Die meisten müssen sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen. Doch was, wenn man wegen Unfall oder Krankheit nicht mehr arbeiten kann? Gut, wenn Du dann eine Berufsunfähigkeits-Versicherung hast. Wann diese leistet, klärt der dritte Teil der Courage-Serie zu wichtigen Versicherungen.
Von Stephan Haberer
Neben der privaten Haftpflichtversicherung gibt es keine Police, die wichtiger ist als eine private Berufsunfähigkeitsversicherung − kurz „BU“. Denn sie sichert das größte Vermögen ab, das die meisten Menschen haben: ihre Arbeitskraft.
Was sich viele nicht klar machen: Im Laufe eines Arbeitslebens verdienen die meisten mehr als eine Million Euro. Dazu zwei Beispiele:
Laura hat eine Ausbildung gemacht, verdient seit ihrem 20. Geburtstag ihr eigenes Geld. Arbeitet sie bis 67, dann sind das 47 Jahre. Angenommen, sie bekommt netto 2000 Euro Monatsgehalt – der Einfachheit halber bleiben Gehaltserhöhungen und Inflation außen vor – dann summiert sich das während ihres Arbeitslebens auf knapp 1,13 Millionen Euro.
Lauras Schwester Sarah hat studiert und erst mit 30 den ersten Job angetreten. Dafür verdient sie pro Monat 5000 Euro netto. Geht auch sie mit 67 in Rente, dann macht das in Summe 2,22 Millionen Euro.
Schlimm, wenn man schon in jungen Jahren plötzlich nicht mehr arbeiten kann – gut, wenn man privat vorgesorgt hat.
Weshalb sollte man sich bei der BU nicht auf den Staat verlassen?
Auf gesetzliche Absicherungen sollte hier keiner zu sehr vertrauen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen höchstens für 72 Wochen Krankengeld. Und alle, die nach 1961 geboren wurden, bekommen von der gesetzlichen Rentenversicherung höchstens dann eine Rente, wenn sie überhaupt nichts mehr arbeiten können – also auch nicht im Rollstuhl als Nachtportier für mindestens drei Stunden.
Das heißt dann Erwerbsminderungsrente (EU). Und diese gesetzliche EU ist alles andere als üppig: Die durchschnittlich gezahlte staatliche volle Erwerbsunfähigkeitsrente beträgt für Frauen, die diese Rente 2018 erstmals bezogen, gerade mal 742 Euro.
Die meisten bekommen aber lediglich eine geminderte EU-Rente. Und deren Höhe liegt bei durchschnittlich 402 Euro im Monat – zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Und dafür muss man dann auch noch in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben.
Wie funktioniert eine private Berufsunfähigkeitsversicherung?
Und wie ist das bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung – kurz „BU“?
Wer eine solche Police abgeschlossen hat, erhält Monat für Monat einen bei Vertragsschluss festgelegten Betrag, sofern er seinen Beruf für längere Zeit – je nach Anbieter meist sechs Monate oder länger – nicht mehr ausüben kann. Und das so lange, wie der Vertrag läuft.
Dabei ist es völlig unerheblich, weshalb man seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Egal, ob ein Unfall, eine körperliche oder eine psychische Erkrankung oder körperlicher Verfall – die Versicherung zahlt.
Da es dabei um viel Geld geht, sind BU-Policen recht teuer, weshalb viele lieber die Augen vor dem Risiko verschließen und darauf hoffen, dass sie nicht berufsunfähig werden.
Doch das könnte sich bitter rächen: Im Laufe des Arbeitslebens wird bundesweit etwa jeder Vierte zumindest vorübergehend berufsunfähig – die meisten inzwischen wegen psychischer Erkrankungen wie Burnout oder Depression. Und das bedeutet: Auch ein Bürojob schützt nicht vor Berufsunfähigkeit. Es kann jeden treffen.
Das weit verbreitete Vorurteil, dass BU-Versicherer sich generell vor der Zahlung drücken, ist eine Mär. 2019 ergab eine Studie, dass in knapp 83 Prozent aller neu gemeldeten BU-Fälle die Versicherer auch zahlten.
Nur 17 Prozent der Fälle wurden abgelehnt, vielfach weil die Antragsteller selbst auf Nachfrage den Versicherern keine weiteren Informationen zu ihrem Gesundheitszustand zukommen ließen, sodass eine Leistungsprüfung schlicht nicht möglich war.
Übrigens: Bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente liegt die Ablehnungsquote bei 44 Prozent.
Regeln
Ein großes Problem bei BU-Policen sind die Komplexität der Materie und die daraus resultierenden komplizierten Regeln.
So prüfen einige Versicherer bei Eintritt des Leistungsfalles ganz genau, welche Angaben eine Versicherte beim Abschluss gemacht hat. Kommt dann heraus, dass die Angaben unvollständig sind, muss die Versicherung im – für die Versicherte – schlimmsten Fall nicht zahlen. Das heißt dann im Fachjargon „Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“.
Hier solltest Du schon bei Antragstellung den Versicherungsvermittler genau kontrollieren und darauf dringen, dass im Versicherungsantrag auch alle Fragen – besonders zu Vorerkrankungen – korrekt beantwortet werden.
Einige Versicherer fragen Vorerkrankungen nur für einen gewissen Zeitraum ab. Etwa für fünf oder zehn Jahre. Je kürzer dieser Zeitraum, desto besser für den potenziellen Neukunden.
Da die BU-Materie äußerst komplex ist und die Absicherung von vielen Faktoren abhängig ist, raten wir unbedingt dazu, diesen Schutz über einen qualifizierten Versicherungsvermittler – am besten einen Versicherungsmakler oder ‑berater – abzuschließen.
Dennoch ein paar Tipps zum Abschluss:
1. Je früher eine BU abgeschlossen wird, desto besser. Dann ist zum einen der Gesundheitszustand meist besser als in höherem Alter.
Zum anderen kann der Schutz auch in jungen Jahren nötig werden, denn eine schwere Krankheit kann jederzeit eintreten. Und Unfälle passieren völlig altersunabhängig. Zudem sind die Beiträge bei frühzeitigem Abschluss deutlich günstiger.
Übrigens: Inzwischen bieten einige Versicherer BU-Policen bereits für Studierende an. Im Leistungsfall wird dann geprüft, ob das mit dem Studium angestrebte Berufsziel noch erreichbar ist oder ob das aktuelle Studium noch fortgesetzt werden kann.
Später lassen sich diese BU-Policen dann an die tatsächliche berufliche Situation anpassen.
2. Der Versicherer sollte auf die abstrakte Verweisung verzichten. Tut er das nicht, dürfte der Versicherer im Falle des Falles den Kunden darauf verweisen, dass es ja noch einen anderen Beruf gibt, in dem er noch arbeiten könne. Dabei muss er noch nicht mal belegen, dass es in dem Beruf, auf den er verweist, überhaupt offene Stellen gibt.
Viele Versicherer verzichten inzwischen auf die abstrakte Verweisung. Jedoch sollte man zudem darauf schauen, wie der Versicherer den Beruf des Versicherten definiert. Am besten, wenn er auf den bei Eintritt der BU ausgeübten Beruf abstellt.
Kannst Du diesen zu 50 Prozent oder mehr nicht mehr ausüben, muss der Versicherer die BU-Rente zahlen. Oftmals die schlechtere Variante: Wenn der Versicherer auf den erlernten Beruf abstellt.
3. Der BU-Schutz sollte sich ändernden Lebensumständen angepasst werden können. Etwa bei Heirat, Geburt eines Kindes, Immobilienfinanzierung und bei Einkommenssprüngen.
4. Es sollte die Möglichkeit geben, die Laufzeit des Vertrages zu verlängern, sollte das gesetzliche Renteneintrittsalter erhöht werden.
5. Der Versicherer sollte keine Fristen für die BU-Meldung setzen und für nachgewiesene BU-Zeiten auch rückwirkend unbegrenzt leisten.
6. Für Beamte ganz wichtig: Sie werden nicht berufs‑, sondern dienstunfähig. Dies ist aber teilweise anders definiert. Daher sollten Beamte unbedingt darauf achten, dass ihre BU-Police eine sogenannte Dienstunfähigkeitsklausel enthält, die den Versicherer auch in diesem Fall zur Zahlung verpflichtet.
Gibt es Alternativen zur privaten BU-Police?
Vielen ist eine BU-Police schlicht zu teuer. Oder die Versicherung lehnt sie gleich komplett ab. Das ist oft dann der Fall, wenn der ausgeübte Beruf sehr gefährlich ist oder wenn es sogenannte „gefahrerhöhende Vorerkrankungen“ gibt, die es sehr wahrscheinlich machen, dass die Betreffenden irgendwann berufsunfähig werden.
Wer dennoch nicht ganz ohne Absicherung dastehen möchte, für den gibt es Alternativen. Diese reichen nicht an das Schutzniveau durch eine BU-Police heran.
Das wäre als erste Alternative die private EU-Police
Diese sichert nur eine Rente zu, wenn man gar nicht mehr arbeiten kann. Sie stellt also nicht auf eine länger dauernde Unfähigkeit ab, den bisherigen Beruf weiter auszuüben, sondern auf eine länger dauernde Unfähigkeit, einer wie auch immer gearteten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie zahlt daher deutlich seltener und ist deshalb auch deutlich günstiger.
Anders funktioniert eine Grundfähigkeiten-Police
Sie zahlt, wenn bestimmte Grundfähigkeiten nicht mehr vorhanden sind – etwa Gehen, Treppen steigen, selbständig Essen, Sehen oder Hören. Jeder Grundfähigkeit ist dabei eine Punktzahl zugeordnet. Wird eine bestimmte Punktzahl überschritten, zahlt die Versicherung.
Die Dread-Disease-Police
Also die „Schwere-Krankheiten-Versicherung“ zahlt dagegen meist einmalig eine vereinbarte Summe aus, wenn eine bei Vertragsabschluss festgelegte schwere Krankheit ausbricht. Dabei ist egal, ob man dadurch (vorübergehend) berufsunfähig wird oder nicht.
Die Einmalleistung fließt, wenn die Krankheit eintritt. Jedoch ist je nach Versicherer die Zahl der versicherten Krankheiten unterschiedlich. Die Krankheitslisten umfassen zwischen weniger als zehn bis knapp 50 Krankheiten.
Unfallpolicen
Schlechteste Variante für Personen im Erwerbsalter sind Unfallpolicen. Diese sind zwar günstig, aber nicht einmal fünf Prozent aller BU-Fälle resultieren aus Unfällen. Solche Policen zahlen eine Einmalleistung aus, wenn man aufgrund eines Unfalls dauerhaft geschädigt ist. Dabei ist es für die Auszahlung unerheblich, ob das Unfallopfer berufsunfähig ist oder nicht. Ebenso ist unerheblich, ob der Unfall im Beruf oder in der Freizeit passierte.
Alle bisherigen Absicherungsteile auf einem Blick:
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