Woher kommt eigentlich das Geld für unsere gesetzliche Rente? Wie funktioniert das ganze System? Können sich junge Leute noch auf „die Rente“ verlassen?
Viele junge Leute fürchten sich vor Altersarmut. Sie sehen allerdings vor allem den Staat in der Verantwortung gegenzusteuern, wie eine Studie des Versorgungswerkes der Metallindustrie ergab. Jüngere Menschen fürchten also um die Sicherheit der gesetzlichen Rente – setzen aber für ihren späteren Ruhestand hauptsächlich auf diese Einkommensquelle. Doch wie wird es um das Rentensystem bestellt sein, wenn heute 20-Jährige eines Tages in Ruhestand gehen? Dafür erst mal ein Blick auf gestern und heute.
Von Gisela Haberer
Vertrag über Generationen
„Kinder bekommen die Leute immer“, sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und führte 1957 den sogenannten Generationenvertrag für die gesetzliche Rente ein. Danach finanzieren die Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen in die Rentenversicherung die laufenden Renten.
Dieses „Umlageverfahren“ erhöhte die gesetzliche Rente deutlich. Denn zuvor waren nur die früheren eigenen Beiträge in die Rentenberechnung eingeflossen. Seither werden auch die aktuellen, meist höheren Löhne einbezogen.
Früher waren die Renten nur ein kleines „Zubrot“, nach der Umstellung wurden sie mehr und mehr als das wesentliche Einkommen im Alter empfunden.
Adenauers Einschätzung widerlegte jedoch der Pillenknick. So wurden ausgerechnet die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1969 zur ersten Generation, die wirksam verhüten konnte. Und das tat sie. Wenn die „Babyboomer“ nun nach und nach in Rente gehen, treten relativ geburtenschwache Jahrgänge ins Berufsleben ein.
Aktuell finanzieren etwa 2,6 Erwerbstätige einen Rentner, 2030 wird das Verhältnis 2:1 sein. Dazu kommt die steigende Lebenserwartung: 1960 wurden Renten im Schnitt knapp zehn Jahre lang bezogen. Heute ist es doppelt so lange. Droht der Generationenvertrag die Jüngeren zu überfordern?
Anpassungen des Systems
Die Politik steuerte bereits mehrfach dagegen. So ist zum Beispiel seit 2002 die gesetzliche Rente offiziell kein Ersatz mehr für früheren Arbeitslohn. Jeder und jede soll sein Einkommen im Alter durch betriebliche und private Altersvorsorge selbst ergänzen. Der Staat unterstützt dabei durch Förderungen in Form von Steuervorteilen und Zuschüssen.
2007 wurde die „Rente mit 67“ beschlossen, die stufenweise seit 2012 eingeführt wird. Ab dem Geburtsjahrgang 1964 gibt es Altersrente regulär erst mit 67 Jahren. Länger zu arbeiten, soll die Beiträge zur Rentenversicherung während der Erwerbstätigkeit in Grenzen halten. 2019 trat der „Rentenpakt“ in Kraft.
Seither gilt eine „doppelte Haltelinie“: Bis 2025 soll der Beitragssatz zur Rente höchstens 20 Prozent betragen (aktuell 18,6 Prozent). Gleichzeitig soll das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen.
Das Rentenniveau gibt an, wie stark Senioren von einem Anstieg der Löhne profitieren. Es sagt nichts über das Verhältnis zwischen letztem Gehalt und Rentenhöhe aus (siehe auch Beitrag 8).
Ausweitung der Leistung
Doch die Politik stabilisiert das System nicht nur – sie destabilisiert es auch. Um Wählerstimmen zu gewinnen, werden Leistungen eingeführt, die auf den ersten Blick sozial oder gerecht erscheinen mögen. Bei genauerem Hinsehen bürden sie den Erwerbstätigen aber immer größere Lasten auf.
Früher galt der Grundsatz der „Leistungsgerechtigkeit“: Die Höhe der Rente richtete sich nach den eingezahlten Beiträgen, angepasst an die Lohnentwicklung.
Inzwischen fließen immer mehr Renten für Leistungen, für die nichts selbst eingezahlt wurde.
Beispiel 1
Mütterrente. Natürlich ist es zu begrüßen, dass Erziehungsleistung gesellschaftlich anerkannt wird. Doch es muss einem bewusst sein, dass dafür nun die Steuerzahler aufkommen. Denn finanziert werden diese Renten über Bundeszuschüsse aus Steuermitteln.
Seit 1986 wird die Rente für Kindererziehung immer weiter ausgebaut. Die jüngsten Ausweitungen führten laut Regierungsangaben seit 2014 zu rund 6,7 Milliarden Euro Mehrkosten, seit 2019 zu nochmal 3,8 Milliarden Euro. Aktuell kosten die Mütterrenten den Bund insgesamt 16,2 Milliarden Euro pro Jahr.
Beispiel 2
Rente ab 63. Sie setzte die Altersgrenze, zu der die Rente nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge zu beziehen war, nur vorübergehend zurück: von 65 auf 63 Jahren. Ab dem Jahr der Einführung steigt die Altersgrenze stufenweise bis sie wieder bei 65 Jahren liegt.
Nur die Jahrgänge 1949 bis 1963 können – je nach Geburtsjahr – bis zu 30 Monate früher abschlagsfrei in Rente. Bereits diese vorübergehende Verschiebung kostet zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr.
Beispiel 3
Besserstellung von Menschen, die erwerbsunfähig werden. Seit 2019 wird ihre Rente so berechnet, als hätten sie bis zum regulären Renteneintrittsalter gearbeitet.
Für den Einzelnen ist das äußerst hilfreich. Doch das Rentensystem belastete es bereits im Jahr der Einführung mit Mehrausgaben von rund 100 Millionen Euro. Bis 2025 rechnet die Bundesregierung mit einem Anstieg der Kosten auf eine Milliarde Euro pro Jahr.
Beispiel 4
Besserstellung von Geringverdienenden. Midi-Jobber, die zwischen 450,01 und 1300 Euro im Monat verdienen, zahlen nur einen ermäßigten Beitragssatz für die Rente ein. Später wird ihre Rente aber so berechnet, als ob sie den vollen Satz gezahlt hätten.
Auch hier: für Einzelne gut. Doch der gesetzlichen Rentenversicherung entgehen so rund 200 Millionen Euro an Beiträgen pro Jahr – für die sie später aber leisten soll. In diesem Fall ist nicht mal ein finanzieller Ausgleich für die Rentenkasse vorgesehen!
Beispiel 5
Die geplante Grundrente. Sie verwischt endgültig die Grenze zwischen beitragsfinanzierter Rente und bedürfnisorientierter Grundsicherung. Ohne Prüfung der Bedürftigkeit ist noch nicht mal klar, ob die Grundrente vor Altersarmut bewahrt oder zum Zuckerl für Vermögende wird.
Gibt es sie wie vorgesehen nur nach Prüfung des Einkommens, belaufen sich Kostenschätzungen auf zwei bis 20 Milliarden Euro pro Jahr. Langfristig könnten die Kosten „in Summe unendlich hoch“ werden, warnt der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen: „Denn ab Einführung wird für die Grundrente natürlich laufend jedes Jahr draufgezahlt.“
Wer soll das bezahlen?
Nur aus Beiträgen finanziert sich die gesetzliche Rente schon lange nicht mehr. Der Bund schießt Gelder zu: aus Steuermitteln. 1960 belief sich der Bundeszuschuss noch auf umgerechnet 2,7 Millionen Euro. 1990 war es bereits zehnmal so viel.
Inzwischen sind Zahlungen an die Rentenversicherung der größte Einzelposten im Bundeshaushalt: gut 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dies ist mehr als ein Viertel des Bundeshaushaltes 2020, der insgesamt 362 Milliarden umfasst.
Bildung und Forschung, die unsere Zukunft gestalten sollen, erhalten gerade mal rund 18 Milliarden Euro. Die Wirtschaft, die unseren Wohlstand sichern soll, nur rund neun Milliarden Euro.
Besserung? Nicht in Sicht. Die Bundesregierung schätzt, dass ihre Zuschüsse in die Rentenkasse bis 2045 auf etwa 213 Milliarden Euro klettern: pro Jahr!
Ist die Rente damit sicher?
Über anderthalb Jahre brütete eine Rentenkommission − besetzt mit Politikern, Sozialpartnern und Wissenschaftlern − über einen „verlässlichen Generationenvertrag“.
Statt eine handfeste zukunftsfähige Lösung vorzuschlagen, soll es eine laufende Überprüfung geben. Der Gesetzgeber soll alle sieben Jahre die Höhe des Beitragssatzes und das Rentenniveau, das das Verhältnis von Löhnen und Renten beschreibt, überprüfen und neu festschreiben. Sprich: erneut einen Beirat einsetzen.
Dabei liegen bereits Lösungsansätze vor. So empfiehlt zum Beispiel die von Arbeitgebern finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, den Jungen mehr Last abzunehmen. Dafür genüge es, wenn die Renten in Zukunft weniger stark steigen.
Das Werkzeug dafür liegt in der Rentenformel über den Nachhaltigkeitsfaktor bereits vor. Dessen Wirkung hatte die Politik 2018 außer Kraft gesetzt. Diese sei besser wiedereinzusetzen. Dann würde die steigende Zahl der Rentenempfänger rechnerisch stärker berücksichtigt.
Zugleich sei die Formel auf die bereits praktizierte längere Lebensarbeitszeit anzupassen. Bislang liegen der Berechnung 45 Arbeitsjahre zugrunde. Da das Renteneintrittsalter aber bis 2030 auf 67 Jahre steigt, seien 47 Jahren rechnerisch angemessener.
Würden diese zwei Stellschrauben bei der Rentenberechnung berücksichtigt, wäre das System sogar bis 2060 stabil und finanzierbar. Kurz: Auch die heute 20-Jährigen bekämen dann noch eine Rente, die nicht nur ein kleines Zubrot wäre.
Wie wird die eigene Altersvorsorge zukunftsfest?
In diesem Punkt stimmen Experten in und außerhalb der Rentenkommission überein: Jeder und jede sollte bei der persönlichen Vorsorge sozusagen auf zwei Beinen stehen.
Das eine Bein ist die gesetzliche Rentenversicherung: Sie bietet durch das Umlageverfahren eine Möglichkeit, nur mittelbar abhängig vom Kapitalmarkt fürs Alter vorzusorgen.
Das andere Bein ist die kapitalgedeckte Vorsorge: betrieblich und privat. Betriebliche wie private Vorsorge stehen bei so gut wie jedem Einkommen offen: auch durch Förderungen von Chef und Staat. Man muss dafür aber selbst aktiv werden.
Das beginnt damit, sich zu informieren. Dabei hilft Courage: Online gibt’s Informationen zu Absicherung und zur Geldanlage. Das Courage Magazin veröffentlicht in seiner Mai/ Juni-Ausgabe Tipps zur Geldanlage und zeigt, wie sich mit staatlicher Förderung über die „Riester-Rente“ privat vorsorgen lässt.
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