Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer. Ich lebte damals in Ostberlin, war sechs Jahre alt und gerade eingeschult worden. Von der aufgeheizten politischen Stimmung bekam ich nichts mit – wohl aber von dem, was sich ab dem 9. November 1989 änderte. Aus meiner kindlichen Wahrnehmung geschah vor allem eins: Die Welt wurde bunter.
Von Astrid Zehbe
Es begann schon wenige Tage nach dem Mauerfall. Nachdem mein Vater noch in der Nacht des 9. November neugierig den anderen Teil der Stadt erkundete, wollten wir als Familie am 12. November nach Westberlin. Zu Fuß ging es über die Grenze und dann liefen wir planlos durch eine neue Welt. Ich war überwältigt von den vielen Eindrücken. Alles war voller, quirliger, lauter und eben bunter.
Schon alleine von den vielen Werbeplakaten und Leuchtreklamen war ich völlig beeindruckt. Und von der Freundlichkeit der Menschen. Wildfremde Menschen schenkten meinen Eltern D‑Mark, damit sie uns Kindern etwas kaufen konnten. Omis, die von ihrem Fenster aus das Treiben beobachteten, warfen uns Schokolade zu, und ein älteres Ehepaar nahm uns in seinem Auto mit. Es war eine Mercedes-Limousine erzählten mir meine Eltern später. Für mich kam es einem Raumschiff gleich, das ruhig durch diese aufgeregte Stadt schwebte und uns nach einer kurzen Fahrt vor einer Bank ausspuckte – inklusive all der verlockenden Süßigkeiten aus der Mittelkonsole. In der Bank holten wir unser Begrüßungsgeld ab und shoppten uns durch die glitzernden Geschäfte. Meine Eltern kauften mir – passend zu meinem neuen Reichtum (100 D‑Mark!!!) – eine neongelbe Geldbörse. Ich hatte vorher noch nie solch eine grelle Farbe gesehen.
Viel Besuch dank Mauerfall
Das Foto von mir und meiner Familie auf der Mauer entstand ein paar Wochen später. Mit Wohnsitz in Berlin hatten wir plötzlich viel Besuch an den Wochenenden. Jeder wollte mal „rüber“, jeder wollte das Foto vor – und noch besser – auf der Mauer. Oder die Mauer gleich selbst. Sogenannte Mauer-Spechte waren unterwegs und hämmerten sich Souvenirs aus dem einst unüberwindbaren und verhassten Grenzzaun. Bis zum 20. November besuchten elf Millionen DDR-Bürger die Bundesrepublik – bei 16,5 Millionen Einwohnern. Es dauerte nicht lange, da hielt diese bunte Welt nach und nach auch in Ostberlin Einzug. Im Konsum beziehungsweise in den Kaufhallen – wie die Supermärkte bei uns hießen – landeten immer mehr Westprodukte, Hauswände wurden mit Werbeplakaten zutapeziert und immer häufiger fuhren Westautos durch die holprigen Straßen Ostberlins. Irgendwann hatten wir sogar Westgeld.
Auch in der Schule war der Wandel zu spüren. Das Liedgut, das sich vorher stark um Friedenstauben oder tapfere, kleine Trompeter drehte, verschwand ebenso wie der Samstagsunterricht. Dies galt auch für einige meiner Schulfreunde, denn viele Familien versuchten ihr Glück in Westdeutschland – freiwillig, oder weil sie mussten: Die Abwicklung der Planwirtschaft kostete Jobs. Es waren Schicksalsjahre für sehr viele Ostdeutsche, die sich bis heute in viele Erwerbsbiografien eingebrannt haben. Der Mauerfall war nicht für alle gut.
„Es war nicht alles schlecht“
Erst mit den Jahren begann ich das Ausmaß zu erahnen, das der Mauerfall, das Ende der DDR und die Wiedervereinigung für mein Leben bedeutete: Chancen! Und gleichzeitig kommt auch mir der viel strapazierte Satz „Es war nicht alles schlecht“ häufig über die Lippen. Ich bin rückblickend zum Beispiel sehr dankbar, in einem Umfeld aufgewachsen zu sein, in dem Frauen gearbeitet haben – und zwar in der Regel Vollzeit und auch in verantwortungsvollen Positionen. Ich kann mich an niemanden aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis erinnern, wo die Mutter nicht Vollzeit gearbeitet hätte. Mir ist klar, dass dahinter auch viel politischer Wille und ökonomische Notwendigkeit steckte, aber für die Frauen bedeutete dies auch: eine höhere wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Die Auswirkungen sind heute zum Beispiel bei der Rente zu spüren. Die Rente von Frauen im Osten ist wegen der viel längeren Beschäftigungszeiten im Schnitt mehr als ein Drittel höher als von Frauen im Westen. Auch das Rentengefälle zwischen Männern und Frauen ist im Osten deutlich geringer als im Westen. Unterschiede gibt es dennoch.
Auch hier müssen Frauen privat vorsorgen, um ihre Rentenlücke auszugleichen und im Alter ihren Lebensstandard halten zu können. Und auch hier scheuen sich viele Frauen davor, dies zu tun. Es braucht oft Mut, um sich gegen solche Ängste und Mauern im Kopf zu stemmen, sie einzureißen und zu überwinden. Aber der Versuch ist es wert! Mit Courage wollen wir dazu unseren Beitrag leisten.
Für mich persönlich haben die wichtigsten Eckdaten der DDR-Geschichte – der Gründungstag am 7. Oktober sowie der Mauerfall am 9. November – mittlerweile eine ganz neue Bedeutung: Es sind die Geburtstage meiner beiden Kinder. Ein witziger Zufall, der heute nur noch älteren Ostdeutschen, auffällt. Ich jedenfalls werde heute feiern – den Geburtstag meiner Tochter und die Freiheit, die es uns allen erlaubt, unseren eigenen Weg zu gehen und unsere Träume zu verwirklichen. In diesem Sinne: Habt Mut, euch der Mauern in eurem Kopf bewusst zu werden und sie zu überwinden!
Ja. der Artikel ist gut. Zu dem Thema Wende und wir diese die Ostdeutschen Biografien veränderte sprach izum 25.Jahrestag des Mauerfalll im Rahmen einen Diskisionsrunde mit Marianne Birtler wie schwer es war die ersten Jahre die Säcke von Unterlagen zusammenzusetzen und es dadurch viel mehr an Unrechtsurteile bekannt geworden sind und dadurch sich die Arbeit der Behörde weiterhin mit der Achivierung all diese Urteile mit Opferbeauftragten viele Bürger erst 40–50 Jahre auf die Aufhebung dieser Urteile warten mussten. Aber sie erzählte auch über ihre eigenes Leben vor und nach der Wende.Wir sie doch noch in vielen Köpfen Vorurteile existieren uvam.