Meeresblau – in das Wellenplakat, das in Anna Banicevics Büro hängt, möchte man am liebsten mit einem Kopfsprung vom Deck eintauchen. Wer einmal dem Charme des Bootsurlaubs erlegen ist, will es immer wieder tun.
Doch davor steht meist ein umständliches Buchungsprozedere. Denn Bootscharter war eine echte „Offline Experience“, bis die sympathische Gründerin mit zizoo.com den Markt auf den Kopf stellte. Mit einem charmanten Wiener Akzent erklärt sie, wie eigene Charter-Erfahrungen, ihr Google-Job und alte Herren in Seventies-Anzügen ihre Gründung beeinflussten.
Von Michaela Stemper
Mit gerade einmal 32 Jahren haben Sie 2015 die heute weltweit größte Bootscharter-Website zizoo.com gegründet. Wie funktioniert die Plattform?
Anna Banicevic: Recht einfach, mit ein paar Klicks. Sie müssen sich das so vorstellen: Ein Bootscharter mit drei Booten im Hafen von Dubrovnik klinkt sich quasi in unser System ein. Er nutzt also unsere Technologie und kann dadurch seine Boote auf dem Marktplatz zizoo.com anbieten.
Auf der Website können dann wiederum Urlauber unterschiedliche Bootstypen anfragen oder direkt buchen: Segelboote, Katamarane oder Motorboote. Und jeden Monat kommen gut 1000 weitere Boote hinzu.
Und wie verdienen Sie daran?
Wir erhalten eine Kommission von etwa 15 bis 25 Prozent von der Charterfirma, abhängig vom Charterer oder dem Bootstyp. Eine durchaus gängige Marge.
Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich war schon immer eine begeisterte Seglerin. Früher segelten wir auf Booten von Freunden, haben also nie gechartert. Im Jahr vor der Gründung wollte ich zum ersten Mal ein Boot in Kroatien mieten und musste feststellen: Das ist eine absolute „Offline Experience“. Kompliziert. Kaum Fotos vom Boot. Zur Bank gehen, um Geld zu überweisen.
Ich erkannte die günstige Gelegenheit: ein Markt, besser noch eine Nische im gesättigten Touristikmarkt, die noch nicht digitalisiert war.
Diese digitale Sichtweise kam nicht von ungefähr, oder?
Nein, meine beruflichen Wurzeln liegen bei Google. Sieben Jahre habe ich dort in unterschiedlichsten Bereichen gearbeitet, von HR bis hin zum Vertrieb von Consumer Goods.
Eine Zeit lang betreute ich dort Touristikunternehmen – eine sehr gute Basis für den Aufbau meiner Plattform. Irgendwie habe ich schon immer gewusst, dass ich mein eigenes Ding machen will.
… und das war zizoo. Was passierte nach den Kroatien-Törn?
Kurz darauf besuchte ich die Austrian Boat Show in Tulln. Ein echter Aha-Moment. Als ich das Zelt betrat, war es, als würde ich in die 70er-Jahre zurückkehren – wohlgemerkt im Jahr 2013.
Männer standen dort in ihren dunkelblauen Seventies-Anzügen mit Goldknöpfen und rauchten. Es erfüllte alle Klischees. Aber, ich muss sagen: Meine Idee stieß auf offene Ohren.
Sie fanden also schnell Unterstützer? Auch Kapitalgeber?
Gegründet habe ich mit zwei Freunden: Sinan und Ivan. Sinan brachte den Finanzbackground mit. Was aber noch wichtiger ist: Ich kenne ihn und seine Familie, seit ich fünf bin. Das ist eine starke Vertrauensbasis. Er stellte mich Ivan vor, unserem heutigen Technologie-Vorstand.
Aber zum Kapital: Am Anfang hat uns ein befreundeter Segler und Skipper 20.000 Euro geliehen und so die ersten Monate finanziert. Richtig gelauncht haben wir unsere Plattform dann 2015 beim Axel Springer Plug and Play Accelerator in Berlin.
So sind wir, trotz der Anfänge in Wien und Zagreb, letztendlich mit unserem Büro in Berlin gelandet – mit inzwischen rund 90 Mitarbeitern.
War es einfach – auch als Frau – an Geld zu kommen?
Es war überhaupt nicht leicht. Ich muss sogar sagen, von allen Herausforderungen war das die größte. Interessenten gab es reichlich. Zu Anfang hatten wir einfach zu wenig Erfahrung, um echte Investoren zu erkennen. Manche waren hochinteressiert, verfügten aber nicht über ausreichend finanzielle Mittel.
Mittlerweile haben wir mehrere Finanzierungsrunden mit einem Gesamtvolumen von 16 Millionen Euro abgeschlossen. Ich bin zufrieden. Wir konnten in jeder Runde neue Geldgeber hinzugewinnen. Aber auch die ersten Investoren blieben an Bord. Nur der Skipper hat seinen Anteil bereits versilbert – mit dem Fünfzehnfachen seines Einsatzes.
Haben Sie sich als Gründerin je anders behandelt gefühlt als Männer?
Ich hatte schon das Gefühl, dass es in manchen Situationen hinderlich ist, wenn die Geschäftsführerin eine Frau ist. In einem Meeting wurde beispielsweise nicht ich adressiert, sondern nur mein Co-Founder. In schwierigen Verhandlungen mit Investoren bekam ich zu hören: „Anna, du musst jetzt nicht emotional werden.“ Aber das war ich definitiv nicht.
Ein andermal erhielt ich das zweifelhafte Kompliment: „Kein Wunder, dass Sie erfolgreich sind, wenn Sie so gut aussehen.“ Unglaublich, zu meinem Co-Founder hätte das niemand gesagt.
Wofür setzen Sie das Kapital aus den Finanzierungsrunden ein?
Hauptsächlich für Marketing und Personal. Um Bekanntheit zu erlangen, nutzen wir die gesamte Klaviatur des Digital Marketing: SEO auf Google, Facebook oder Instagram. Das kostet Geld.
Im HR-Bereich benötigen wir gute Programmierer und starke Supportteams. Wer für mehrere Tausend Euro ein Boot bucht, erwartet Service.
Und wo wollen diese Kunden segeln?
Unser Hauptmarkt ist Kroatien, dann folgen Griechenland und Italien. Wir teilen die Zielgruppen in Korridore auf: Deutsche Kunden segeln beispielsweise gern in Kroatien – ebenso wie Österreicher und Schweizer.
In den USA werden wir ein Büro eröffnen, auch wenn Corona erst einmal dazwischengekommen ist. Unser Angebot in der Karibik oder Miami interessiert die US-Klientel. Bootsverleih ist in den Vereinigten Staaten äußerst populär.
… in Europa kommt es einem elitär vor …
Unsere Kunden sind ganz normale Leute – etwa Familien. Segelurlaub muss nicht teuer sein. Rund 2.000 bis 3.000 Euro kostet eine Woche für acht bis zehn Personen. Das ist vergleichbar mit der Vermietung eines Ferienhauses.
Sie haben eben Corona angesprochen: Trifft das Ihr Business schwer?
Natürlich spüren wir die Auswirkungen der Pandemie. Wir arbeiten schließlich in der Reisebranche. Aber wir versuchen, nicht panisch zu reagieren. Generell ist unsere Situation nicht so verheerend wie im Pauschaltourismus. Cruises werden, aufgrund der hohen Anzahl an Passagieren, wahrscheinlich deutlich stärker leiden.
Segeln ist privat und ökologisch sinnvoll. Unsere Kunden segeln da eher weg von der Masse. So kann die Krise auch eine Chance bieten, dass ein breiteres Publikum auf uns aufmerksam wird.
Kämpfen Sie nicht mit Stornierungen?
Doch! Buchungen für April und Mai konnten nicht stattfinden. Auch in dieser Situation vermitteln wir zwischen Verleiher und Endkunden: Oft werden Gutscheine ausgestellt oder es wird umgebucht. Aber wir kämpfen nicht. Das Gros der Kunden will einfach Urlaub machen.
Es klingt, als hätten Sie den Kontakt zum Endkunden nicht verloren …
Das ist eine der Seiten, die ich an meinem Beruf schätze. Den direkten Kundenkontakt finde ich wahnsinnig spannend. Manchmal arbeite ich nur im Callcenter, um das Gefühl für die Bedürfnisse der Klienten nicht zu verlieren.
Und welche Seite nervt Sie?
Es ist erschöpfend, eine Gründerin zu sein. Ich kann schwer abschalten oder einfach mal das Telefon ausmachen. Eine Finanzierungsrunde zu durchlaufen, gehört nicht zu meinen Lieblingsaufgaben.
Von der Lieblingsaufgabe zum Lieblingstörn: Auf welchem Boot setzen Sie – derzeit leider nur gedanklich – Ihre Segel?
Ich liebe Katamaran-Segeln. Mein Lieblingsrevier ist Sardinien. Oder noch konkreter, das Archipel La Maddalena nordöstlich der Insel. Die einsamen Strände und menschenleeren Buchten sind mein persönliches Highlight. Letztendlich liebe ich dieses echte Naturerlebnis.
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