Finanz- und Börsenwissen gibt’s nicht in der Schule, und so wachsen viele von uns ohne Know How zu Geldanlage, Investieren, Börse auf. Umso wichtiger ist es, dass Töchter und Söhne von klein auf verstehen, mit Geld umzugehen. Egal, ob die Erkenntnisse aus Geschichten um Bleimünzen kommen, von einem gewissen Dagobert-Duck-Feeling, aus guten Büchern oder von guten Vorbildern…
Von Antje Erhard
„Mama, der DAX ist um 20 Prozent gefallen.“ Mein Sohn – ca. 7 oder 8 Jahre alt – kam aufgeregt in mein Büro an der Börse. Es war einer dieser Tage mit Betreuungsleck.
„20 Prozent – hab ich gar nicht mitbekommen.“ Wir gehen los und schauen nach. Es waren zum Glück nur 20 Punkte. „Mama, ist das viel?“ – „Nein, das ist ganz wenig, Aktien steigen und fallen, das ist normal.“ — „Mama, hab ich den DAX auch im Depot?“ – „Ja, hast du. Kennst du Aktien, die im DAX drin sind?“ – Mein Sohn denkt kurz nach: „adidas und Mercedes.“ Mama nickt zufrieden.
Mit einem Besuch auf dem Frankfurter Parkett hat es bei uns angefangen. Die Deutsche Börse hat schon vor der Corona-Pandemie angefangen, ein neues Besucherzentrum zu bauen. Hier lernt man eine Menge über Börse. Man kann virtuell Aktien kaufen und sehen, wie der Handel funktioniert. Wie ein Aktienkurs zustande kommt, welche Aktien hier gehandelt werden, wie sich der Handel über die Jahrhunderte verändert hat. Und wie man auch selbst Teil davon werden kann, als Investor:in.
Wenn das Besucherzentrum der Frankfurter Börse nach der Pandemie wieder öffnet – geh mal hin. Man muss sich nicht anmelden und es kostet nichts. Man wird herum geführt und es gibt Vorträge zu Aktien und Börse. Außerdem kann man einen Blick in den Handelssaal werfen, wo eine besondere Atmosphäre herrscht.
Kaufen, was du kennst bzw. selbst benutzt
Die Börsenbesuche meines Sohnes waren nicht nur schöne Erlebnisse, sondern er hatte dann auch eine Menge Fragen. Vor allem zu seinem eigenen Depot. Was mir auffiel: Er fragte explizit nach den Aktien, deren Produkte er kannte oder selbst benutzte. Es empfiehlt sich, Aktien zu kaufen, die man kennt und deren Geschäftsmodell man vesteht bzw. deren Produkte man selbst benutzt.
Aller Anfang ist einfach: Regelmäßig in einen Sparplan investieren
Zunächst sollten Eltern den Kindern erklären, wie Geld angelegt werden kann: Wie und warum man langfristig investiert, wie man selbst investiert, was es außer Aktien noch an Möglichkeiten gibt, was ETFs sind. Sinnvoll sind dann ein oder zwei ETF-Sparpläne. Die sollten ohne Kaufgebühren bespart werden können. Vielleicht kann das Kind sogar aus einer Vorauswahl selbst welche aussuchen. Überprüft dann das Depot regelmäßig gemeinsam.
Ein weiterer Tipp: eine kleine „Finanzspritze“ der Großeltern kann ebenfalls ins Depot eingezahlt werden.
Bei uns sind auch die Großeltern mit im Boot, wenn es ums Investieren für’s Kind geht. Die beiden schicken unserem Sohn aber gern mal ein Päckchen mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken und oft genug auch noch mit einer kleinen „Finanzspritze“ drin – einfach so „außer der Reihe“. Da haben wir Eltern vorgeschlagen, ob Omi und Opa nicht etwas Geld ins Depot einzahlen. Und so war der nächste Sparplan aufgelegt.
Nun hat nicht jede:r eine Unterstützung durch Paten oder Großeltern. Aber schon kleine Beträge in einem Sparplan entfalten eine große Wirkung. Wir haben es gemeinsam unserem Sohn vorgerechnet: 50 Euro regelmäßig über 18 Jahre, bis zur Volljährigkeit. Wir haben eine Rendite von sechs Prozent p.a. angenommen und eine thesaurierende, reinvestierende Geldanlage. Das ist konservativ, aber wir wollten ja auch keine überzogenen Erwartungen wecken. Das Ergebnis: Zu Einzahlungen von insgesamt 10.800 Euro kommen 8.665 Zinsen hinzu. Abzüglich der Kapitalertragssteuer von 1.600 kommen über die Zeit 17.865 Euro zusammen. Dass das viel Geld ist, verstehen auch größere Kinder!
Und wenn die Eltern selbst gute Vorbilder sind, ist das schon die halbe Miete. Gespräche über das Marktgeschehen sind daher wichtig – die Kinder sollen auch Fragen stellen können. Wie, warum das Depot in den vergangenen Wochen Rückschläge hat hinnehmen müssen. Eltern sollten ihm dann erklären, warum – und, dass Aktien, die qualitätsstark sind, wieder steigen.
Eltern müssen sich aber eben auch selbst an die Börse trauen- und die eigenen Vorurteile (Börse ist nur für Vermögende, keine Zeit, kein Kapital) über Bord werfen und selbst (klein) anfangen. Investments an der Börse waren bis dato nach 15 Jahren immer positiv. Egal zu welchem Einstiegszeitpunkt. Egal wie mies es zwischendrin gelaufen ist. Ein einfaches Beispiel: Der MSCI World Aktienindex, der weltweit in die größten Unternehmen in den USA, Europa, Asien und Lateinamerika investiert, legt eine Performance von im Schnitt neun Prozent pro Jahr hin, abzüglich der Inflation also rund sechs Prozent. Trotz Kursrücksetzern oder gar Kurseinbrüchen.
Motivation und Ziele sind wichtig
Um die Kinder zu motivieren, selbst aktiver zu werden, können sie ersten beiden Kapitel des Buches „Rich dad, poor dad“ lesen. Der Autor, Robert Kiyosaki, schildert, wie er selbst als Junge mit seinem besten Freund an das Thema „Investieren“ gekommen ist. Er beschreibt zum Beispiel, wie die er mit seinem Freund Münzen prägen wollte. Sie sammelten Zahnpastatuben, schmolzen sie ein, gossen das Blei in Formen und stellten Fünf-Cent-Münzen her. Die beiden wichtigsten Erkenntnisse: Den Unterschied zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten zu verstehen und die Erkenntnis: „Die Frage ist NICHT, warum erreiche ich Ziele nicht, sondern die Frage ist: WIE erreiche ich Ziele.“ Auch finanzielle.
Belohnen kann man mit einem kleinen Geldbetrag – die Kinder sollten selbst überlegen, wie sie ihn investieren würden. Natürlich sollten Eltern mit ihnen darüber sprechen, was in ihrem Depot der Kinder und was sinnvoll ergänzen werden könnte: Eine Aktie sollte es sein. Und sie sollte zur langfristigen, renditeorientierten Ausrichtung des Depots passen. Reicht es nicht für eine Aktie, hilft ein Sparplan: Einmal eingerichtet, bespart der oder die Kleine nun auch seine erste Einzelaktie. Das ist allerdings gebührenseitig etwas teurer als ein ETF. Aber seine oder ihre erste ganz eigene Entscheidung an der Börse ohne Hilfe ist vielen die Gebühren wert.
Wichtiger Hinweis für Eltern: Ein Depot soll immer auch auf den Namen des Kindes laufen. Denn Kinder erhalten einen eigenen Sparerpauschbetrag von 801 Euro pro Jahr. Bis zu diesem Betrag bleiben die erreichten Erträge steuerfrei. Dafür muss man der Depotbank einen Freistellungsauftrag erteilen. Wenn man mehr investiert und den Pauschbetrag überschreitet, sollte man eine Nichtveranlagungsbescheinigung beantragen. Dann wird keine Abgeltungssteuer fällig, denn auch Kinder erhalten den steuerlichen Grundfreibetrag auf die Erträge im Depot von 9.984 Euro (2022).
Wichtig: Eltern haben logischerweise Zugriff auf die Konten und Depots der Kinder. Das Geld gehört aber dem Kind. Eltern dürfen davon nichts abheben und für sich selbst verwenden. Der Nachwuchs könnte die Eltern dafür verklagen, sobald er 18 ist. Außerdem können die Kleinen mit dem Geld machen, was sie möchten, wenn sie volljährig sind.
Achtung: Wenn ein Studium ansteht, zählt das Geld zum Vermögen. Wer BaföG als Studienförderung beantragt, kann diese Förderung nur bis zu einem eigenen Vermögen von maximal 8.200 Euro erhalten.
Courage-Tipp: Wie die Kinder den Umgang mit Geld lernen, fängt schon mit dem Sparen an: Auch Kinder können sparen. Je früher sie das lernen, umso besser. Schließlich ist nicht immer Weihnachten oder Geburtstag als Geschenk-Gelegenheit, aber die Wunschliste der Kleinen wächst ja das ganze Jahr über. Ein eigenes Sparschwein hilft den Kleinen, einen Wunsch erfüllt zu bekommen – und selbst dazu beizutragen: Ein Teil seiner Geldgeschenke oder ein Teil vom Taschengeld wandert ins Sparschwein. So kann sich das Kind weiter kleine Wünsche erfüllen und sich auf einen großen Wunsch freuen. Ist immer noch Geld übrig, dann nichts wie aufs Depot damit. Auf einem Sparkonto gibt es schließlich keine Zinsen.
Spar-Challenge und Dagobert-Duck-Feeling
Mein Sohn und ich haben eine Challenge gestartet: Das Kleingeld, das wir aus der Rückgabe von Pfandflaschen bekommen haben, haben wir in eine Spardose gesteckt. Natürlich nur, wenn mein Sohn mit dabei war und geholfen hat, Kisten und Flaschen zu schleppen. Nach ein paar Monaten war die Dose voll. Wir sind mit der Dose zur Bank und haben die Münzen in den Einzahl-Automaten geschüttet.
Auch kleine Einkäufe mit Einkaufsliste und entsprechendem Geldbetrag sind ein guter Motivator zum Sparen: Die Kinder helfen der Familie mit ihrem Einkauf, lernen Preise zu vergleichen, tragen Verantwortung – und werden belohnt: Denn das Wechselgeld dürfen sie behalten. Und damit machen, was sie möchten. Kinder sollen von ihrem Taschengeld ab dem Grundschulalter kaufen können, was sie mögen. Auch und gerade Dinge, die nur aus ihrer Sicht sinnvoll sind. So lernen Kinder und Jugendliche den Umgang mit Geld und werden motiviert zu sparen. Und zu investieren.
Fazit: Gespräche über Geldanlage, die eigene gute Vorbildwirkung und kleine Aufgaben rund um das Börsengeschehen können schon bei unseren Kindern das Interesse für Geldanlage wecken. Und Eltern können ihnen schon dadurch helfen, dass wir auch in dieser Beziehung gute Vorbilder sind.
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