Der Euro fällt und fällt. Gerade war er nur noch 1,034 US-Dollar wert. Die Parität rückt näher. Also das Niveau, zu dem Euro und US-Dollar gleich viel wert sind. Aber was bedeutet das?
Von Antje Erhard
Inmitten der Pandemie schlagen die steigenden Preise, der Krieg in der Ukraine und enorme wirtschaftliche Risiken negativ auf unser Geld durch: Der Euro fällt und fällt. Zeitweise war er mit 1,034 US-Dollar so billig wie seit Jahren nicht mehr. Den Euro können wir daher nicht ohne das wirtschaftliche Umfeld denken.
Denn Inflation und eine mögliche Rezession belasten nicht nur unsere Brieftaschen, sondern auch Volkswirtschaften und Unternehmen. Die Spuren sehen wir an den Kapitalmärkten: Aktien, Anleihen, der Euro, Edelmetalle – alle gehen in die Knie.
Dabei war in der Vergangenheit ein schwacher Euro in Europa durchaus akzeptiert: „Eine Abwertung fördert die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Euroraum und stärkt die Konjunktur; vor allem exportorientierte Unternehmen profitieren von einer höheren Nachfrage außerhalb der Eurozone“, sagt uns Michael Blumenroth, Devisen-Experte der Deutschen Bank. Das heißt, der billige Euro machte Exporte ins Ausland günstiger. Für eine Export-Nation wie Deutschland ein Pluspunkt. Aber – so sagt Michael Blumenroth weiter – sei eine Währungsabwertung „immer ein zweischneidiges Schwert“. Denn importierte Waren werden teurer. Die Folge: Die Inflation könnte so noch höher ausfallen bzw. länger auf dem unerwünscht hohen Niveau bleiben und es werde „zunehmend schwieriger, das Inflationsziel von zwei Prozent wieder zu erreichen“. Ergo: „Auch aus diesem Grund sollte die Europäische Zentralbank daran interessiert sein, durch Leitzinserhöhungen einen weiteren starken Wertverfall des Euro zu verhindern.“
Für uns Verbraucher bedeutet es bis dahin aber, dass ein schwacher Euro den Urlaub und Reisen in die USA teurer macht. Auf der anderen Seite profitieren wir an den Kapitalmärkten: Die Renditen auf Bundesanleihen sind viel niedriger als auf die US-Staatsanleihen. Mit einem schwachen Euro können wir als deutsche Anleger:innen den Zinsvorteil von US-Staatsanleihen nutzen und zugleich Währungsgewinne erzielen. Aber eben nur, wenn der Dollar weiter aufwertet. Und das wird möglicherweise nicht mehr lange der Fall sein. Denn der Blick in die Zukunft ist nicht mehr immer nur wolkenverhangen.
Im Juli dürften die Zinsen in der Eurozone steigen
Das fängt mit den Zinsen an: Die Chefvolkswirtin der Helaba, Gertrud Traud, bringt es auf den Punkt: „Vor vier Wochen waren die Zeichen aus dem Frankfurter Ostend, dem Sitz der EZB, noch auf Wartestellung ausgerichtet. Nun haben zahlreiche Mitglieder des EZB-Rats und auch die Präsidentin Christine Lagarde endlich einen Sinneswandel angedeutet. Wir gehen jetzt davon aus, dass die EZB bereits im Juli, also kurz nach dem Auslaufen des Anleihekaufprogramms, einen ersten Zinsschritt vollzieht. Bis zum Jahresende wird der negative Einlagensatz Geschichte sein.“ Und wenn keine weiteren Sanktionen oder gar ein Gas-Embargo drohen, sollte sich die Inflation bis Jahresende bei uns entspannen. Gertrud Traud und ihr Team erwarten dann sechs Prozent Geldentwertung.
Noch ist es nicht so weit. Und so berichtet Gertrud Trauds Kollege Christian Apelt, wie nervös die Märkte sind angesichts all der politischen und wirtschaftlichen Risiken. Deshalb sei der US-Dollar als sicherer Hafen gefragt. Steigende Zinsen geben einer Währung eigentlich Rückenwind. Aber auch in den USA steigen die Preise und es würde die Wirtschaft abwürgen, wenn die Zinsen zu stark steigen. Deshalb werden auch in den USA die Zinsen nicht unbegrenzt steigen, weiß Devisen-Experte Apelt: „Von der Zinsseite dürfte der Greenback daher vorerst kaum noch unterstützt werden bzw. es droht sogar Gegenwind.“
Der US-Dollar gilt als überbewertet
In Europa bleibt es vor allem politisch schwierig. Und das belastet den Euro und auch andere Währungen in Europa. Aber wenn sich die Lage entspanne, also nicht eskaliert und kein Gasembargo kommt, könne sich der Euro erholen, erklärt Christian Apelt, denn: “Jenseits der derzeit dominierenden Faktoren Geldpolitik und Risikoneigung ist jedoch aus längerfristiger Sicht die extreme Überbewertung der US-Währung zu beachten. Gemessen an der Kaufkraftparität war der Dollar gegenüber dem Euro noch nie so teuer bzw. nur gegenüber dem umgerechneten Euro Mitte der achtziger Jahre, als der FED-Leitzins zweistellig war.“ Kurzfristig würde Christian Apelt eine „Marktübertreibung in Richtung Parität“ nicht ausschließen. Aber mittelfristig würde sich der Euro auf 1,10 US-Dollar oder gar mehr erholen.
Michael Blumenroth ist da auch optimistisch: „Da in den USA die Notenbank Fed schon in den Zinserhöhungszyklus eingestiegen ist und die Märkte weitere deutliche Zinsanhebungen schon eingepreist haben, könnte der Aufwärtstrend des US-Dollars jetzt gebremst werden oder sich gar umkehren. Sollte die EZB die für 2022 von den Märkten erwarteten Erhöhungen tatsächlich durchführen und für 2023 weitere Erhöhungen andeuten, könnte der Euro auf mittlere Sicht zum US-Dollar Aufwertungspotenzial haben.“
Und dann lohnt sich auch wieder finanziell die USA-Reise.
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