An der Börse dreht sich alles ums Geld. Doch vielen ist gar nicht bewusst, wohin ihr Geld dort tatsächlich fließt – und was damit passiert.
Von Gisela Haberer
Mit den Worten „Ihr Geld ist nicht weg, mein Freund, es hat nur ein anderer“ versuchte der Bankier Amschel Meyer Rothschild im 19. Jahrhundert einen aufgebrachten Börsianer nach einem Kurssturz zu beruhigen. Ob ihm das gelungen ist, ist zwar nicht überliefert.
Doch führt das Bonmot fast zwangsläufig zu der Frage: „Ja und wer hat denn nun mein Geld?“ Die Antwort darauf hängt davon ab, welches Kapital mit „mein Geld“ gemeint ist – und in was man es investiert hat. Aber der Reihe nach…
Was passiert mit dem Geld, das ich in Wertpapiere gesteckt habe, bei einem Kurssturz?
Eigentlich nichts. Allerdings sind die Wertpapiere, die Du vor dem Kurssturz für Dein teures Geld gekauft hast, jetzt weniger wert.
Angenommen, Du hast Dein Geld in Aktien gesteckt und deren Kurs ist nach dem Kauf um 20 Prozent gefallen. Dann bedeutet das für Dich: Die Aktien sind jetzt zwar ein Fünftel weniger wert, aber sie gehören Dir noch immer. Also steht der Verlust bisher nur in Deinem Depotauszug, in Deinen „Büchern“. Daher nennt man solche Verluste auch „Buchverluste“.
Verkaufst Du jedoch die Aktien zu dem niedrigeren Kurs, dann „realisierst“ Du Deine Verluste. Das kann sinnvoll sein, wenn Du glaubst, dass der Aktienkurs noch viel weiter fällt.
Glaubst Du aber, dass die Aktiengesellschaft ein gutes Geschäftsmodell hat und der Kursverlust nur vorübergehend ist, kannst Du auch einfach nichts tun und die Kursverluste „aussitzen“. Also darauf hoffen, dass der Aktienkurs auch wieder steigt. In vielen Fällen ist das gegenüber einem Panikverkauf die bessere Alternative.
Problematisch wird es nur, wenn Du das Geld, das Du in die Aktien gesteckt hast, kurzfristig dringend brauchst oder – noch schlimmer – wenn Du Wertpapiere auf Kredit gekauft hast und diesen abzahlen musst.
Daher: keine Wertpapierkäufe auf Kredit. Und nur das Geld an der Börse anlegen, das Du in nächster Zeit, also die nächsten fünf bis zehn Jahre, nicht brauchen wirst.
Und wer bekommt beim Börsenhandel mein Geld?
Anders sieht es in Sachen Kapitalfluss aus, wenn Du tatsächlich Wertpapiere kaufst. Und hier muss man unterscheiden zwischen den eigentlichen Kosten für die Wertpapiere und den Kosten und Gebühren für den Kauf (oder Verkauf).
Fangen wir mit Letzteren an: So verlangt zum einen Deine Depotbank Gebühren dafür, dass sie den Kauf oder Verkauf für Dich organisiert und durchführt.
Neben diesen Ordergebühren kommen aber auch noch andere Kosten auf Dich zu: Die Börse, an der die Wertpapiere verkauft werden, will Geld. Der Börsenmakler, der den Trade letztlich abwickelt, ebenso. Und auch die Clearingstelle, so heißen die Firmen, die letztlich die Wertpapiere verwahren, lässt sich ihre Arbeit vergüten. Auch für die amtliche Handelsüberwachung können Gebühren anfallen.
All diese Kosten machen bei Onlinebrokern je nach Größe Deines Kauf- oder Verkaufsauftrags etwa zwischen 0,3 und 0,6 Prozent des Auftragsvolumens aus. Hast Du Dein Depot bei einer Filialbank, dann können es insgesamt durchaus auch ein bis 1,5 Prozent werden.
Daher lohnt es unter Kostengesichtspunkten, das Depot bei einem Onlinebroker zu führen (siehe Teil 8 und Teil 9 dieser Börsenserie).
Das Geld für den eigentlichen Kauf der Wertpapiere fließt dagegen im Normalfall an den Anleger, der Dir diese Papiere verkauft hat. Das kann eine Privatperson sein, eine Fondsgesellschaft, eine Bank oder eine Pensionskasse. Doch gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen.
Wer erhält mein Geld beim Kauf von neuen Aktien?
Geht eine Firma an die Börse – das heißt, ihre Aktien werden erstmals zum Börsenhandel zugelassen – dann kann jede Anlegerin ihrer Depotbank mitteilen, dass sie diese Aktien haben möchte.
Zudem kann sie sagen, welchen Preis sie maximal für eine Aktie zahlen will und wie viele Aktien sie maximal möchte. Im Fachjargon heißt das: Sie „zeichnet“ die Aktie.
Werden ihr beim Börsengang Aktien zugeteilt, dann steht der eigentliche Kaufpreis für diese den Alteigentümern des Börsenneulings zu. Denn natürlich hat jede Firma auch schon vor einem Börsengang Besitzer. Und diese verkaufen beim Börsengang ihre Anteilscheine ganz oder teilweise über die Börse an Dich oder andere Anleger und Anlegerinnen.
Oft ist es jedoch so, dass die alten Firmeninhaber:innen auf einen Teil ihres Verkaufserlöses verzichten und dieses Geld dafür der Aktiengesellschaft selbst zugute kommen lassen. Damit stärken sie die Eigenkapitalbasis des Börsenneulings. Dieser hat dann mehr Kapital für Forschung und Entwicklung, für hochkarätige Mitarbeiter:innen, für die Expansion in neue Märkte oder für Akquisitionen anderer Firmen zur Verfügung.
Und wie ist das bei neuen Anleihen?
Steckst Du Geld dagegen in neue Anleihen, dann fließt dieses, abzüglich der Gebühren (siehe oben), an den Emittenten – also das Unternehmen, den Staat oder die Gebietskörperschaft, das/der/die die Anleihen herausgibt.
Du leihst dem Emittenten für eine gewisse Zeit – maximal bis zum Ende der Laufzeit der Anleihe – Dein Geld, damit dieser Rechnungen begleichen, alte Schulden zurückzahlen, neue Fabriken bauen kann oder was auch immer.
Bei sogenannten „Green Bonds“ oder „grünen Anleihen“ geben Emittenten häufig an, für welche Umweltschutz-Maßnahmen sie das eingesammelte Fremdkapital verwenden wollen.
Doch in der Regel erfahren Anleihe-Investorinnen nicht, wofür ihr Geld verwendet wird. Es kann also sein, dass Pazifistinnen dem deutschen Staat Geld leihen und dieser mit diesem Kapital dann den Kauf von Kriegsschiffen oder Panzern finanziert.
Ist das bei Tagesgeld, Festgeld, Sparbriefen, Banksparplänen oder Sparbüchern anders?
Nein, im Prinzip nicht. Du gibst – oder besser leihst – auch damit einer Bank für eine gewisse Zeit Geld. Was diese damit macht, kannst Du in der Regel nicht beeinflussen. Du erfährst es meist noch nicht einmal. Nur eines ist klar: Es bleibt nicht bei der Bank liegen.
Diese verleiht Dein Geld wiederum an Unternehmen, die einen Kredit bei der Bank beantragen, oder an Privatleute, die eine Immobilie erwerben wollen und denen dafür das nötige Kleingeld fehlt.
Die Bank nutzt also Dein Geld für ihre Geschäfte. Für diese Nutzung zahlt sie Dir in der Regel eine Nutzungsgebühr, den Zins. Und nach dem Laufzeitende des jeweiligen Sparprodukts fließt das geliehene Geld wieder an Dich zurück. Genau wie bei Anleihen auch.
Und wie ist das beim Kauf von Fondsanteilen direkt bei der Fondsgesellschaft?
In diesem Fall fließt Dein Geld an die Fondsgesellschaft, die den allergrößten Teil davon nutzt, um für den Fonds weitere Wertpapiere zu kaufen. Bei einem Aktienfonds mit Schwerpunkt Deutschland, fließt es also etwa in DAX-Aktien.
Dagegen fließt dein Geld bei einem Anleihefonds in die den Anlagerichtlinien entsprechenden Anleihen und in Gewerbe- oder Wohnimmobilien bei einem Immobilienfonds.
Bei diesen Käufen entstehen natürlich wiederum Kosten, die mit Deinem Geld beglichen werden. Doch ein größerer Teil Deines Geldes – der Ausgabeaufschlag, auch Agio oder Aufgeld genannt – fließt dagegen als Vertriebsprovision an Deine Depotbank.
Diese Provision macht bei Aktienfonds meist um die fünf Prozent des gesamten Kaufpreises aus. Bei Anleihefonds meist drei Prozent. Dieses Geld ist für die eigentliche Geldanlage verloren. Daher sollten Fonds-Anlegerinnen darauf achten, dass ihre Depotbank viele Fonds mit einem möglichst hohen Rabatt auf den Ausgabeaufschlag anbieten.
Alle Börsenserienteile auf einem Blick:
- Mehr zum Thema Spekulieren gibt es in Teil 1 unserer Börsenserie.
- Was hinter dem Wort Börse steht, seit wann es sie gibt und was sie mit uns zu tun hat, verrät Teil 2 unserer Börsenserie.
- Was man über Aktien wissen muss, wo Risiken und Chancen von Aktien liegen, ist zu lesen im dritten Teil der Börsenserie
- Wie Anleger:innen in Anleihen direkt oder indirekt investieren, erklärt Courage im Teil 4 der Börsenserie.
- An den Börsen werden auch viele Wertpapiere wie Zertifikate gehandelt. Mehr dazu im fünften Teil unserer Börsenserie: Ein Zertifikat – was ist denn das?
- Wie bei Investmentfonds zur Kapitalanlage, die Zutaten über die jeweilige Ausrichtung entscheidet, beschreibt Teil 6 unserer Börsenserie.
- In Immobilien lässt sich auf viele Arten investieren – auch über die Börse. Mehr dazu im Teil 7 unserer Börsenserie: Betongold an der Börse?
- Wie der Weg zum eigenen Depot funktioniert, erklärt der achte Teil der Börsenserie.
- Wie der Kauf von Wertpapieren genau funktioniert, erläutert Courage in Teil 9 der Börsenserie.
- Wie in Gold investiert werden kann, erklärt Teil 10 der Börsenserie.
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