Bis heute sind Frauen in MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ‑Berufen unterrepräsentiert. Am fehlenden Interesse liegt das nicht, zeigt eine Studie der IU Internationale Hochschule. Wir haben mit Kanzlerin Alexandra Wuttig über fehlende Rolemodels, gesellschaftliche Veränderung und gut bezahlte Studi-Nebenjobs gesprochen.
Von Isabell Angele
courage-online.de: Frau Wuttig, weshalb ist es so wichtig, dass auch junge Frauen im MINT-Bereich durchstarten?
Alexandra Wuttig: Da gibt es sehr viele Gründe. Es ist gesellschaftlich sehr wichtig, dass Frauen auch im MINT-Bereich aktiv sind. Bisher war die Welt sozusagen “von Männern für Männer” konzipiert. Gerade was die Forschung im Bereich Medizin oder Wissenschaft angeht, spielen Frauen häufig eine untergeordnete Rolle. Würden mehr Frauen in solchen Bereichen arbeiten, könnten sie neue Sichtweisen einbringen. Überdies ist es für die Zukunftsfähigkeit als Wettbewerbsstandort Deutschland wichtig, dass es einen neuen Blick auf die Dinge gibt. Außerdem hat unsere Studie gezeigt, dass das Interesse junger Frauen für MINT-Berufe da ist, sie sich aber letztlich doch für andere Branchen entscheiden. Zu guter Letzt gibt es in dem Bereich einen enormen Fachkräftemangel – gut ausgebildete Frauen kämen da gerade recht.
Wenn das Interesse bei jungen Frauen für MINT-Fächer und ‑Berufe da ist, weshalb entscheiden sich nur so wenige für eine Karriere in dem Bereich?
Im Grunde es ist es wie im Unternehmertum: Man kennt sehr wenige weibliche Rolemodels, also Frauen, mit denen sich MINT-Interessierte identifizieren können. Auch im Bekanntenkreis haben zwar viele top ausgebildete Akademikerinnen wie Ärztinnen oder Anwältinnen, aber nur die wenigsten kennen eine IT-Expertin – das muss sich ändern. Das Bild, das viele von den Berufen haben, ist auch kein besonders gutes. Meistens stellt man sich einen “Nerd” vor, der in seinem Kämmerchen vor dem Computer sitzt und mit keinen Menschen spricht. Aber so ist das nicht. MINT-Berufe sind sehr vielseitig und auch sehr kommunikativ.
Woher kriegt man solche Rolemodels?
Es gibt sie bereits. Sie sind nur nicht so sichtbar. Das versuchen wir an unserer Hochschule mit einer Kampagne zu ändern. Unterstützung bekommen wir dabei von Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Zusammen mit dem Verband drehen wir Videos mit erfolgreichen Frauen, die im MINT-Bereichen tätig sind und machen sie so bekannter. Außerdem bieten wir eine Ringvorlesung für Mädchen ab der 10. Klasse an. Hier wird beispielsweise erklärt, wie die IT-Welt in Wirklichkeit aussieht. Geleitet werden diese Vorlesungen von unseren Professorinnen aus den entsprechenden Fächern. Die Veranstaltungen finden ab dem 5. Oktober alle online statt, sodass die Mädchen von überall aus teilnehmen können.
Ihre Studie zeigt, dass viele Befragte an ihrem Vorwissen und ihren Fähigkeiten für spezielle MINT-Fächer zweifeln. Das Vorwissen der Schülerinnen müsste doch dem ihrer männlichen Klassenkameraden ähnlich sein – woher kommen die Zweifel?
Viele Mädchen sind in den entsprechenden Schulfächern sehr gut, begegnen aber oft Vorurteilen. Diese Erfahrung habe ich auch selbst gemacht. Mein Lehrer meinte damals zu mir, dass ich Mathe doch auch ablegen könne, das würde ich als Mädchen schließlich sowieso nicht mehr brauchen. Ich schrieb aber gute Noten und wollte Mathematik gar nicht ablegen. Wir müssen als Gesellschaft weg von dem Denken, dass Männer den technischen und Frauen den sozialen Berufen zugeordnet werden. Und wir müssen das Selbstbewusstsein der Mädchen stärken.
Ein Teil der jungen Frauen gibt außerdem an, dass die finanziellen Hürden bei einem MINT-Studium zu hoch wären und sie wegen der hohen Belastung nur wenig Zeit für einen Nebenjob hätten. Stehen vor diesem Problem nicht auch die jungen Männer?
Ich vermute hier wieder eine Fehlvorstellung der jungen Frauen, wie das Studium aussieht. Wieso sollten Frauen hier mehr Arbeitszeit investieren müssen als ihre männlichen Kommilitonen? Außerdem hat man in jedem Studium einen hohen Lernaufwand. Tatsächlich ist es sogar so, das IT-Studierende besser bezahlte Nebenjobmöglichkeiten haben. Das ist in vielen Studiengängen anders.
Über Alexandra Wuttig
Prof. Dr. Alexandra Wuttig ist Kanzlerin der IU Internationalen Hochschule (IU), der größten Hochschule Deutschlands.
Über die IU Internationale Hochschule
Mit über 85.000 Studierenden ist die IU Internationale Hochschule (IU) die größte Hochschule in Deutschland. Die private, staatlich anerkannte Bildungseinrichtung versammelt unter ihrem Dach mehr als 200 Studienprogramme im Bachelor und Masterbereich, die in deutscher oder englischer Sprache angeboten werden. Studierende können zwischen dualem Studium, Fernstudium und myStudium, das Online- und Präsenzveranstaltungen kombiniert, wählen und mithilfe einer digital gestützten Lernumgebung ihr Studium selbstbestimmt gestalten. Zudem ermöglicht die IU Weiterbildungen und fördert die Idee des lebenslangen Lernens. Ziel der Hochschule ist es, möglichst vielen Menschen weltweit Zugang zu personalisierter Bildung zu verschaffen. Im Jahr 2000 hat die IU ihren Betrieb aufgenommen, inzwischen ist sie in über 30 deutschen Städten vertreten. Sie kooperiert mit mehr als 10.000 Unternehmen und unterstützt sie aktiv bei der Mitarbeiterentwicklung. Zu den Partnern gehören unter anderem die Deutsche Bahn, Motel One, Telekom, Vodafone und VW Financial Services. Informationen zu den „Frauen in MINT“-Projekten an der IU finden gibt es hier.
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