Fast jede fünfte Familie mit minderjährigen Kindern in Deutschland ist eine Einelternfamilie. In 88 Prozent von ihnen wohnen Kinder bei ihrer Mutter, schätzt der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Immer häufiger wagen Familien ein Wechselmodell, bei dem Kinder nach Trennung oder Scheidung bei Mama und Papa gleichermaßen zu Hause sind, beobachtet der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV). Je nach Familiensituation haben Erziehende Anspruch auf Unterhaltsleistungen und staatliche Hilfen. Courage klärt die wichtigsten Details.
Von Gisela Haberer
Unterhalt bei Noch-Ehepaaren
In der Zeit zwischen Trennung und rechtskräftiger Scheidung gibt es den sogenannten Trennungsunterhalt. Wurde in einem Trennungsvertrag ein Verzicht auf diesen Unterhalt vereinbart, so ist dieser Passus ungültig. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht grundsätzlich, dieser fließt aber nicht automatisch. Im Streitfall ist er mithilfe eines Anwalts einzuklagen.
Zur Berechnung werden die Nettoeinkommen eines Paares zusammengerechnet. Vom Gesamteinkommen werden Verbindlichkeiten wie Miete, Versicherungen und Kindesunterhalt abgezogen. Die restliche Summe wird zwischen den Eheleuten aufgeteilt.
Für die Verteilung sind zwei Fragen entscheidend: Hat der Unterhaltsberechtigte einen finanziellen Bedarf? Reicht das Einkommen des Unterhaltspflichtigen aus? Gegenüber dem oder der „Ex“ liegt der sogenannte Selbstbehalt bei 1280 Euro im Monat. Unterhaltszahlungen an Kinder haben Vorrang.
Beide Eheleute haben eine Auskunftspflicht. Sie müssen sich gegenseitig über ihr aktuelles Einkommen sowie über Änderungen ihrer Einkünfte informieren, etwa durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsaufnahme, Gehaltserhöhung oder Boni.
Tipp des Bayerischen Sozialministeriums für Alleinverdiener-Ehen:
Eine Rückkehr in den Beruf vor Ablauf des ersten Trennungsjahres wird belohnt. Dafür vereinbaren die Noch-Eheleute, Erwerbseinkommen auf den Trennungsunterhalt nicht anzurechnen. Die unterhaltsberechtigte Person verbessert so ihren aktuellen Lebensstandard und erhöht ihre späteren Rentenansprüche, die unterhaltspflichtige Person darf auf eine Entlastung beim Unterhalt nach der Scheidung hoffen.
Mehr dazu hier.
Unterhalt nach der Scheidung
Nach der Scheidung kommt es auf die Umstände an, ob ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht. Dies kann der Fall sein, wenn Geschiedene ein Kind betreuen müssen oder nicht ausreichend selbst verdienen können, zum Beispiel weil sie krank, pflegebedürftig, in Ausbildung, Fortbildung, Umschulung oder arbeitslos sind.
„Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes“ wird für mindestens drei Jahre nach Geburt des Kindes gezahlt. Verlängerungen sind möglich, etwa wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Behinderung des Kindes, fehlenden Betreuungsmöglichkeiten vor Ort oder wenn die Rollen zwischen Erwerbstätigkeit und Kindererziehung während der Ehe über Jahre klar verteilt gewesen waren.
Ziehen Alleinerziehende mit einem neuen Lebensgefährten zusammen, wirkt sich dies auf ihre Unterhaltsansprüche aus.
Bei der Verteilung des „Kuchens“ gibt es eine gesetzliche Rangfolge. Als erstes sind Ansprüche von ehelichen und nicht ehelichen Kindern unter 21 Jahren zu befriedigen, die in Ausbildung sind. Elternteile, die Kinder betreuen, folgen auf dem zweiten Rang.
Unterhalt nach der Trennung
Im Unterschied zu verheirateten Paaren, besteht bei einem kinderlosen ledigen Paar nach der Trennung keinerlei Anspruch auf Unterhalt.
Dagegen haben Mütter oder Väter, die nach der Trennung gemeinsame Kinder überwiegend allein erziehen, eventuell Anspruch auf „Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes“. Dieser Betreuungsunterhalt ist für Ledige genauso geregelt wie für Geschiedene.
In den ersten drei Lebensjahren eines Kindes bleibt es dem betreuenden Elternteil überlassen, ob das Kind selbst betreut oder ein Betreuungsangebot angenommen wird. Der Betreuungsunterhalt steht in jedem Fall zu. Ab dem dritten Geburtstag des Kindes kommt es auf die Umstände an.
Unterhalt für Kinder
Minderjährige Kinder haben grundsätzlich Anspruch auf Unterhalt, unabhängig davon, ob ihre Eltern zusammen oder getrennt leben. Eltern können ihre Unterhaltspflichten erfüllen, indem sie Unterkunft, Verpflegung, Kleidung usw. stellen und damit den sogenannten Naturalunterhalt leisten.
Nach Trennung oder Scheidung kommt es darauf an, wo das Kind überwiegend wohnt. Erzieht ein Elternteil das Kind allein, leistet der andere Elternteil entsprechend seinem Einkommen Barunterhalt für das Kind.
Anspruch auf Unterhalt aus elterlichem Einkommen haben zunächst minderjährige Kinder. Ihnen sind volljährige Kinder unter 21 Jahren gleichgestellt, die noch die allgemeine Schulausbildung absolvieren.
Auf Rang 2 folgen Elternteile, die Kinder betreuen, auf Rang 3 andere Ex-Ehepartnerinnen oder ‑Partner. Volljährige unverheiratete Kinder in Ausbildung oder Studium stehen erst im 4. Rang. Das bedeutet, sie erhalten erst dann elterlichen Unterhalt, wenn die Ansprüche aller Personen in Rang 1 bis 3 befriedigt sind.
Für volljährige Scheidungs- oder Trennungskinder können daher staatliche Hilfen wie BAföG oder Stipendien entscheidend sein, um gewünschte Abschlüsse zu erreichen.
Die Höhe des Kindesunterhalts richtet sich nach dem Einkommen des oder der Unterhaltspflichtigen. Das Einkommen der Eltern sichert zunächst ihren eigenen Unterhalt. Ihnen steht ein sogenannter Selbstbehalt zu. Dieser liegt gegenüber minderjährigen Kindern für Erwerbstätige bei 1160 Euro, für Nichterwerbstätige bei 960 Euro. Erst aus Einkommen, das darüber liegt, fließt Unterhalt an Kinder.
Die Regelung ist kein Freibrief. Unterhaltspflichtige müssen sich nach Kräften dafür einsetzen, den Lebensbedarf ihres Nachwuchses zu sichern. Das kann bedeuten, einen Nebenjob anzunehmen oder sich um eine besser bezahlte Stelle zu bemühen. Im Einzelfall kann sogar der Selbstbehalt gekürzt werden, um den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder zu sichern.
Die „Düsseldorfer Tabelle“, die das Oberlandesgericht Düsseldorf herausgibt, gibt eine Orientierung zur altersgemäßen Höhe des Kindesunterhalts. Die Tabelle ist zwar nur eine Leitlinie und hat keine Gesetzeskraft. Die Rechtsprechung orientiert sich aber in der Regel an den aufgeführten Werten.
Unterhaltzahlende unterzeichnen häufig beim Jugendamt eine Urkunde, in der sie sich verpflichten, Unterhalt entsprechend ihrem Einkommen zu leisten. Die Urkunde wird vom Jugendamt kostenfrei erstellt. Das Jugendamt ist dann auch der Ansprechpartner, falls Kindesunterhalt nicht oder nur teilweise gezahlt wird.
Minderjährige Kinder können einen „dynamischen Unterhaltstitel“ erhalten. Dann müssen Unterhaltsleistende ihre Zahlung von sich aus auf Aktualisierungen der Düsseldorfer Tabelle anpassen.
Volljährige Kinder erhalten grundsätzlich einen „statischen Unterhaltstitel“ und damit gleichbleibende Zahlungen. Führen sie während ihrer Ausbildung einen selbstständigen Haushalt, haben sie Anspruch auf Barunterhalt von beiden Eltern. Anpassungen der Höhe sind über eine freiwillige Vereinbarung mit der Mutter und/oder dem Vater oder über eine Abänderungsklage zu erreichen. Der Selbstbehalt von Unterhaltsleistenden liegt gegenüber volljährigen Kindern bei 1400 Euro.
Die Höhe des Kindesunterhalts kann hier berechnet werden.
Unterhaltsvorschuss
Beim Jugendamt kann ein Unterhaltsvorschuss beantragt werden, falls Unterhaltszahlungen ganz oder teilweise ausfallen, zum Beispiel weil der andere Elternteil über ein zu geringes oder kein Einkommen verfügt, unbekannt oder verstorben ist.
Der Unterhaltsvorschuss soll rechnerisch zusammen mit dem vollen Kindergeld für ein erstes Kind den Mindestunterhalt eines Kindes sichern. Die Werte in Einkommensstufe 1 (unterhaltsrelevantes Einkommen bis 1900 Euro) der „Düsseldorfer Tabelle“ entsprechen dem Mindestunterhalt.
Anspruch auf einen Unterhaltsvorschuss hat ein minderjähriges Kind, das zusammen mit einem alleinerziehenden Elternteil in Deutschland lebt und vom anderen Elternteil keinen Unterhalt in zustehender Höhe erhält. Bei Kindern zwischen zwölf und 18 Jahren gibt es zwei weitere Voraussetzungen: Der oder die Alleinerziehende verdient mindestens 600 Euro brutto im Monat und das Kind ist dank des Unterhaltsvorschusses nicht auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II angewiesen. Ein Elternteil ist dann alleinerziehend, wenn er oder sie überwiegend für die Erziehung verantwortlich ist und nicht (wieder) verheiratet.
2021 beträgt der Unterhaltsvorschuss
• für Kinder von 0 bis 5 Jahren bis zu 165 Euro
• für Kinder von 6 bis 11 Jahren bis zu 220 Euro
• für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 293 Euro
Von den Höchstbeträgen werden Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils, Halbwaisenrenten und eventuelle Ausbildungsvergütungen des Kindes abgezogen. Auf andere staatliche Leistungen wie Sozialgeld, Sozialhilfe oder Wohngeld wird der Unterhaltsvorschuss angerechnet.
Beim Antrag auf Unterhaltsvorschuss müssen Angaben zum unterhaltspflichtigen Elternteil gemacht werden, soweit keine schwerwiegenden Gründe dagegenstehen. Das Jugendamt informiert den unterhaltspflichtigen Elternteil über die Antragsstellung und fordert ihn auf, vorgestreckten Unterhalt zurückzuzahlen.
Das Bundesfamilienministerium veröffentlichte im März 2020 eine Broschüre zum Unterhaltsvorschuss.
Hilfe vom Fiskus
Alleinerziehende können in die günstigere Steuerklasse II wechseln, die ausschließlich ihnen vorbehalten ist. Voraussetzungen: Sie leben ohne eine weitere erwachsene Person mit mindestens einem Kind im Haushalt, für das sie Kindergeld erhalten. Das Kind ist mit Haupt- oder Nebenwohnsitz bei ihnen gemeldet.
In diese Steuerklasse ist ein Entlastungsbetrag eingearbeitet, sodass Alleinerziehenden jeden Monat mehr Nettoeinkommen von ihrem Bruttolohn bleibt. Dieser Entlastungsbetrag wurde 2020 auf 4008 Euro erhöht und damit mehr als verdoppelt. Alleinerziehenden mit mehreren Kindern steht ein zusätzlicher Freibetrag von 240 Euro pro Kind zu. Dieser sogenannte Erhöhungsbetrag wird nur auf Antrag gewährt.
Um in die Steuerklasse II zu wechseln, stellen Alleinerziehende beim Finanzamt einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung und reichen für jedes ihrer Kinder die Anlage „Kind“ mit ein. Bei Fragen helfen das zuständige Finanzamt, Lohnsteuerhilfevereine und Beratungsstellen, etwa vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter.
Unterhaltsleistungen lassen sich eventuell steuerlich absetzen.
2020 können für Betreuungsunterhalt bis zu 9408 Euro plus eventuell übernommene Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung des/der Ex als außergewöhnliche Belastung von der Steuer abgesetzt werden. Voraussetzung: Die unterstützte Person hat nur begrenztes Vermögen und keine weiteren Einkünfte oder Bezüge über 624 Euro im Jahr. Höheres Einkommen verringert den absetzbaren Höchstbetrag.
Geschiedene können Unterhalt auch als Sonderausgabe steuerlich geltend machen: bis zu 13.805 Euro plus Basisbeiträge für Kranken- und Pflegeversicherung des Ex-Ehepartners oder der ‑partnerin. Voraussetzung: Der oder die Ex stimmt zu. Die Folge: Der Unterhalt ist zu versteuern. Die Zustimmung kann sich lohnen, wenn der Zahlende im Gegenzug garantiert, alle sich daraus ergebenden steuerlichen und sozialrechtlichen Nachteile auszugleichen.
Auch Unterhaltszahlungen für erwachsene Kinder in Ausbildung sind unter Umständen steuerlich absetzbar.
Hilfe vom Staat
Familien- und Sozialleistungen sind nicht vom Familienstand abhängig, zum Teil jedoch von der Staatsangehörigkeit, dem Hauptwohnsitz und dem Aufenthaltsstatus in Deutschland. Alleinerziehende erhalten spezielle Hilfen wie den Entlastungsbetrag oder – bei Bedarf – Unterhaltsvorschuss. Besondere Hilfen gibt es auch für Familien mit geringem Einkommen.
Welche staatlichen Hilfen für die eigene Familiensituation bereitstehen, lässt sich über ein Infotool des Bundesfamilienministeriums in wenigen Schritten ermitteln.
Getrennt statt allein erziehen
Überdurchschnittlich viele Alleinerziehende zählen zu den Familien mit geringem Einkommen. Das liegt häufig daran, dass wegen der Kinderbetreuung keine oder nur eine geringe Erwerbstätigkeit angenommen werden kann. Doch die Abhängigkeit von Unterhaltszahlungen und Sozialleistungen führt auch dazu, dass keine oder geringere Rentenansprüche erworben werden. Die relative Armut in der Gegenwart setzt sich somit häufig bis ins Alter fort.
Einen Ausweg bietet das sogenannte Wechselmodell. Dabei nehmen Eltern auch nach Trennung oder Scheidung ihre Erziehungsverantwortung zu möglichst gleichen Teilen wahr. Die Kinder wohnen abwechselnd bei Mama oder Papa. Das erhält den Kindern die Beziehung zu beiden Elternteilen und verschafft jedem Elternteil Freiraum, erwerbstätig zu sein.
Wenn auch vielleicht vorübergehend nur in Teilzeit. Doch dann sind die Lasten der Erziehung und der Einkommenseinbuße je nach der persönlichen Lebenssituation verteilt. Je älter die Kinder werden, desto mehr kann die Arbeitszeit aufgestockt werden. In der Regel ist und fällt es leichter, von einer Teilzeit- auf eine Vollzeitstelle zu wechseln, als nach Jahren der Arbeitslosigkeit wieder berufstätig zu werden.
Eltern in Trennung und Scheidung können sich beim Interessenverband Unterhalt und Familienrecht zum Wechselmodell beraten lassen. Erste Tipps gibt die Broschüre: Vom starren Residenzmodell zum individuellen Wechselmodell.
Alle bisherigen Teile unserer Serie Familie und Finanzen auf einem Blick:
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