Ponte Brolla wird Anna Bader „wie aus Versehen“ erstmals Europameisterin. 

Klippenspringen ist Adrenalin pur. Yoga hilft ihr, bei Training und Wettkämpfen wieder runterzukommen und sich zu fokussieren. Denn nicht die Höhe ist das Gefährliche, sondern der eigene Kopf. Den scheint Anna Bader frei und gut im Griff zu haben: bis heute kein wirklich schwerer Unfall, keine bleibende Verletzung. 

Beim Springen steht die absolute Kontrolle über alle Vorgänge im Mittelpunkt. „Im richtigen Leben halte ich Kontrolle aber eher für eine Illusion.“ Denn natürlich gibt es auch eine bewegte Biografie neben dem Sport: vom Auftritt im „Playboy“, dem Engagement als Artistin bei der weltgrößten Wassershow in Macau, Lehramtsstudium, Verbeamtung, die Geburten ihrer zwei Kinder, Burnout, Berufswechsel in den sozialen Dienst und 2021 der Rücktritt vom Leistungssport. 

Die zweite Karriere

Aber schon wenige Monate später ist Anna Bader wieder am Start. Comeback. „Ich bin wasserscheu und denke mir manchmal: Schon wieder ins Kalte, Nasse? Was habe ich mir da für einen Sport ausgesucht? Ich bin lieber in der Luft, während eines Sprungs fühle ich mich schwerelos“, hat Anna mal gesagt. Es ist ihre Bestimmung, auch mit 38 Jahren. 

Der Auftakt zur zweiten Karriere: ein Doppelsalto rückwärts gestreckt bei den „Diving World Series“ in Paris im Juni 2022. Sie dreht sich mit dem Rücken zum Wasser, steht mit den Fersen am Rand. An der Kante platziert sie ihre Hände und drückt sich langsam in den Schweizer Handstand, die Beine über die Seite nach oben, wie eine sich schließende Schere. Anna Bader sieht den Eiffelturm ganz nah und das Wasser 21,5 Meter weit unter sich. Sie lässt die Schwerkraft wirken, drückt sich mit den Armen ab und bleibt ganz gestreckt. „Ich muss in der Luft dann eigentlich nicht viel machen, ich fliege einfach.“

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