Mit den Armen wild fuchtelnde Kerle, die brüllen: Dieses Bild haben viele im Kopf, sobald sie das Wort „Börse“ hören. Kein Ort also für Normalbürger und ‑bürgerinnen? Oder doch? Was hat die Börse mit uns zu tun?
Von Gisela Haberer
Börsenhandel geht alle was an. Denn an der Börse wird die Zukunft gehandelt. Unser aller Zukunft. Wer sie mitgestalten will, kann dies über die Börse tun. Denn jeder kann an der Börse in das investieren, was einem für die Zukunft wichtig erscheint, zum Beispiel in Unternehmen, die Wasser aufbereiten, Sonnenenergie nutzen oder Batteriespeicher bauen.
An der Börse lässt sich zielgenauer investieren, als dies über übliche Bankeinlagen möglich ist. Banken wirtschaften mit dem Geld, das auf ihre Giro‑, Spar- oder Tagesgeldkonten eingezahlt beziehungsweise in Fest- oder Termingeld bei ihnen angelegt wird – in ihrem Sinne. Auf diese Art verdienen sie die Zinsen, die sie für die Guthaben geben, meistens verdienen sie aber mehr.
Vertrauen Anlegerinnen ihr Geld einer Bank an, geben sie damit ihren Einfluss auf die weitere Anlage ihres Geldes an die Bank ab. Investieren Sparerinnen ihr Geld dagegen selbst an der Börse, können sie zumindest die Richtung vorgeben, wo und wofür ihr Geld arbeitet. Und das hat Tradition.
Was heißt eigentlich „Börse“?
„Byrsa“ sagten die alten Griechen zu Haut oder Fell, das Tieren abgezogen worden war. Die alten Römer, immer Praktiker, liehen sich den Begriff gleich für das, was man aus Leder machen konnte und nannten Geldtäschchen oder Säckchen „bursa“.
Die holländische Patrizierfamilie „van der Beurse“, die in ihrem Wappen bezeichnenderweise drei Lederbeutel führte, betrieb eine Art Gasthof. Hier trafen sich vor rund 700 Jahren Kaufleute auf ihrem Weg zur nahegelegenen Messe in Brügge und tauschten Neuigkeiten aus. Sie informierten sich vorab über neue Waren und die Vertrauenswürdigkeit der Anbieter. Schließlich ging man „zu den Beursen“, um neue Geschäfte anzubahnen. Der Begriff bürgerte sich so ein, dass Kaufleute auch in anderen Städten ihre regelmäßigen Treffen „Börse“ nannten.
Seit wann gibt es die Börse?
Das erste Bauwerk, das speziell für den Börsenhandel errichtet wurde, entstand 1531 in Antwerpen: Hier trafen sich Geldwechsler und Kaufleute aus aller Herren Länder. In Deutschland wurde die erste Börse 1540 in Augsburg auf Initiative der damals aufstrebenden Kaufmannsfamilie Fugger gegründet. Kurz darauf eröffneten Kaufleute und Patrizierfamilien die Börse in Nürnberg, die zum Bindeglied zwischen Italien und anderen europäischen Wirtschaftszentren wie Prag wurde.
Der Clou war von Anfang an: Es wurden an den Börsen zwar Waren gehandelt – aber nicht „zu Markte getragen“. Nur „Wechsel“, Bescheinigungen oder Nachweise über Waren wechselten den Besitzer. Das sparte Transportkosten und war viel leichter abzuwickeln. Das ist bis heute so geblieben, nur besteht der Nachweis inzwischen meist nur noch in Bits und Bytes.
Was wird an Börsen eigentlich gehandelt?
Heute wird an Börsen fast alles gehandelt. Voraussetzung: Angebotenes lässt sich nach Art, Maß, Gewicht und Zahl genau bestimmen. Denn dann ist es austausch- und nachweisbar.
Nur: Nicht jede Börse handelt alles. Im Gegenteil. Für Edelmetalle wie Gold gibt es spezielle Edelmetallbörsen, für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Kaffee oder Kakao sogenannte Warenbörsen, für Energie „Strombörsen“, für Währungen Devisenbörsen und für Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen Wertpapierbörsen.
Börsen sind organisierte Märkte, auf denen regelmäßig zu festgelegten Zeiten bestimmte Güter gehandelt werden. Wie auf dem Wochenmarkt bestimmen auch hier Angebot und Nachfrage die Preise – Kurse genannt. Und ebenso gibt es an der Börse Regeln und Marktwächter.
Wer überwacht die Börse?
Der Handel an Börsen wird durch staatliche Aufsichtsämter überwacht. In Deutschland unterliegt er dem deutschen Börsengesetz. Die Einhaltung der Regeln wird von Landesregierungen sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) überwacht.
Unternehmen, die an die Börse gehen wollen, müssen erst einen Börsenzulassungsprospekt vorlegen. Darin werden Geschäftsfelder und Unternehmensentwicklung beschrieben, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder benannt sowie die jüngste Bilanz vorgelegt. Nach ihrer Zulassung müssen Aktiengesellschaften regelmäßig Geschäftsberichte vorlegen. Daher sind Informationen über börsennotierte Aktiengesellschaften oft erheblich leichter zu erhalten als etwa über GmbHs oder Stiftungen.
Anlegerinnen können sich so ein Bild davon machen, worin sie investieren würden, bevor sie Aktien oder Anleihen eines Unternehmens an der Börse erwerben.
Börse: Ist das nicht nur was für „Reiche“?
In den ersten Börsen dieser Welt vor gut 500 Jahren trafen sich nur Geldwechsler, Kaufleute, Händler. Heute sind es Kursmakler und Computerexperten. Doch die Profis handeln im Auftrag anderer. Die Nachweise über Waren, Güter und Wertpapiere, die sie handeln, lassen sich in kleinste Stücke teilen.
Die Börse ist in gewissem Sinne demokratisch: Sie eröffnet allen die Chance, sich selbst mit geringen Mitteln am „Produktivkapital“ zu beteiligen: etwa über den Kauf eines Anteils an einem Unternehmen in Form einer Aktie, mehr dazu in Teil 3 und Teil 8 der Börsenserie.
An der Börse verliert man doch nur Geld!
Gerade deutschen Anlegern steckt noch die Angst in den Knochen. Zur Erinnerung: Ende der 1990er-Jahre lockte der Börsengang der Deutschen Telekom sowie junge Unternehmen mit neuen Geschäftsfeldern rund um Internet und Mobiltelefonen viele Kleinanleger und ‑anlegerinnen erstmalig an die Börse.
Viele vertrauten mündlichen Tipps und fragten nicht nach genaueren Informationen. Sie hörten von hohen möglichen Gewinnen und wollten dabei sein. Doch Gier ist an der Börse der schlechteste aller Ratgeber. Im März 2000 platzte die sogenannte Dotcom-Blase. Viele Kleinanleger und ‑anlegerinnen verloren Geld.
Besser ist es, im wörtlichen Sinne zu spekulieren. Denn wer spekuliert, hält – im wahrsten Sinne des Worts – Ausschau und beobachtet genau. Übertragen auf Anlegerinnen heißt das: sich genau zu informieren. Mehr zum Thema Spekulieren gibt es in Teil 1 unsere Börsenserie.
Da sich die Zukunft aber nie genau vorhersagen lässt, werden Investitionen an der Börse am besten auf verschiedene Titel verteilt. Das gelingt zum Beispiel über ETF und andere Fonds (demnächst in Teil 6 und 7 der Börsenserie), aber auch über die Verteilung des Vermögens auf mehrere einzelne Titel wie Aktien (mehr dazu in Teil 3 der Börsenserie), Anleihen (mehr dazu in Teil 4 der Börsenserie) und Zertifikate (mehr dazu in Teil 5 der Börsenserie). Über längere Zeiträume sind dann tatsächlich ansehnliche Gewinne möglich.
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