Eigentlich ist es eine total verrückte Idee: Man springt aus einem Flugzeug und ein gefalteter Fallschirm trägt einen bis zur Erde zurück. Doch wem haben wir diese Erfindung zu verdanken?
Von Matthias Lauerer
Vom Deutschen Patent und Markenamt heißt es dazu: „Käthe Paulus war eine schillernde Figur: mutige Pionierin der Luftfahrt, waghalsige Akrobatin, clevere Erfinderin und Lebensretterin. Am 22. Dezember 1868 wurde die Entwicklerin des Paketfallschirms in Zellhausen bei Offenbach geboren.“
Das Patent wurde 1920 erteilt
Es ist eine alte Zeichnung, die so vielen Menschen bis heute das Leben rettete. Das Stück Papier trägt die Nummer „AT 79731“ und ist 102 Jahre alt. Dort liest man etwas über eine „Einrichtung zum Anbringen von Fallschirmen an Luftfahrzeugen.“
Ausbildungsberuf: Schneiderin
Rückblick: „Schon als Kind war Katharina ‘Käthe’ Paulus von Artistik fasziniert. Sie balancierte auf Wäscheleinen und führte gerne artistische Übungen vor. Trotzdem entschied sie sich, ein bodenständiges Handwerk zu erlernen und wurde Schneiderin. Ein Beruf, der ihr noch sehr nützlich werden sollte“, weiß das Deutsche Patent- und Markenamt.
Sprung aus dem Ballon
Vor 133 Jahren kommt es zu einer folgenschweren Begegnung: Käthe Paulus lernt Hermann Lattemann kennen und sie finden menschlich und beruflich zueinander. Später wird Käthe zur Mutter, doch das Leben meint es nicht gut mir ihr. Sowohl der Sohn als auch der Ehemann sterben später bei ebenjenen Fallschirmsprüngen. Doch sie macht einfach weiter.
Dann lässt der erste berufliche Paukenschlag nicht lange auf sich warten und Paulus springt aus 1.200 Meter Höhe aus einem Ballon. Am 28. August 1893 halten dazu bei einem Volksfest in Nürnberg mehr als 60.000 Zuschauer den Atem an. „In der Presse wurde dieses Ereignis nicht mit der entsprechenden Aufmerksamkeit gewürdigt, denn die junge Dame aus Zellhausen wurde wegen ihren weißen Matrosenbluse, Pluderhosen und Stulpenstiefel als unschick tituliert“, heißt es auf der Webseite Mainhausen. Dennoch geht ihr Sprung in die Geschichtsbücher ein, hier als erster Fallschirmsprung einer deutschen Frau. Weltweit hatten diese Aktion zuvor nur zwei andere Frauen gewagt.
7.000 Lebensretter für die Armee
Doch was machte ihre Erfindung nun so besonders? Das Verwickeln der Tragleinen beim Öffnungsvorgang des Fallschirms wurde per schlauem System zusammengelegt, verpackt und befestigt, sodass sich der Fallschirm zuverlässig voll entfaltete und sich die Tragleinen nicht in der Luft verhedderten, wenn es rasant zur Erde ging. Ab 1916 arbeitet sie für das Militär, das den Paketfallschirm für gut befindet und 7.000 davon bestellt – alle versehen mit ihren Initialen. Ein gute Marketingidee, so weiß jeder, dass er oder sie sicher springen kann. 1917 bekommt sie das Verdienstkreuz für Kriegshilfe, weil ihr Fallschirm Menschen dabei hilft, sich aus abgeschossenen Flugzeugen in Sicherheit zu bringen. Als Käthe Paulus 1935 stirbt und in Berlin-Reinickendorf in einem Ehrengrab der Stadt ihre letzte Ruhe findet, stecken mindestens 165 Fallschirmsprünge und mehr als 700 Fahrten als Ballonführerin in ihren Knochen.
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