Beate Sander ist die Grande Dame unter den Börsengurus. In Courage erklärt sie, wie Anlegerinnen die Krise meistern und bei welchen Branchen sie aktuell zukauft. Zudem fordert sie die Politik auf, Senioren und Börsenneulingen die Abgeltungssteuer zur Förderung der Altersvorsorge jetzt zu erlassen und ab zehn Jahren Anlagehorizont ganz darauf zu verzichten.
Von Daniela Meyer
Durch die Corona-Krise sind die Börsenkurse abgestürzt. Um wie viel ist Ihr Depot eingebrochen?
Beate Sander: Nachdem ich erst kurz vor der Jahrtausendwende mit 30.000 Euro an der Börse eingestiegen bin und an meinem Geburtstag Ende 2019, erstmals die zwei Millionen-Euro-Marke knackte, bin ich aktuell mit einem knappen Viertel von meinem Höchstkurs abgestürzt.
Der Wert Ihres Depots hat also in wenigen Tagen Hunderttausende Euro verloren – hat Sie das schockiert?
Nein, bei mir kam weder Schock, noch Panik auf. Mittlerweile liegen die Verluste bei nicht einmal mehr einem Zehntel – weil ich bevorzugt bei tief eingebrochenen Qualitätsaktien direkt zukaufte und diese sich größtenteils bereits wieder zweistellig aufwärts bewegen.
Mein Depot hat sich nach dem imposanten Kursfeuerwerk schon wieder von 1,5 Millionen Euro auf mehr als 1,9 Millionen Euro erholt. Welch Irrsinn, wenn ich da alles verkauft hätte. Meine zahlreichen Zukäufe im März sind die Cashkuh für die Zukunft.
Waren Sie dennoch überrascht von der Heftigkeit des Crashs?
Der Crash ist das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Die Hauptursache ist natürlich die Coronavirus-Pandemie mit ihren verheerenden volkswirtschaftlichen Schäden rund um den Globus. Aber zum Crash kommt es nur, wenn massenweise komplette Aktiendepots in den Markt geschleudert werden.
Also sind die Anleger selbst schuld?
Die Börse reagiert selbst oft sehr emotional und die meisten Anleger lernen leider nichts aus ihren Fehlern. Nur so konnte es zu diesem tiefen Einbruch kommen. Je mehr Abverkäufe im großen Stil, umso größer die Kettenreaktion. Angeheizt wird der Crash dann noch durch die vielen Stoppkurs-Verkäufe, die nun automatisch durch die weltweiten Computersysteme ausgelöst werden.
Und wie kommt es dann so plötzlich wieder zu den schnellen Kursanstiegen?
Das passiert, wenn Pessimismus und Angst plötzlich in Euphorie und Gier umschlagen. Da wird dann plötzlich umgekehrt weggewischt, dass sich das Coronavirus weiter ausbreitet, die Einschränkungen zunehmen und die Einbrüche in der Wirtschaft geradezu beängstigend sind.
Haben Sie irgendwas an Ihrem Depot im Nachgang angepasst?
Das mache ich, sofern es meine Zeit zulässt und ich nicht unterwegs bin. Ich kaufe dann schrittweise hart abgestrafte Qualitätsaktien zu. Dies finanziere ich durch Teilverkäufe einzelner Aktien nahe dem Jahreshoch mit einem drei- oder vierstelligen Plus, mit Dividenden und kleinen zusätzlichen Einnahmen. Letztlich finanziert sich aber mein Depot selbst.
Sie kaufen also schon. Wäre es nicht besser, noch etwas abzuwarten und zu schauen, wie sich die Krise weiterentwickelt?
Es gibt keinen Grund, immer nur zögerlich abzuwarten. Wer so handelt, verpasst die besten Chancen. Ich nutze die Chancen, indem ich schrittweise zugreife und Teilverkäufe vornehme. Es wäre aber falsch, sein ganzes Pulver auf einmal zu verschießen, denn niemand weiß, wie lange und heftig dieser Crash noch sein wird. Aber mein Grundsatz lautet auch beim Anlegen: Der Tüchtige und der Mutige verdienen das Glück.
Welche Titel haben Sie denn schon gekauft?
Da ich aktiv nachgekauft habe, würde es hier viel zu weit führen, alle Aktien aufzuführen. Ich nenne daher nur meine aktuell bevorzugten Branchen. Das wäre einmal das Gesundheitswesen mit Pharma, Biotech, Medtech – mit Blick auf Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, neue Wirkstoffe, kombinierte Therapien, Stärkung der Immunabwehr, Entwicklung von Impfstoffen, Verfeinerung der Testmethoden, Klinikausrüstungen, Ärztesoftware, Onlineapotheken. Ebenso interessant sind dividendenstarke Aktien aus dem Versicherungsbereich, der Immobilienbranche mit Bauwirtschaft und dem Rohstoffsektor, wozu auch russische Spitzenaktien zählen.
Welche Titel haben Sie auf Ihrer Beobachtungsliste?
Ich beobachte alle Märkte, kann mehr als 1000 Aktien spontan aus dem Kopf nennen und brauche deshalb keine besondere Liste für künftiges Handeln.
Woran erkennt man denn jetzt eine gute Aktie und woher weiß man, dass sie sich auch wieder positiv entwickeln wird?
Auch ich kann nicht garantieren, dass sich alle guten Aktien nach einem Crash erholen. Um möglichst treffsicher zu entscheiden, schaue ich mir das Geschäftsmodell des Unternehmens sehr genau an.
Und worauf achten Sie da besonders?
Handelt es sich um einen Zukunftsmarkt? Wird nachhaltig investiert? Sind defensive, konjunkturunabhängige Value-Aktien niedrig bewertet und dividendenstark? Wie sieht das Ergebnis je Aktie im Mehrjahresvergleich aus? Wie hoch ist die Eigenkapitalquote und umgekehrt prozentual die Verschuldung? Wächst das Unternehmen, wird profitabel gewirtschaftet? Wie hoch ist der Jahresüberschuss?

Beate Sander deckt mit diesem Besteller alle wichtigen Bereiche ab und gibt viele ganz konkrete Tipps für einen erfolgreichen Start als Börsenanleger oder Trader.
Ist das für jede Branche gleich?
Bei den Growth-Aktien aus dem Technologie‑, Software‑, Robotik‑, Biotech- und Medtechsektor kommt es auf innovative Geschäftsideen und Alleinstellungsmerkmale, vor allem aber auf Wachstum in Zukunftsmärkten an. Hier nehme ich eine höhere Bewertung in Kauf, denn Qualität verdient einen Aufschlag. Und dann erwarte ich keine üppige Dividende. Ein exzellent geführtes Fünf-Sterne-Hotel ist ja bezüglich der Kosten auch nicht mit einer heruntergekommenen Mehr-Bett-Klitsche vergleichbar.
Bei welchen Unternehmen sehen Sie auch die Gefahr, dass sich deren Aktien gar nicht oder über lange Zeit nicht wieder erholen?
Wenn die genannten Voraussetzungen und Merkmale bei den defensiven Value- und den offensiven Growth-Aktien größtenteils nicht zutreffen, bleibe ich außen vor. Ich kann ja unter Tausenden von Titeln auswählen.
Was lernen Sie gerade aus der aktuellen Krise?
Ich optimiere und verfeinere meine Hoch-/Tief-Mutstrategie und betrachte auch diesen heftigen Crash als weiteren wichtigen Bestätigungstest, dass sie genau die richtige Langzeitstrategie ist. Ich denke gar nicht daran, mein Depot abzusichern. Nach jedem großen Crash ist Erholung angezeigt.
Was raten Sie Ihren Finanzschülern und allen Kleinanlegern grundsätzlich?
Die Börse ist kein Kindergeburtstag. Ohne gute Bücher geht es nicht: Vom Buch zum Internet, vom Internet zum eigenständigen Onlinehandel. Ob Tanz, ob Sport oder Musik. Ohne Übung, ohne Fleiß auch kein Erfolg und auch kein Preis!
Was sagen Sie Anlegerinnen, die aktuell Verluste im Depot verzeichnen und sich um ihre Altersvorsorge Sorgen machen?
Ich versuche zu überzeugen, dass der größte Fehler der Komplettverkauf aller Aktien im Crash ist und dass selbst das Aussitzen und Füße still halten für Langzeitanleger die bessere Strategie darstellt. Am besten ist ein schrittweiser Zukauf an schwankungsstarken Tagen im Crash-Szenario – finanziert mit Teilverkäufen bester Aktien, die keine oder nur bescheidene Kursverluste erleiden.
Hinzu kommen wieder anzulegende Dividenden. Und vielleicht schlummern ja doch noch Geldschätze unter der Matratze, auf dem Sparbuch, Tages- oder Festgeldkonto. Umgekehrt sage ich immer: Aktienzukauf auf Kredit − alles andre als ein Hit!
Sind Sie beunruhigt, wie es mit der Corona-Krise und der Wirtschaft weitergeht?
Das Wirtschaftswachstum kommt zum Stillstand bis hin zur Rezession. Vor allem Arbeitnehmern mit geringem Verdienst, kleinen Unternehmen, freischaffenden Künstlern, Selbstständigen und Freiberuflern drücken finanzielle Sorgen bis hin zum Zusammenbruch, zur Pleite. Es ist gut, dass die Politik nun ein schnelles, unbürokratisches Hilfspaket auf die Beine stellt. Dazu gehört aber auch, die geplante Aktientransaktionssteuer nicht einzuführen und Börsenneulingen und Senioren zur Förderung der Altersvorsorge am besten für fünf Jahre die Abgeltungssteuer zu erlassen und bei einer Aktienanlage ab zehn Jahren ganz auf diese Steuer zu verzichten.
Damals, nach der Finanzkrise haben Sie auf Weihnachtsgeschenke für Ihre Familie verzichtet, um günstig Aktien zu kaufen. Wie werden Sie es in der aktuellen Krise halten?
Zwischenzeitlich habe ich genug Geld mit Aktien und neuerdings auch mit meinen Büchern verdient, um meine Angehörigen reichlich beschenken und alle Enkel bei Studium und Schulausbildung unterstützen zu können.
Mehr über Beater Sander gibt es hier.
Beate Sander: “Ich habe immer sparsam gelebt”
Beate Sander: “Das größte Risiko ist kein Risiko”
* Bei diesen Produkten handelt es sich um ein Affiliate-Link. Wenn du auf so einen Affiliate-Link klickst und über diesen Link einkaufst, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für dich verändert sich der Preis nicht.
Findet uns auch auf: