Kaum bekannt ist ihr Name, doch geleistet hat sie Großes. Die Rede ist von der US-Amerikanerin Pearl Kendrick. Sie war es, die gemeinsam mit einer Kollegin einer Kinderkrankheit den Schrecken nahm.
Von Matthias Lauerer
Wo stände die Welt ohne die Coronavirus-Impfstoffe, die rasend schnell erfunden wurden? Erstaunlich ist, dass es Menschen gibt, die sich davor so sehr fürchten. Wer mag, könnte seine Bedenken über den neuen Schutz auch allen Ur-Großeltern zurufen, die in den 1930er-Jahren ihre Kinder an eine tückische Krankheit namens Keuchhusten verloren. Heute ist diese Seuche für uns in Europa oder Nordamerika nur noch eine blasse Erinnerung in der Kulturgeschichte.
Unterwegs für den Fortschritt
Gehen wir zurück in das vergangene Jahrhundert, um dort einer Frau bei der Arbeit zuzusehen. Deren Name: Pearl Kendrick. 1932 ist sie auf den Straßen von Grand Rapids in Michigan unterwegs. Mit von der Partie ist ihr Kollegin Grace Eldering. Beide Frauen arbeiten als Bakteriologen in einem staatlichen Labor. In ihrer Freizeit besuchen sie kranke Kinder und stellen fest, ob die mit Keuchhusten infiziert sind. In einem Interview sagte die spätere Erfinderin des lebensrettenden Keuchhusten-Impfstoffs dazu: „Wir hörten uns die traurigen Geschichten von verzweifelten Vätern an, die keine Arbeit fanden und sammelten im Schein von Kerosinlampen Proben von keuchenden, erbrechenden und würgenden Kindern und sahen, was die Krankheit anrichten konnte.“ Bis zu Kendricks späterer Erfindung gab es auch nichts, was man zur Vorbeugung der Krankheit tun konnte. Vor fast 100 Jahren starben monatlich Hunderte Kinder allein in den Vereinigten Staaten an Keuchhusten, die meisten von ihnen Säuglinge und Kleinkinder, wie es im „Smithsonian Magazin“ dazu heißt. All das änderte sich erst durch den neuen Impfstoff. Beide Frauen arbeiten bis spät in die Nacht an dessen Erfindung, anfangs fast ohne finanzielle Unterstützung, bis sich der Erfolg schließlich einstellte.
Mission Keuchhusten
Rückblick: Geboren wird Pearl Kendrick 1890 in New York. Pearl studiert an der „Syracuse University“, später folgt ein Studium der Bakteriologie an der „Columbia University“. 1926 wird sie Direktorin des staatlichen Gesundheitsamts im US-Städtchen Grand Rapids. 1932 lässt sie sich von ihrer Arbeit beurlauben und promoviert an der „Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health“. Dann kehrt sie nach Grand Rapids zurück, um den Kampf gegen den Keuchhusten wieder aufzunehmen.
Wirkstoffe ohne Wirkung
In der „National Library of Medicine“ heißt es über das Duo und die damalige Zeit: „Obwohl Wissenschaftler bis in die 1920er-Jahre Impfstoffe zur Bekämpfung vieler Infektionskrankheiten wie Pocken, Typhus, Diphtherie und Tetanus entwickelt hatten, erwies sich Keuchhusten als schwierigeres Rätsel. Die französischen Forscher Bordet und Gengou beschrieben 1906 Bordetella pertussis als den Erreger des Keuchhustens. Vor einem Jahrhundert boten pharmazeutische Unternehmen in den Vereinigten Staaten zahlreiche Keuchhusten- und Keuchhusten-Mischserum-Impfstoffe an, die sowohl der Behandlung als auch der Vorbeugung von Keuchhusten dienen sollten, doch keiner erwies sich als wirksam.“
Die richtige Dosis
Doch wie gelangten die beiden Wissenschaftlerinnen eigentlich an die tödlichen Erreger der brutalen Kinderkrankheit? Dazu husteten die mitunter sehr jungen Kinder auf eine Petrischale, auf deren Boden man zuvor den Nährboden auftrug. Später landeten die so gewonnenen proben im Labor in einem Inkubator, wo die Bakterien zu Kolonien heranwuchsen, die sich für die Analyse eigneten. Die Herkulesaufgabe: Der Erreger musste sicher abgeschwächt werden, um ihn menschlichen Probanden zu injizieren. Dennoch musste er stark genug sein, um eine dauerhafte Immunabwehr gegen Keuchhusten hervorzurufen.
Bescheidenheit ist eine Zier
Die zwei Wissenschaftlerinnen kämpften auch gegen den damaligen Zeitgeist, traute man ihnen aus dem medizinischen Establishment den ganz großen Coup doch nicht zu. „Ich habe nie gedacht, dass es etwas gibt, was ich nicht tun kann“, sagt Kendrick später einem Reporter. Und Mitte der 1980er erklärt sie einem anderen Journalisten, der sie zuvor danach gefragt hatte, weshalb der Schutz nicht als Kendrick-Eldering-Impfstoff in die Geschichte einging: „Wir lehnten diesen Gedanken ab, weil einfach zu viele Leute daran beteiligt waren und wir nicht den alleinigen Ruhm ernten wollten. Man hätte eine ganze Reihe von Namen auf den Impfstoff setzen müssen.“
Geld für das Gesundheitswesen
Kehren wir in die Gegenwart zurück: Heute kürzen Regierungen die Budgets im öffentlichen Gesundheitswesen und den Hospitälern. Erinnern wir uns noch an „MERS“ oder „Zika“? Sicher, doch dann kam Anfang 2020 SARS CoV-19 über die Welt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste „SpillOver“, also die Übertragung eines Virus von Mensch auf Tier ansteht. Dann brauchen wir sicherlich wieder Menschen wie Pearl Kendrick und ihre Kolleginnen …
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