Es blüht farbenfroh, der Frühsommer lockt mit steigenden Temperaturen nach draußen und die ersten Lockerungen der Maßnahmen zum Schutz vor der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus finden statt. So langsam finden wir in unser „altes“ Leben vor Corona zurück.
Von Susan J. Moldenhauer
Doch einiges bleibt anders.
Das „neue Normal“ zeigt sich nicht nur sichtbar in Form von Mund-Nasen-Schutz, Abstandsklebebändern und Plexiglas, sondern es wirkt auch subtil.
Die wochenlangen Einschränkungen des öffentlichen Lebens haben Folgen für unser (Arbeits-)Leben.
Trotz riesiger „Hilfspakete“ in Milliardenhöhe vom deutschen Staat steigt die Anzahl der Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit auf eine Rekordhöhe von derzeit über sieben Millionen. Mit den von den Unternehmen vorgenommenen Anzeigen zur Kurzarbeit liegen wir sogar bei 11,72 Millionen.
Erinnern wir uns an die Finanzkrise 2008 zurück, so lag der daraus resultierende, bisherige Rekord bei 1,44 Millionen Menschen in Kurzarbeit (Mai 2009).
Die Gruppe der rund vier Millionen Selbstständigen, darunter etwa 50 Prozent Freiberufler und Solo-Selbstständige, sind hier noch gar nicht berücksichtigt. Hier gibt es keine „schützende Hängematte“ aus Kurzarbeitergeld.
Sie haben teilweise mit bis zu 100 Prozent Verdienstausfall zu kämpfen und können die Soforthilfemaßnahmen vom Staat nur eingeschränkt abrufen. Vielen ist nicht bewusst, dass diese Mittel nur die betrieblichen Kosten auffangen sollen, nicht jedoch die entgangenen Umsätze oder Lebenshaltungskosten.
Zudem arbeiten viele Freiberuflerinnen und Solo-Selbstständige von zu Hause aus und haben keine nennenswerten Betriebsausgaben, wie Büro‑, Praxisräume oder Maschinen. Ihnen bleibt als einzige Unterstützung ein „leichterer Zugang“ zur Beantragung von Arbeitslosengeld II, vulgo Hartz IV, wenn die eigenen Rücklagen nicht mehr zur Deckung des Lebensstandards reichen.
Das hinterlässt Spuren: Existenzängste rauben unsere letzten Energiereserven
Doch es hilft gar nicht, den Kopf in den Sand zu stecken oder vor den Problemen wegrennen zu wollen. Es gilt, die alte Tugend Geduld wiederzuentdecken. In großen Ausnahmesituationen müssen wir erst wieder lernen, geduldiger zu werden. Mit den Umständen. Und mit uns selbst.
Krisen lassen sich überwinden − durch Annehmen
Viele von uns haben so eine Krisensituation, wie wir sie jetzt durch die SARS-CoV-2-Pandemie erfahren, noch nie erlebt. Viele Emotionen und Reaktionen auf diese Situation sind neu für uns und damit müssen wir erst einmal klarkommen.
Hier hilft es, die Situation anzunehmen. Wir sollten die Auslöser unserer Emotion benennen und diesen Dingen Raum geben. Indem wir diese nicht länger von uns wegschieben, verlieren sie ihren Schrecken. Mit einem etwas kühleren Kopf können wir dann Klarheit für uns und unsere Situation schaffen.
Das Annehmen und Akzeptieren erfolgt in mehreren Schritten.
Schritt 1: Die Analyse der IST-Situation schafft konkrete Handlungsempfehlungen
Ob selbstständig oder angestellt, im ersten Schritt sollten wir uns eine Übersicht über unsere Einnahmen und Ausgaben machen und im nächsten Schritt einen Liquiditätsplan erstellen:
Für Selbstständige oder Freiberufler:
Welche laufenden Betriebskosten habe ich (z.B. Betriebsräume wie Büro, Praxis oder Ladenfläche, Pkw, Maschinen, Warenbestand etc.)?
Welche Einnahmen habe ich (noch)?
Wie lange kann ich ohne Aufträge leben?
Wie hoch sind meine Rücklagen?
Welche Kosten kann ich reduzieren (z.B. mit dem Vermieter eine Lösung finden; das Finanzamt kontaktieren: Steuerstundungen, Steuervorauszahlungen anpassen usw.)?
Welche weiteren Sparmaßnahmen sind möglich?
Für Angestellte:
Welche laufenden Fixkosten habe ich (Miete, Nebenkosten, Pkw, Versicherungen, Tilgung von Darlehen etc.)?
Welche Kosten kann ich reduzieren (z.B. unnütze Ausgaben, zu teure Versicherungen etc.)?
Was kann ich ausmisten und gegebenenfalls verkaufen (Bücher, gut erhaltene Gebrauchsgegenstände, seltene Keller- oder Bodenfundstücke für Sammler etc.)?
Welchen Betrag kann ich monatlich zurücklegen?
Wichtiger Tipp:
Grundsätzlich sollte ein Betrag als „Notgroschen“ in Höhe von drei bis sechs Nettomonatsgehältern bzw. Monatseinkünften vorhanden sein oder aufgebaut werden.
Dieser Betrag sollte täglich verfügbar sein (auf dem Tagesgeldkonto oder einem Extra-Girokonto, das als „Notreserve“ dient).
Bevor ich ans langfristige Investieren denke, sollte zunächst dieser „Notgroschen“ aufgebaut werden.
Schritt 2: Unterstützung holen
Sofern ich selbstständig unterwegs bin, können die IHK (bei Mitgliedschaft), mein Steuerberater oder auf Förderprogramme spezialisierte Beratungsunternehmen überprüfen, inwiefern es Unterstützung für die eigene Situation gibt. Neben den „Corona-Sofortmaßnahmen“ gibt es zahlreiche KfW-Förderprogramme, Kredite oder Bürgschaften.
Die neue normale Arbeitswelt
Die Arbeitswelt ist während der Corona Krise eine andere geworden. Wo früher kein Homeoffice geduldet wurde, ist das Arbeiten von zu Hause ganz normal geworden. Besprechungen, wichtige Meetings und Termine werden über Zoom, MS Teams, Skype und Co abgewickelt.
Auf einmal ist da diese Erkenntnis, dass man nicht mehr für jede Besprechung um den Globus jetten muss. Es geht auch anders. Und der Nebeneffekt ist nicht nur Zeitersparnis, sondern weniger Stress. Viele Unternehmen lernen jetzt das Arbeiten mit verteilten Teams, was wiederum ganz neue Perspektiven für jeden Einzelnen von uns schafft.
Schritt 3: Umdenken und Neudenken
Ob angestellt oder selbstständig − die neue Arbeitswelt bietet mir die Gelegenheit, mein Wirken zu hinterfragen und mich selbst neu oder anders zu positionieren:
Wo und wie kann ich diese neue Arbeitswelt für mich nutzen?
Wie kann ich meine Dienstleistung, mein Angebot verändern, um trotz der noch geltenden Beschränkungen Umsätze zu generieren?
Wie kann die „Nach-Corona-Zeit“ konkret für mein Business aussehen?
Was kann ich an meiner Dienstleistung oder an meinem Produktportfolio verändern?
Bin ich in meiner Branche/in meinem Bereich immer noch richtig?
Schritt 4: Sichtbar bleiben oder werden
Wie gelingt es mir trotz Homeoffice, meine Leistungen sichtbar zu machen?
Welche Leistungen kann ich über das Web anbieten?
Wie kann ich mich als Expertin in meinem Bereich positionieren?
Wenn wir diese Fragen und Gedanken zulassen und uns damit beschäftigen, werden wir feststellen, dass es für viele Dinge Lösungen gibt. Wenn wir diese Zeit als Möglichkeit begreifen, unsere Situation zu hinterfragen, haben wir die Chance, uns zu verändern und daraus vielleicht viel stärker hervorzugehen.
Ich wünsche Ihnen und Euch allen viel Kraft, Geduld und Zuversicht!
Susan J. Moldenhauer verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche mit dem Fokus auf ganzheitliche, unabhängige Beratung. Durch das Ausbilden, Schulen und Führen von Mitarbeitern entdeckte sie ihre starke Affinität zum Coaching.
Als zertifizierte Karriereberaterin und Coach unterstützt sie im Team der STRATEGY PIRATES® Menschen im Berufsleben. Bei den geldfreundinnen.de ist sie mit der Rubrik „Karriere- und Gehaltscoaching“ vertreten. Sie bietet Workshops, Vorträge und Einzelcoachings an. Als Frau, die sich in einer männerdominierten Branche ihre Sporen verdienen musste, ist ihr Herzensthema, Frauen zu motivieren, mit mehr Mut, Selbstbewusstsein und dem Erkennen ihres „Selbst-Wertes“ ihren Weg erfolgreich zu gehen.
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