Unangenehme Aufgaben schieben wir gern vor uns her. Und Finanzthemen sind vielen von uns unangenehm. Häufiges Vermeidungsargument: Keine Zeit. Hast du grad 10 Minuten? Wir versprechen dir in 10 Minuten einen Überblick über das Wichtigste zur Börse. Stell die Uhr – los geht’s.
Von Antje Erhard
Willkommen am modernen Marktplatz, der Börse. Käufer und Verkäufer handeln hier Wertpapiere statt Obst und Gemüse wie auf dem Wochenmarkt. In den Einkaufskorb, sprich das Depot, können Aktien, Anleihen, Fonds, ETFs, Währungen, Rohstoffe etc. wandern. Marktgeschrei gibt es auch nicht: Verkäufer und Käufer treffen sich elektronisch.
Die Verkäufer wollen ihre Wertpapiere verkaufen. Sie machen den Käufern ein Angebot. Die Käufer wollen die Wertpapiere erwerben und haben entsprechend Nachfrage. Ein Orderbuch, das früher wirklich ein Buch war und heute elektronisch funktioniert, bringt beide Seiten zusammen, wenn sie sich auf einen Preis einigen. Wie ein Orderbuch funktioniert, liest du hier.
Hast du eine Aktie gekauft, bist du Aktionär:in. Das heißt, ab jetzt bist du an einem Unternehmen beteiligt. Du profitierst von den Kursgewinnen der Aktie, aber auch von möglichen Dividenden. Das sind Gewinnbeteiligungen, wenn die Geschäfte gut laufen und das Unternehmen Gewinne macht.
Geldanlage an der Börse ist ein auch Risiko. Bei Aktien sind es unternehmensspezifische und Marktrisiken. Letztere hast du nicht in der Hand. Auch aktuell haben wir erhebliche Marktrisiken: Wir sehen gerade, dass die Preise enorm schnell steigen, dass die wirtschaftliche Dynamik in vielen Teilen der Welt nachlässt, dass ein Krieg die Welt erschüttert. Und die Pandemie mit ihren Folgen für uns Menschen, Gesundheitssysteme, Lieferketten, Wirtschaft etc. ist auch nicht vorbei. In so einer Phase heißt es: Risiko rausnehmen, defensiver investieren.
Wie kannst du das Risiko an der Börse senken?
Grundsätzlich gilt: Breit streuen. ETFs oder Fonds, die sehr breit in verschiedene Regionen, Länder Sektoren etc. investieren, sind eine gute Wahl. Gerade in ruppigen Zeiten sollten Risiken verteilt werden. Oder defensivere Aktien wie etwa Konsumgüter- oder Lebensmittelhersteller. Aber auch wenn du einen hohen Anteil an einzelnen Aktien favorisierst: Investiere in verschiedene Märkte, Branchen, Regionen – dann vermeidest du Klumpenrisiken.
Zu den unternehmerischen Risiken: Der Aktienkurs eines Unternehmens hängt entscheidend vom Erfolg eines Unternehmens in der Zukunft ab. Schwache Geschäftszahlen, schlechte Aussichten, aber auch Management-Fehler – es gibt viele Gründe, warum dir als Anteilseignerin an einem Unternehmen, Kursverluste entstehen können.
Warum soll ich Geld anlegen?
Es gibt aber auch viele Gründe, um zu investieren: Weil die Rente später nicht ausreicht, du aber auf nichts verzichten möchtest; weil du große finanzielle Ziele hast, etwa einen Immobilien-Kauf; weil du dir eine längere Auszeit leisten könnten möchtest; weil du für die Ausbildung oder das Studium deiner Kinder vorsorgen möchtest. Aber auch: Weil nach wie vor die negativen Zinsen und inzwischen auch die Inflation am Gesparten knabbern. Es gibt viele Gründe. Börse ist schließlich dazu da, Kapital zu vermehren. Das geht nicht über Nacht, langfristig aber schon.
Wie kann ich Geld anlegen?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Geld anzulegen, etwa Sparbuch, Tagesgeld, Festgeld: Das Sparbuch wirft – anders als früher – fast keine Zinsen ab. Es eignet sich nicht zur langfristigen Geldanlage. Tagesgeldkonten sind eine Art Girokonto mit Sparfunktion. Doch auch hier sind die Zinsen zu niedrig, als dass sich so ein Konto lohnt. Selbst auf Festgeldkonten werden inzwischen Zinsen angeboten, die die Inflation nicht ausgleichen: Legst du hier aktuell 10.000 Euro für fünf Jahre an, erhältst du europaweit bei Instituten mit mindestens guter Bonität maximal 0,65 Prozent Zinsen pro Jahr (Quelle: Check 24, April 2022).
Beispiel Aktien: Selbst Aktien sind nicht vor der Inflation gefeit, weil viele Sektoren darauf sensibel reagieren. Andere Unternehmen können Preissteigerungen wiederum an ihre Kund:innen weitergeben. Doch Aktien, also Unternehmensanteile, sind für den langfristigen Kapitalaufbau durchaus geeignet. Du profitierst idealerweise von Kursgewinnen und Dividenden. Andererseits gehst du Verlustrisiken ein.
Beispiel ETFs, Fonds: Das Risiko von Einzelinvestments in Aktien kannst du mit ETFs und Fonds umgehen. Es gibt zu jeder Anlageklasse, zu jeder Marktlage, zu jeder Region entsprechende Produkte: Ein Fonds oder ETF enthält viele verschiedene dieser Produkte, etwa Anleihen, Aktien, Rohstoffe etc. Fonds werden aktiv von Managern betreut, das kostet Gebühren. Aber er kann auf Marktschwankungen reagieren und das Portfolio umschichten. ETFs sind passive Strukturen ohne Manager. Das ist günstiger, aber weniger flexibel.
Beispiel Anleihen: Hier wirst du Gläubiger eines Unternehmens oder Staates. Die geben Anleihen aus, um Geld einzunehmen. Mit dem Kauf ihrer Anleihen bekommst du Geld in Form von jährlichen Zinsen. Das Risiko hängt stark von der Bonität des Schuldners ab.
Beispiel Immobilien: Die eigene Wohnung, das eigene Haus oder Immobilien als Kapitalanlage. Du kannst Mieten einnehmen und hast im Idealfall eine Wertsteigerung. Allerdings sind in den meisten Regionen Deutschlands die Preise stark gestiegen, und jetzt ziehen auch die Zinsen an. Alternativen können Immobilien-Fonds sein, die in Wohn- oder Gewerbe-Immobilien investieren oder Immobilien-Aktien.
Beispiel Edelmetalle: Gold ist in Deutschland als Investment viel beliebter als in vielen anderen Ländern. Du kannst Gold, aber auch Silber oder andere Edelmetalle physisch kaufen als Münzen oder große und kleine Barren und dann in einem Tresor verwahren. Edelmetalle sind aber auch über Wertpapiere handelbar.
Beispiel Rohstoffe: Rohstoff-Investments gelten als die Kür unter den Investments. Sie sind sehr anspruchsvoll, weil sie von vielen Faktoren abhängen: Von der wirtschaftlichen Lage, von Währungsentwicklungen, Inflation, von Angebot und Nachfrage sowieso und, und, und. Die meisten Produkte auf Rohstoffe sind komplex und viele bergen ein Ausfallrisiko. Für Einsteiger:innnen sind sie daher nicht geeignet. Aber für später einen Blick wert, um das Portfolio weiter zu diversifizieren, also noch breiter aufzustellen.
Was muss eine Geldanlage leisten und an Renditen bringen?
Wir haben schon gesehen, dass Sparbuch, Festgeld und Tagesgeld wenig einbringen beziehungsweise durch die hohe Inflation sogar noch Verluste entstehen. Auch an der Börse können Verluste entstehen. Das muss dir klar sein. Doch für den deutschen wie den US-Aktienmarkt ist belegt: Nach 15 Jahren war jedes Investment seit dem Zweiten Weltkrieg positiv – egal wann man eingestiegen ist und egal, ob es zwischendrin Einbrüche gab.
Nehmen wir ein beliebtes Beispiel: Den MSCI World. 7,5 Prozent hat er in den letzten 20 Jahren im Schnitt an Performance erzielt. Nehmen wir eine Inflation von 2,5 Prozent an (sie war in den letzten 20 Jahren von 2002 bis 2021 mit 1,5 Prozent deutlich niedriger, aber künftig wird sie wohl erst einmal höher ausfallen – also 2,5 Prozent als Annahme), dann ergibt sich vor Kosten eine Rendite von fünf Prozent.
Was bringen fünf Prozent Rendite langfristig?
Fünf Prozent Rendite in einem breit gestreuten Index sind absolut machbar – ganz ohne Einzelaktien. Wenn du monatlich 150 Euro zu fünf Prozent investierst, über 20 Jahre, dann zahlst du insgesamt 36.000 Euro ein. Du erhältst 25.912 Euro Zinsen und hast am Ende der Laufzeit 61.912 Euro vor Steuern.
Sparplan oder Einmalanlage?
Die 150 Euro kannst du über einen Sparplan anlegen, dann läuft das Ganze automatisch. Du kannst aber auch einen größeren Betrag auf einmal investieren:
Wenn du einen Einmalbetrag von 10.000 Euro über 20 Jahre anlegst, dann sieht es wie folgt aus: Bei fünf Prozent Rendite erzielst du in 20 Jahren 27.126 Euro. Legst du 20.000 Euro an, sind es 54.253 Euro am Ende der Laufzeit. (Quelle: Finanzfluss).
Letztlich hast du mit dem Sparplan am Ende mehr Geld, du hast aber auch insgesamt mehr investiert. Studien belegen, dass Einmalbeträge langfristig meist eine höhere Rendite abwerfen. Um viel auf einmal zu investieren, solltest du dich an der Börse schon etwas auskennen.
Wie gehe ich mit Kursverlusten um?
Kursverluste wirst du erleben, wenn du langfristig investierst. Das ist einfach so. Wenn du trotz Kursverlusten von der Qualität deiner Aktien überzeugt bist (Bewertungen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das den Aktienkurs ins Verhältnis zum Unternehmensgewinn setzt oder Einschätzungen von Analysten geben hierzu Hinweise bzw. Informationen), dann halt durch. Wenn du einräumen musst, dass du auf ein völlig falsches Pferd gesetzt hast oder ein Unternehmen sogar pleite ist – siehe Wirecard, wo viele von uns Geld verloren haben – dann kannst du nur die Reißleine ziehen. Immerhin: Die Verluste kannst du mit Kursgewinnen verrechnen und steuerlich geltend machen. Aber darauf musst du es ja nicht ankommen lassen.
Warum investieren so viele von uns nicht an der Börse?
Keine Ahnung, kein Geld, keine Zeit – das sind die gängigsten Argumente bzw. Vorurteile. Dass du wenig Zeit brauchst, beweisen wir gerade. Wenig Geld ist auch kein Thema: Ab 25 Euro monatlicher Sparrate ist Börse machbar. Das Wissen schaufelst du dir in diesem Moment drauf.
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