Katarina Peranić leitet die erste Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die Stiftung wurde am 23. Juni 2020 als ein gemeinsames Vorhaben der drei Bundesministerien Familie, Inneres und Landwirtschaft in Neustrelitz ins Leben gerufen. Vereine und Stiftungen leiden unter Mitgliederschwund. Eine dramatische Entwicklung, der Peranić entschieden entgegenwirken will.
Von Sylvia Petersen
Frau Peranić, was sind die Aufgaben der Stiftung?
Katarina Peranić: Wir unterstützen vor allem in drei Bereichen: Digitalisierung, Nachwuchsgewinnung und Stärkung strukturschwacher und ländlicher Räume. Viele Vereine hinken bei der technischen Grundausstattung hinterher. Das wurde im Zuge von Corona zu einem großen Problem. Persönliche Treffen waren nicht mehr möglich, der digitale Austausch scheiterte an der notwendigen IT und das Engagement kam zwangsweise vielerorts zum Erliegen.
Wie helfen Sie bei der Digitalisierung?
Wir stellen Vereinen, Stiftungen und Initiativen Fördermittel zur Verfügung, indem wir zum Beispiel die Anschaffung von Laptops und IT-Fortbildungen finanzieren. Kürzlich hat ein Orchester Fördergelder für eine App beantragt. Damit wollen die Musiker Übungseinheiten erstellen, um trotz Corona weiter proben zu können. Es ist toll zu sehen, was für kreative Ideen entwickelt werden.
Haben Ehrenamt und Stiftung durch Corona an Bedeutung gewonnen?
Ja, durchaus. Für die Wirtschaft sind schnell Hilfspakete geschnürt worden. Die über 600.000 gemeinnützigen Organisationen hatten es unweit schwerer, Gehör zu finden. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Stiftung das Förderprogramm „Gemeinsam wirken in Zeiten von Corona“ aufgelegt.
Zwar bräuchten wir jetzt erst einmal ein Jahr, um die Stiftung aufzubauen, aber Corona stellt uns alle vor so immense Herausforderungen, sodass wir uns entschlossen haben, gleich mit dem Förderprogramm an den Start zu gehen.
Welche besondere Rolle spielt das Ehrenamt auf dem Land?
Für Engagierte und Ehrenamtliche in ländlichen und strukturschwachen Räumen ist es aufgrund fehlender Infrastruktur und Netzwerke weitaus schwieriger, Angebote aufrechtzuerhalten.
Zum Beispiel: Viele Bürgerbusse, die ehrenamtlich betrieben werden, mussten ihren Dienst einstellen, weil sie nicht die nötigen Mittel für ein Hygienekonzept hatten. Hier bieten wir Unterstützung an – auch für die Tafel, die gerade in strukturschwachen Gegenden sehr wichtig ist.
Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist die Nachwuchsgewinnung. Engagieren sich die Menschen denn zu wenig?
Viele Vereine wenden sich an uns, weil die Mitgliederzahl schwindet und Nachfolger für Ämter wie Vorstandsvorsitzender oder Schatzmeister fehlen. Wir wollen dabei helfen, Angebote attraktiver zu gestalten. Sportvereine können beispielsweise Mittel beantragen, um professionelle Online-Trainings-Videos zu erstellen. Das schafft neue Anreize.
Natürlich gibt es auch viele Menschen, die im Zuge der Corona-Krise aufgrund eigener wirtschaftlicher Sorgen überlegen, ihr Ehrenamt erst einmal ruhen zu lassen oder niederzulegen. Das ist eine dramatische Entwicklung, der wir entgegentreten müssen.
Warum bedarf es des Ehrenamts? Überspitzt gefragt: Könnte die Regierung nicht Stellen schaffen?
Jeder muss in einem demokratischen System Verantwortung übernehmen und kann nicht alles dem Staat überlassen. Ansonsten stößt jeder Sozialstaat irgendwann an seine Grenzen. Ohne das Ehrenamt gäbe es viele notwendige Angebote nicht, wie auch die Corona-Krise wieder gezeigt hat.
Sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen – das ist die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Oft weiß man doch selbst viel besser, wo vor Ort Missstände sind und wie man sie beheben könnte.
Wie steht Deutschlands Engagement im internationalen Vergleich da?
Ein Vergleich zwischen Staaten ist immer schwierig. Deutschland liegt nach meiner Einschätzung mit geschätzt 30 Millionen ehrenamtlich engagierten Menschen aber im guten Mittelfeld. In angloamerikanischen Ländern ist die Quote höher. Aber wie gesagt, Vergleiche sind schwierig. Wir werden daher zukünftig eigene Zahlen dazu erheben und veröffentlichen.
Wie finde ich das Ehrenamt, das zu mir passt?
Es gibt in jedem Bundesland Freiwilligen-Agenturen, die Ehrenämter vermitteln. Dort können Sie sich beraten lassen und zum Beispiel fragen: „Ich kann gut mit alten Menschen und lese gerne vor – gibt es in der Richtung was für mich?“
Es gibt mittlerweile auch viele Plattformen im Internet. Die Angebote reichen vom jahrelangen Engagement bis zum Kurzzeiteinsatz. Es kann sich auch lohnen, einen Blick in die Wochenzeitungen zu werfen – manchmal schalten Vereine Anzeigen.
Haben Sie sich auch ehrenamtlich engagiert?
Ich bin über den Sport ins Ehrenamt gekommen. Ich habe mit acht Jahren mit Kunstturnen angefangen und im Verein andere Kinder trainiert. Später war ich ehrenamtliche Stadtführerin in Berlin.
Ich habe auch schon Nachhilfe für Geflüchtete gegeben. Und vor zehn Jahren habe ich eine Social-Media-Sprechstunde für Vereine aufgebaut – mit 20 Social-Media-Expertinnen und ‑Experten, die kostenlos beraten haben. Sie sehen, Digitalisierung hat mich schon früh begeistert.
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