Katastrophen gehören zum Geschäft der Allianz. Die Gesellschaft, vor 130 Jahren gegründet, überstand zwei Weltkriege und trotzt nun der Corona-Pandemie. Der Aktienkurs stürzte im Frühjahr ab. Eine Gelegenheit zum Einstieg.
Von Simone Gröneweg
Gründungsidee
Als der Versicherungsfachmann Carl Thieme und der Bankier Wilhelm Finck die Allianz Versicherungs-AG ins Handelsregister eintragen lassen, malt Vincent van Gogh seine letzten Bilder und Reichskanzler Otto von Bismarck wird aus seinem Amt entlassen – es ist das Jahr 1890. Die Allianz beginnt als Transport- und Unfallversicherung in München und Berlin. Eingezahlte Prämien landen in einem großen Topf, aus dem Schäden bezahlt werden. So verteilt sich das Risiko auf viele Versicherungsnehmer.
Das Jahr 1906 ist für die Allianz die erste große Belastungsprobe, als sie nach dem verheerenden Erdbeben in San Francisco hohe Entschädigungen zu leisten hat. Sechs Jahre später sinkt die „Titanic“, und das Unternehmen muss erneut hohe Summen zahlen.
Der Erste Weltkrieg bringt Jahre der Stagnation, die Technik entwickelt sich trotzdem weiter, und die Allianz ruft das Geschäft mit Kfz-Policen ins Leben. 1926 führt sie die sogenannte Kleinlebensversicherung ein: Die Verträge zeichnen sich durch niedrige Versicherungssummen und vereinfachte Bedingungen aus und sind schon für monatliche Beiträge von zwei bis vier Reichsmark zu haben.
In der Zeit des Nationalsozialismus folgt sie – wie andere Unternehmen – der Politik und beschlagnahmt unter anderem Lebensversicherungen von Juden. Später wird sie Mitglied der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, die Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter zahlt.
Heute
„Hoffentlich Allianz versichert“ – den Werbeslogan führte die Allianz Ende der 50er-Jahre ein. Mit mehr als 80 Millionen Kunden in über 70 Ländern gehört der Konzern zu den führenden Versicherungs- und Finanzdienstleistern der Welt.
Das Portfolio ist breit gefächert. Es reicht von Lebens- und Krankenversicherungen über Kreditpolicen bis hin zu Industrieversicherungen. Wer eine Haftpflicht‑, Reise- oder Autopolice benötigt, wird ebenfalls fündig.
Zudem bietet der Konzern sogenannte Assistance-Leistungen an. Das sind Beratungen und Hilfen rund um den Schadensfall. Doch die Allianz versichert nicht nur, sie gehört auch zu den größten Vermögensverwaltern der Welt und managt für Kunden ein Vermögen von mehr als 1,6 Billionen Euro.
Der Konzern investiert zudem in Infrastrukturprojekte, etwa in den Glasfasernetzausbau. So versucht das Unternehmen, die mageren Renditen aufzubessern, die es derzeit mit klassischen Staats- und Unternehmensanleihen erwirtschaftet.
Harte Fakten
Die Allianz hält sich in der Corona-Pandemie bislang recht wacker. Der Konzern wird mit den Schäden aus Betriebsschließungen und Absagen von Veranstaltungen konfrontiert, allerdings gingen während des Lockdowns die Sach- und Haftpflichtschäden zurück. Im November legte der Versicherer Zahlen fürs dritte Quartal vor.
Der operative Gewinn betrug 2,9 Milliarden Euro – mehr, als Analysten erwartet hatten. Konzernchef Oliver Bäte verbreitete Optimismus, gab wegen der Pandemie jedoch keine Prognose für das Gesamtjahr ab. 2019 hatte der Konzern noch einen Umsatz von 142,4 Milliarden Euro gemacht, unterm Strich blieb ein Nettogewinn von 7,9 Milliarden Euro.
Ein Versicherer benötigt genug Kapital, um eventuelle Versicherungsschäden abzudecken. Als Indikator dafür dient die Solvency-II-Kapitalquote. Die stieg bei der Allianz zuletzt auf 192 Prozent und liegt damit im grünen Bereich.
Angenehm für die Aktionäre ist sicher, dass der Versicherungsriese verlässlich Dividenden – einen Bonus für Aktionäre – ausschüttet. Das soll so bleiben, versprach der Vorstand im November.
2019 hatte der Konzern noch einen Aktienrückkauf angekündigt. Plant ein Unternehmen so etwas, ist das eigentlich eine positive Nachricht: Der Konzern signalisiert, dass er die eigenen Aktien für eine gute Anlage hält.
Wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten rund um die Pandemie hält der Vorstand das Geld nun lieber zusammen und verzichtet darauf, eigene Aktien für 750 Millionen Euro am Markt aufzukaufen.
Steckbrief
Im Mai 2015 übernahm der Betriebswirt Oliver Bäte den Posten des Vorstandsvorsitzenden der Allianz. Zu seinen Zielen gehörte unter anderem die Digitalisierung des Konzerns. Den Stammsitz hat die Assekuranz in München. Mehr als 147.000 Beschäftigte arbeiten weltweit für die Allianz. Davon sind übrigens 51 Prozent Frauen.
In Europa gehört der Konzern zu den größten Versicherern. Vor etwa 14 Jahren tat sich die Allianz AG Holding mit dem italienischen Versicherer RAS Holding S.p.A. zusammen. Daraus formierte sich die heutige Allianz SE (ISIN: DE 000 840 400 5). Deren Aktie ist sowohl im Deutschen Aktienindex (DAX) als auch im Euro Stoxx 50, Europas führendem Börsenbarometer, vertreten.
Aussichten
Menschen gehen Risiken ein, sie möchten sich aber auch absichern – egal ob es um Unfälle, Naturkatastrophen, Krankheiten oder Vermögensschäden geht. Das Geschäftsmodell der Allianz könnte man darum durchaus als solide beschreiben.
Die Corona-Krise führt allerdings drastisch vor, dass Risiken sich ändern. Da die Menschen derzeit kaum verreisen, leidet das dazugehörige Versicherungsgeschäft. Etliche Gaststätten und Hotels haben auf Übernahme der Kosten für ihre Schließungen geklagt. Der Konzern wehrt sich dagegen.
Nicht nur die Pandemie zehrt am Geschäft der Allianz, wie andere Lebensversicherer ist sie Getriebene der Null- und Negativzinsen. Neu gekaufte sichere Wertpapiere mit festem Zins werfen keinen Ertrag mehr ab.
Darum hat die Allianz die Reißleine gezogen und die jahrzehntelange 100-prozentige Beitragsgarantie abgeschafft. Das betrifft nur neue Kunden, die von 2021 an einen Vertrag abschließen. Sie können nicht mehr auf den vollen Erhalt ihrer eingezahlten Gelder bauen.
Stattdessen werden ihnen Verträge mit einem Garantieniveau von 90, 80 oder 60 Prozent angeboten. Dies bietet der Versicherung die Möglichkeit, verstärkt in risikoreichere Anlagen – etwa Infrastruktur und Aktien – zu investieren.
Der Chart
Zugegeben, die Versicherungsbranche befindet sich in einem gewaltigen Stresstest. Das sieht man auch an dem Verlauf des Aktienkurses der Allianz. So kletterte der Aktienkurs im Februar 2020 sogar noch auf ein Mehrjahreshoch und notierte bei etwa 230 Euro. Dann kam die Corona-Pandemie, und es folgte der Absturz auf etwa 119 Euro.
Seither erholt sich das Papier. Die Kursverluste der vergangenen Monate haben damit auch ihr Gutes: Für langfristig orientierte Anleger bieten sie die Möglichkeit, zu relativ günstigen Kursen einzusteigen. Die Analysten waren jedenfalls positiv überrascht von den letzten Quartalszahlen. Etliche von ihnen sehen den fairen Wert der Aktie bei mehr als 200 Euro.
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