Die Inflation bleibt rekordhoch. Und das überrascht selbst die Notenbanker:innen. Die hatten damit gerechnet, dass die irren Preisanstiege nur vorübergehend sind. Und haben entsprechend gezögert, die Zinsen zu erhöhen. Denn das ist nun mal das Mittel gegen Inflation. Doch im Juli macht die EZB Ernst. Die Zinswende kommt. Nach elf Jahren. Doch selbst Gold, eigentlich doch so ein sicherer Hafen, fällt.
Von Antje Erhard
In der Corona-Pandemie hat Gold viele besorgte Anleger:innen beruhigt: Wer im März 2020 zu Pandemie-Beginn und Aktienmarkt-Crash in Gold investiert hat, hatte schon im August einen Gewinn von 25 Prozent gemacht. Auch in diesem Frühjahr hat Gold die 2.000 Dollar-Marke wieder überwunden. Und seinen Job als Krisenwährung unterstrichen. Doch seit Jahresbeginn ist selbst das Edelmetall kein Gewinn – liegt aber im Gegensatz zu den meisten anderen Vermögenswerten nicht tief im Minus. Denn Inflation und Rezessionssorgen lassen die Kurse von Aktien, Anleihen, Kryptos und zum Teil eben auch Gold purzeln. Allein in den letzten drei Monaten fällt Gold um knapp fünf Prozent. Und jetzt steigen auch noch die Zinsen – zum ersten Mal seit elf Jahren.
Kommt die Rezession?
In der Vergangenheit haben Zinserhöhungen fast immer eine Rezession ausgelöst. Und eigentlich ist Gold da als sicherer Hafen doch eine gute Idee, werden viele von uns denken. Doch selbst Gold ist angesichts der Inflation unbeeindruckt. Immerhin, in Euro hat Gold rund acht Prozent zugelegt, weil der Euro zum US-Dollar abgewertet hat. Der starke US-Dollar ist einer der Gründe, dass Gold so verhalten reagiert, sagt Michael Blumenroth, Rohstoff- und Devisen-Spezialist der Deutschen Bank. „Aufgrund seines festen Kurses wird Gold für Anleger:innen oder Schmuckkäufer:innen außerhalb des US-Dollar-Währungsraumes teurer, in Japan zum Beispiel um rund 16 Prozent.“
Doch noch viel stärker schlagen die steigenden Kapitalmarktzinsen zu Buche: „Die ersten Leitzinserhöhungen bzw. die Ankündigung weiterer Zinsschritte hatte einen deutlichen Anstieg der Realzinsen zur Folge“, erklärt Michael Blumenroth die Zusammenhänge. Je höher die Realzinsen seien (Nominalzinsen der Anleihen abzüglich der erwarteten Inflation), desto attraktiver werden Staatsanleihen relativ zu Gold, weil sie ebenfalls als „sichere Häfen“ betrachtet würden.
US-Staatsanleihen immer attraktiver
Derzeit seien vor allem US-Staatsanleihen, die über sämtliche Laufzeiten hinweg knapp 3,5 Prozent Rendite erzielten, eine attraktive Alternative zu Gold. Und auch in der Eurozone steigen die Zinsen: „In der Eurozone sind die Renditen von Bundesanleihen zwar in den vergangenen Tagen ebenfalls deutlich angestiegen, sie sind aber vermutlich noch nicht hoch genug, um eine echte Option zu werden“, erklärt Michael Blumenroth. Außerdem würden viele Großanleger:innen derzeit lieber versuchen, möglichst viel Liquidität bzw. Cash in ihren Portfolios zu halten.
Nur ein bisschen Zinserhöhung?
Aber was kann sich die EZB überhaupt an Zinserhöhungen leisten? „So wie ein bisschen Putzen die Wohnung nicht sauber macht, ist ein bisschen Zinserhöhung noch keine Stabilitätspolitik“, sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarkt-Strategie der Baader Bank. Es gehe um das Wieviel. Da falle es ihm aber schwer zu glauben, dass die EZB einen radikalen geldpolitischen Wechsel einläutet. „Die EZB wird die Sozialarbeiterin Europas bleiben.“
Sorge vor einer neuen Schuldenkrise in Europa
Ginge es nach der Wirtschaft Deutschlands, Finnlands, der Niederlande oder Österreichs, wären die Zinsen schon viel höher. Aber: „Europa ist nur so stabil wie ihr schwächstes Glied.“ Und es gäbe nun mal einige muskelschwache Länder, die mit stark steigenden Zinsen „in arge Finanznot.“ Kämen.
Wir sehen bereits diese Angst am Anleihenmarkt: Die Renditen von Italien und Spanien steigen und steigen. Wenn sich das fortsetzt, riskiert Europa womöglich die nächste Schuldenkrise. Robert Halver meint, dass die EZB dann lieber mehr Inflation hinnehmen wird.
Michael Blumenroth sieht Gold aber mittelfristig „aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten und der anhaltend hohen Inflationsraten gestützt. Die potenziell weiterhin starken Kursschwankungen an den Finanzmärkten sollten Gold aufgrund seines „Versicherungscharakters“ auch zukünftig als eine attraktive Ergänzung eines diversifizierten Portfolios interessant erscheinen lassen.“
Fazit: Gold hat Federn gelassen inmitten der Krise – aber weniger stark als andere Vermögenswerte. Kurzfristig kann der Goldpreis unter Druck bleiben, weil die Notenbanken die Zinsen erhöhen.
Findet uns auch auf: