Wie kann ich herausfinden, was meine Kollegen verdienen, bzw. darf ich das überhaupt? Oder: Wir sollten und dürfen mehr über unser Gehalt reden. Vieles wird unter Kollegen lebhaft diskutiert, sei es die Kommunikation im Unternehmen, die Führungskultur und nicht zuletzt der in Zeiten von „New Work“ inflationär gebrauchte Begriff „Purpose“. Der Job soll erfüllend und abwechslungsreich sein, Weiterentwicklung ermöglichen und sinnstiftend sein. Nur bei einem Thema sind wir immer noch zurückhaltend: Beim Gehalt!
Gastbeitrag von Susan J. Moldenhauer
Unser Gehalt gilt für uns immer noch als großes Tabu. Wird man nach dem Gehalt gefragt, fühlt sich das für die allermeisten von uns unangenehm an — nicht zuletzt, weil wir durch die Zahl unbewusst und automatisch eine Bewertung vornehmen, die wir fest an unsere Person knüpfen. Verdient jemand mehr als wir, müssen wir weniger wert sein. Diese Bewertung findet sogar unabhängig davon statt, ob wir vergleichbare Berufe ausüben. Und so schweigen wir lieber zu diesem Punkt. Diese Tabuisierung ermöglicht weiterhin Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Von gleichen Löhnen sind wir noch weit entfernt.
Unsere Zurückhaltung in Sachen Gehalt wird unter anderem durch eine Arbeitsvertragsklausel befeuert, die uns Beschäftigte dazu verpflichtet, unser Gehalt vertraulich zu behandeln. Dies gilt insbesondere gegenüber anderen Firmenangehörigen. Obwohl diese Verschwiegenheitsklausel vom Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern für unwirksam erklärt (Urt. v. 21.10.2009, Az. 2 Sa 183/09) worden ist, findet sich diese in den meisten Arbeitsverträgen wieder. Sie ist unwirksam, da sie verhindert, dass Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden können. Zudem verstößt sie gegen Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG), der die Koalitionsfreiheit und damit das Recht der Gewerkschaften schützt, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dazu müssen wir als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über diese Bedingungen reden dürfen.
Gleichbehandlung? …noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen!
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Leider noch nicht
Das alte Lied – heute aktueller denn je: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sollte selbstverständlich sein. Ist es aber nicht, wie die Diskussionen rund um die Gender Pay Gap zeigen. Dabei geht der Gleichbehandlungsgrundsatz auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 1955 zurück: Es regelt, dass der Lohn nur nach der zu leistenden Arbeit ohne Rücksicht darauf bestimmt werden darf, ob diese von einem Mann oder einer Frau erbracht wird (Urt. v. 15.1.1955, Az. 1 AZR 305/54).
Was also soll oder kann ich tun, wenn ich den Eindruck habe, dass mein Gehalt zu niedrig ist oder der männliche Kollege mehr verdient als ich? Ein offizieller Weg wurde mit dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) im Sommer 2017 geschaffen. Als Arbeitnehmerin kann ich von meinem Arbeitgeber eine „individuelle Auskunft“ einfordern. Doch die Hürden sind hoch: Das EntgTranspG findet nur dann Anwendung, wenn ein Unternehmen mehr als 200 Beschäftigte hat. Zudem muss eine Vergleichsgruppe aus mindestens sechs Kollegen des anderen Geschlechts im Unternehmen gefunden werden, die die gleiche oder eine ähnliche Aufgabe haben wie der oder die Antragsstellerin. Und das Ergebnis? Auf die Einforderung des „individuellen Auskunftsanspruchs“ folgt ein Mittelwert der Bruttogehälter der Peergroup, jedoch keine individuelle Gehaltsangabe der Kollegen. Ein direkter Vergleich ist also nicht möglich.
Entgelttransparenzgesetz: Gut gemeinte Theorie
Außer viel Bürokratie nichts gewesen: Das Entgelttransparenzgesetz hilft uns Frauen aus der Gender Pay Gap nicht heraus.
Die Diskussion um faire betriebliche Entgeltstrukturen muss stärker entfacht werden, um Lohn- und Chancengleichheit für Frauen und Männer zu schaffen. Das ist richtig. Doch die Idee des Gesetzgebers für gleiche Löhne bleibt vorerst eine gutgemeinte Theorie.
So zeigen Umfrageergebnisse*, dass die Befragten sich gar nicht erst trauen, ein Auskunftsersuchen zu artikulieren. Die Verschlechterung des Arbeitsverhältnisses zum Arbeitgeber werde befürchtet. Zudem gäbe es keine klaren rechtlichen Konsequenzen aus einem Verstoß gegen das EntgTranspG.
Und was nützt mir das EntgTranspG, wenn ich in einem kleineren Unternehmen arbeite? Wir Frauen haben es selbst in der Hand – es ist an uns, etwas daraus zu machen und gleiche Löhne zu fordern! Also bleibt alles beim Alten und frau wieder auf sich allein gestellt. Solange in unseren Köpfen – auch unterschwellig – immer noch ein Unterschied zwischen Mann und Frau bezüglich der Qualität der Leistung einprogrammiert ist, kann frau weder auf den Gesetzgeber, noch auf die inzwischen zahlreich vorhandenen Initiativen zur Stärkung der Frau oder Bekämpfung der Gender Pay Gap warten.
Marktwert klar und deutlich kommunizieren
Was hilft, ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Marktwert. Wir sollten uns auf uns und unsere Leistungen berufen und diese ins rechte Licht beim Arbeitgeber rücken. Es steht uns zu, dass unsere Leistung leistungsgerecht entlohnt wird uns dafür sollten wir einstehen. Wenn wir allerdings mit der Erwartungshaltung eines deutlich niedrigeren (Einstiegs)Gehalts in unser Vorstellungs- oder späteres Verhandlungsgespräch gehen und uns das Verhandeln über Gehälter unangenehm ist, wird sich unsere Haltung bei unserem Verhandlungspartner zu unserem Nachteil auswirken.
Reden hilft. Die richtige Haltung erst recht.
Tabus können nur gebrochen werden, indem wir sie zum Gesprächsthema machen. Jede von uns kann selbst den ersten Schritt machen, sich beim Thema Gehalt öffnen. Das Gehalt ist eine Selbstverständlichkeit und gehört zum Job dazu, genauso wie unser Aufgabenbereich, unsere Tätigkeit, die Arbeitszeiten usw. Ein erster Schritt wäre, unsere Gehaltsgröße nicht als Bewertung der eigenen Person zu missverstehen. Wenn wir unser Gehalt von unserer eigenen Person lösen, werden wir diese Größe auch viel souveräner in der Gehaltsverhandlung verhandeln können. Es ist eine Frage unserer Haltung: Das Gehalt ist schlicht und ergreifend eine Größe, ein Preis für die Leistung, die unser Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt einkauft. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
*= Umfrage unter 716 Beschäftigten und 94 Unternehmen von Compensation Partner
In der Serie „Gehaltsverhandlungen“ möchte ich euch Schritt für Schritt die Themen näher bringen, die ich auch in meinen Coachings behandle. Ihr dürft gespannt sein.
Den zweiten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Den dritten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Den vierten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Über die Autorin:
Susan J. Moldenhauer verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche mit dem Fokus auf ganzheitliche, unabhängige Beratung. Durch das Ausbilden, Schulen und Führen von Mitarbeitern entdeckte sie ihre starke Affinität zum Coaching.
Als zertifizierte Karriereberaterin und Coach unterstützt sie im Team der STRATEGY PIRATES® GmbH & Co. KG Menschen im Berufsleben. Bei den geldfreundinnen.de ist sie mit der Rubrik „Karriere- und Gehaltscoaching“ vertreten. Sie bietet Workshops, Vorträge und Einzelcoachings an. Als Frau, die sich in einer männerdominierten Branche ihre Sporen verdienen musste, ist ihr Herzensthema, Frauen zu motivieren, mit mehr Mut, Selbstbewusstsein und dem Erkennen ihres „Selbst-Wertes“ ihren Weg erfolgreich zu gehen.
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