Sicher, wir kennen viele männliche Erfinder. Da wären Thomas Alva Edison als Mann für das elektrische Licht oder Philipp Reis, der Erfinder des Telefons. Tausende ihrer Namen finden sich in unseren Städten wieder – sei es als Straßenname oder auf pompösen Statuen. Doch wie steht es um die Frauen? Diese Courage-Online-Serie widmet sich den Damen, die Unglaubliches entdeckten, die um die Ecke dachten und Großes entwarfen.
Von Matthias Lauerer
Wir schreiben das Jahr 1908. An bedeutsamen Dingen gibt es zu vermelden: Der Erfinder von „Max und Moritz“-Geschichten, Wilhelm Busch, stirbt im Januar und in China wird ein zweijähriger Junge zum Kaiser gekrönt. Dessen Name: Pu Yi. Dann gibt es da noch eine dreifache Mutter, die in Dresden wohnt und sich immer über den morgendlichen Kaffee ärgert. Besser gesagt, über die Schweinerei, die mit dem Konsum einhergeht. Und das kommt so: Kaffee gibt man zur damaligen Zeit als Pulver in den Becher, schüttet heißes Wasser darauf und wartet geduldig, bis sich der Schmock langsam absetzt. Das dauert, der Kaffee wird kalt und ganz „rein“ ist das Getränk nicht, weil sich darin immer wieder Pulverreste finden. Die verfangen sich beim Konsum zwischen den Zähnen oder landen im Magen.
Filtern per Papier
Das muss doch anders funktionieren, denkt sich Melitta Bentz. Ihr zur Hilfe kommt das Löschpapier des Sohnes. Könnte man damit nicht einen simplen Filter bauen, der die Kaffeereste vom herrlichen Getränk fernhält? Und so kommt es. Melitta Bentz ist damals 35 Jahre alt und meldet ihre Idee im Juni 1908 als Patent an. Beim „Deutschen Patent- und Markenamt“ nennt sich der eingereichte Geistesblitz: „Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem und mit Vertiefung versehenem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern.“ Weiter heißt es: „Das gewerbliche Schutzrecht wurde mit Registrierung vom 8. Juli 1908 auf Seite 1145 der Patentblätter des Kaiserlichen Patentamts zu Berlin gewährt.“
Von 72 Reichspfennig auf 1,7 Milliarden Euro Umsatz

Illustration von Melitta Bentz, © Jindrich Novotny/Melitta Group
Und wie ging es weiter? Dazu schriebt das Medium „Unternehmeredition“: „Mit bescheidenen 72 Reichspfennigen Startkapital meldet Melitta 1908 beim Gewerbeamt ein ´kaufmännisches Agentur- und Kommissionsgeschäft´ an.“ Und weiter: „Die Filterpapierherstellung beginnt in einem acht Quadratmeter großen Zimmer in der Dresdner Fünfzimmerwohnung der Familie. Ihr Mann Hugo Bentz gibt seinen Beruf als Angestellter in einem Kaufhaus auf. Die Söhne Willy und Horst liefern Filterpapier-Kartons mit dem Bollerwagen aus, der Ehemann führt in Schaufenstern die Handhabung des Kaffeefilters vor. Melitta macht derweil Werbung im Freundeskreis und präsentiert ´vollendeten Kaffeegenuss´.“ Nicht nur der Einfall ist pfiffig, sondern auch die umgekrempelte Rollenverteilung der Familie Bentz beachtlich, denn Ehemann Bentz steigt in die Firma seiner Frau mit ein. Ob dies damals häufig vorkam? Eher nicht.
Mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz D
Die Sache mit den Filtern verkauft sich sehr gut und die bildet die Grundlage für den heutigen Geschäftserfolg der „Melitta Unternehmensgruppe Bentz KG“. 5.849 Mitarbeitende in etlichen Staaten erwirtschaften 1,7 Milliarden Euro Umsatz, wie es auf der Webseite heißt. Melitta Bentz legte also mit ihrer kongenialen Erfindung den Grundstein für eine Firma, die heute deutlich mehr als eine Milliarde US-Dollar umsetzt.
Weiteres Patent in den 1930er Jahren
Doch die Ideen gehen der Erfinderin nicht aus. In den 1930er-Jahren folgt „ein aus Porzellan gefertigter Kaffeefilter, mit einer sich konisch nach unten verjüngenden Form.“ Der Clou: „Eine im unteren Viertel des Filters auskragende Scheibe ermöglicht das Aufsetzen auf eine Tasse oder Kanne. Auf der Innenseite ist der Filter längs geriffelt, um den Kaffee gleichmäßig nach unten zu leiten. Innen in den Filter wird ein passgenaues Filterpapier eingelegt.“ Genannt wird die Erfindung „Melitta Schnell-Filter Nr. 102 für 3–6 Tassen.“ Dafür gibt es im Oktober 1935 das „Deutsche Reichspatent“ mit der Nummer 653976.
Ökopapier im Einsatz
Heute stammt das Filterpapier für den Kaffee aus „FSC“ Holz. Das steht für „Forest Stewardship Council“ und ist „ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft“, wie die NGO „WWF“ dazu schreibt. Die Geschichte von Melitta Bentz zeigt: Manchmal reichen eine tolle Idee und harte Arbeit dazu aus, um durchzustarten.
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